Mein Gemüseladen existiert nun in der vierten Generation.
Die
Seniorchefin erzählte mir einmal, wie sich die Kunden zu ihrer Anfangszeit
gefreut hätten, daß sie mit Eisbergsalat und Kopfsalat zwei verschiedene Salate
zur Auswahl hatten.
Heute
hat allein der Lieferant auf dem Großmarkt, bei dem sie morgens Salat kaufen 84
Sorten im Angebot.
Da die
Ladenfläche gleich geblieben ist und außerdem die gewaltige Konkurrenz durch
die Discounter dazu gekommen ist, kann man sich vorstellen was das für ein
kaufmännisches Problem ist.
Und
tatsächlich beobachte ich genau das bei meinen Einkäufen dort; trotz einer
schier überwältigenden Auswahl kommen immer wieder Kunden, die einen derart
exotischen Pilz oder einen geräucherten LILA Knoblauch aus Frankreich wünschen,
daß sie dann enttäuscht und ohne etwas zu kaufen wieder abziehen.
Einer
der Verkäufer in meinem Gemüseladen hat lange als Koch gearbeitet und gibt
dementsprechend detaillierte und raffinierte Zubereitungstipps zu jedem
exotischen Gemüse.
Noch vor
ein paar Wochen brachte er mir auch wieder etwas bei. Ich kaufe gerne
Baby-Spinat und Rucola als Salat. Nun empfahl er mir aber zu einer
Gorgonzola-Soße lieber den normalen frischen Spinat als Salat zu verwenden.
Tatsächlich
ist der ausdrucksvoller, als die Babyblätter. Geht wunderbar auch mit
Essig/Öl/Räucherknoblauch: Spinat ein bißchen, zerreißen, waschen,
Salatschleuder. Ein paar Marindas dazu schneiden, Fertig.
Wenn man
zu Hause die TV-Programmzeitschrift durchsieht, wird auch klar wieso sich meine
armen Gemüseleute so abstrampeln:
Es gibt auf fast allen Sendern eine Kochsendung nach der Nächsten.
Es gibt auf fast allen Sendern eine Kochsendung nach der Nächsten.
Fernsehköche
gehören längst nicht mehr in die Reihe anderer Fernseh-„Experten“, die
Gartentipps, Rechtsbeistand, politische Analysen oder Kinoneuheiten
präsentieren. Fernsehköche sind echte Stars und können mit etwas Geschick eine
ganze Industrie aufbauen: Kochbücher, Kolumnen, Restaurants und in den
Supermärkten steht auch alles voll mit Jamie-Oliver-Relishs und
Schubeck-TK-Gerichten.
Der
Kochwahn spiegelt sich auch in den unendlich vielen kitchen-utensils wider, die
man heute in Spezialgeschäften, aber auch in Kaufhäusern bekommt.
Luxus-Küchen
spielen sogar eine bedeutende Rolle im Immobiliengeschäft. Wer seine Wohnung
aufwerten will und sein Geld sinnvoll investieren möchte, gibt gerne mal fünf-
bis sechsstellige Beträge für eine neue Küche aus. Die Küchen werden größer und zunehmend zu Wohnflächen,
weil man das Kochen mehr zelebriert.
Küchen
zu bauen wird dabei immer komplizierter, da die Bedürfnisse von Veganern und
Fleischessern verschieden sind.
Die
kleine schmale Einbauküche, in der gerade mal die Mutter reinpasste, hat
endgültig ausgedient.
Grundsätzlich
sind das alles begrüßenswerte Entwicklungen.
Auf die
Ernährung zu achten, kulinarische Vielfalt einziehen zu lassen und das Kochen
nicht mehr nur als lästige Pflicht, sondern auch als anspruchsvolles Hobby für
die ganze Familie zu betrachten, kann nur gut sein.
Blöderweise
ist alles was ich bis hierher beschrieben habe überhaupt nicht repräsentativ.
Der
Eindruck, daß sich alle intensiv mit Kochkunst und vielfältigen Zutaten beschäftigen,
täuscht.
Noch
immer sind die Deutschen das lebensmittelknauserigste Volk Europas.
Nirgendwo
wird ein geringer Prozentsatz des Monatseinkommen für Lebensmittel ausgegeben.
Deutsche
wollen es vor allem BILLIG haben.
Der alte
Witz stimmt:
Steht ein Ölwechsel bei Papas altem Golf an, kann es gar nicht exklusiv genug sein. Die Motoröle werden genau ausgesucht und können gerne mal über 100 Euro kosten. Und anschließend geht es zu Aldilidl, wo man erschreckt das 99-Cent Salatöl wegstellt, nachdem man unten im Regal die Plastikflasche für 79 Cent entdeckt hat.
Steht ein Ölwechsel bei Papas altem Golf an, kann es gar nicht exklusiv genug sein. Die Motoröle werden genau ausgesucht und können gerne mal über 100 Euro kosten. Und anschließend geht es zu Aldilidl, wo man erschreckt das 99-Cent Salatöl wegstellt, nachdem man unten im Regal die Plastikflasche für 79 Cent entdeckt hat.
Die
spinnen, die Deutschen.
[…]
Die Deutschen sind Kochmuffel
[…]
Nicht einmal fünfeinhalb Stunden pro
Woche stehen die Verbraucher hierzulande am Herd, wie das
Marktforschungsunternehmen GfK am Montag in Nürnberg mitteilte. Damit liegen
sie auf dem viertletzten Platz unter 22 Nationen. Nur in Brasilien, der Türkei
und Südkorea verbringen die Menschen demnach noch weniger Zeit mit Kochen.
Das größte Engagement
in der Küche zeigen demnach Inder und Ukrainer mit mehr als 13 Stunden pro
Woche. In Westeuropa liegt Italien mit gut sieben Stunden vorne, gefolgt von
Spanien. […] Ältere [kochen] wesentlich mehr als Jüngere: Bei den unter 30-Jährigen sind es mehr als
vier Stunden, bei den über 50-Jährigen hingegen mehr als sechs Stunden pro
Woche. […]
Deutsche
wissen also offenbar wie man sich wesentlich besser und gesünder ernähren KÖNNTE, aber sie sind zu tumb, um das
umzusetzen. Wenn sie bei Kaufpennyland Tiefkühllasagne für € 1,09 das Kilo
entdecken, greifen sie zu.
Diese
phlegmatisch-schizophrene Methode deckt sich auch mit einer Meldung von
vorgestern.
Demnach
wissen Jugendliche durchaus über die brutalen und unmenschlichen Bedingungen
bei der Herstellung von Billigklamotten Bescheid.
Aber vor
die Wahl gestellt, ob sie dieses erbärmliche Ausbeutersystem unterstützen, oder
durch ihr Kaufverhalten ein Zeichen setzen, entscheiden sie sich nur für
BILLIGBILLIG.
Hauptsache viel,
Hauptsache billig
[…]
Links blinken, rechts abbiegen: Viele
Jugendliche beklagen die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Obwohl
vielen klar ist, dass ihre Klamotten selten ethisch einwandfrei sind, kaufen
sie einer Studie zufolge unverdrossen Massenware.
Jugendliche zwischen
12 und 19 Jahren sind erstaunlich gut über die Probleme bei der Herstellung von
Textilien informiert. Ihr Konsumverhalten ändert das jedoch nicht, wie eine
neue Studie der Umweltorganisation Greenpeace zeigt. So haben mit 96 Prozent
der Befragten nahezu alle davon gehört, dass Arbeiter in der Modeindustrie oft
unter unwürdigen Bedingungen arbeiten. […] Konsequenzen
ziehen daraus allerdings die Wenigsten: Nur 13 Prozent der Befragten, also
knapp jeder Achte, gab an, beim Kauf auf die Herstellungsbedingungen oder
Textilsiegel zu achten. "Gerade junge Konsumenten haben zwar eine
Vorstellung davon, wie Kleidung hergestellt wird und welches Elend im Namen der
Mode angerichtet wird", sagt Kirsten Brodde, Textilexpertin bei
Greenpeace. "Allerdings blenden sie das aus, wenn es um den konkreten Kauf
eines Kleidungsstücks geht." […]
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