Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe
Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.
In der Krise zeigt sich der Charakter.
In einer Großkrise werden die besonders schlechten
Charaktere (Trump, Bolsonaro) daher auch besonders deutlich.
In Deutschland versagen die Blender, bleiben die
Durchschnittlichen blass, während die Seriösen wie Tschentscher, Scholz oder
Heil zu großer Form auflaufen.
Ob die Anführer nun gut oder schlecht sind; sie alle können
im Social-media-Zeitalter nur bedingt das Verhalten der Herde beeinflussen.
Ich erinnere wieder an Helmut Schmidt, der nicht nur bei der 1962er Sturmflut die Initiative
und Deutungshoheit ergriff, sondern auch 1977 in der RAF-Schleyer-Landshut-Megakrise
so sehr überzeugte, daß selbst seine brutalsten Kritiker wie der spätere CSU-Innenminister
Friedrich Zimmermann bis an ihr Lebensende nur noch bewundernd vom
Krisenkanzler sprachen.
Die 1977 durchgeführten extremsten Rasterfahndungen, die
dazu führten, daß nahezu alle Autofahrer kontrolliert und durchsucht wurden,
führten zu endlosen Staus. Der Grenzverkehr brach total zusammen.
Die zeitgenössischen Tagesschau-Ausgaben zeigen ein
faszinierend diszipliniertes Bild. Alle interviewten Passanten und Autofahrer
hatten Helmut Schmidt in der letzten Tagesschau verfolgt und jeder war
überzeugt: Der Kanzler weiß was er tut. Daher erduldeten sie stoisch die
stundenlangen Wartezeiten.
Erst Jahre später wurden die Frage diskutiert, ob die 1977er
Einschränkungen der Bürgerrechte, um die RAF-Täter zu fangen, gerechtfertigt
waren.
Ich behaupte: Wenn im Herbst 1977 klar und deutlich von
seriösen Menschen artikuliert worden wäre, daß Rasterfahndung und
Radikalenerlass grundgesetzwidrig wären, hätte es für das Volk keinen
Unterschied gemacht, sie wären Helmut Schmidt auch dann gefolgt.
Der Grund lag in seiner Persönlichkeit; man wußte, man
ahnte, man fühlte; er würde angemessen handeln.
Die in Teilen der Bevölkerung populären noch viel
radikaleren Gedanken – Franz Josef Strauß soll in den geheimen Runden im
Kanzleramt die Erschießung von RAF-Gefangenen vorgeschlagen haben – prallten natürlich
an Schmidt ab. Er griff rigoros durch, behielt aber stets einen kühlen Kopf, so
daß die wutschnaubenden Methoden, die ein Kanzler Strauß ergriffen hätte, eben
nicht zum Einsatz kamen.
Allerdings hatte es ein Helmut Schmidt nicht mit Twitter und
Facebook zu tun.
Im „deutschen Herbst“ wurde weitgehend seriös informiert.
Würde 1977 unter den Medienverhältnissen von 2020
stattfinden, wären schlagartig die
Verschwörungstheorien der Aluhutträgerszene Tagesgespräch.
Die Apotheose des Aluhutträgertums in der Corona-Krise ist
das Hamstern und insbesondere der manische Klopapierkauf.
Der Klopapierwahn ist daher auch die Impudenz des Monats
März 2020.
Wie soll man ein Volk; wie soll man Völker – in einigen
anderen Ländern ist es nicht besser – regieren, wenn sie trotz aller Appelle,
Aufklärung, trotzdem der Mahnungen und Aufforderungen ihr Heil im Bunkern von
Klopapier suchen?
Natürlich, die Leute sitzen jetzt alle zu Hause, werden sich
der Sinnlosigkeit ihrer Existenzen bewußt, bemerken ihre Entbehrlichkeit auf
dem Arbeitsmarkt, erkennen wie sehr sie ihre eigenen Partner/Kinder/Eltern
nerven. Da projizieren sie ihre neandertalerischen Jäger-und-Sammler-Anlagen
auf ihre anale Phase und sorgen sich rund um die Uhr um die Rosetten-Reinheit.
Dabei könnte man sich in exkremeteller Hinsicht im Notfall auch
anders helfen. Es gibt Küchenpapier, Taschentücher, Servietten, Zeitungen und
auch fließendes Wasser. In Wahrheit geht es wohl eher um das Horten an sich. Je
größer der Berg des Klopapiers, desto besser gelingt die Illusion aktiv gegen
das so bedrohliche Virus zu handeln.
Über diesen Umweg wird die Toilettenpapierrolle zum
teutonischen Großfetisch.
Die Klorolle als Statussymbol ist gerade dabei Auto,
Armbanduhr, Penislänge und Bankkonto den Rang abzulaufen-
Ich wische mir den Hintern ab, also bin ich!
(René Deutschcartes)
Klopapierwitze sind in der Verzweiflung der häuslichen
Isolation auch eine wundervoll humoreske Ablenkung, aber sie sind nicht nur ein
Meme.
Der Toilettenpapierwahn existiert wirklich.
[…..] Klopapier
hat in den vergangenen Wochen eine erstaunliche Karriere hingelegt. Lange kaum
mehr als eine tägliche Notwendigkeit, wurde es zu einem kuriosen Symbol dafür,
wie das Coronavirus unser Leben umkrempelt.
Der Kampf um letzte Packungen im Supermarkt lässt an der Ladenkasse so
manchen aus der Rolle fallen. Es gibt Manager, die ihren Absatz mit dem
Abverkauf von Klopapier vergleichen - und Spötter, die den Namen der
gefährlichen Lungenkrankheit, die das Virus auslöst, als Klovid-19
verballhornen. Unter Hamsterkäufern gilt das Klopapier offenbar als Krönung des
Einkaufs. […..] Das
Marktforschungsinstitut Nielsen hat ermittelt, wie sich der Absatz von
einzelnen Artikeln in der Coronakrise gesteigert hat. Dieser Auswertung digital
verfügbarer Kassendaten des Einzelhandels zufolge stieg die Nachfrage in den
vergangenen Wochen extrem.[…..]
Nach Ausbruch
der Corona-Pandemie in Nordrhein-Westfalen lag der Absatz in einer Woche jedoch
um 76 Prozent, in den beiden folgenden dann um 118 Prozent und um 99 Prozent
über den Werten der jeweiligen Vorjahreswochen.
[…..] Die
höheren Absätze spiegeln sich auch in Daten des Statistischen Bundesamts wider.
In einer Sonderauswertung wird ein Vergleich zum Absatzdurchschnitt der
vorherigen sechs Monate gezogen. In der zwölften Kalenderwoche (16. bis 22.
März) stellten die Statistiker dabei eine mehr als dreimal so hohe Nachfrage an
Toilettenpapier fest. Auffällig bei diesen amtlichen Daten war der stagnierende
Bierabsatz - trotz Krise und Quarantäne scheinen die Deutschen nicht mehr Bier
gekauft zu haben, manchem Klischee zum Trotz. […..]
Kackito ergo sum.
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