Merkel
steckt moralisch ganz schön in der Bredouille; sie will „den Griechen“
aufoktroyieren wie man sich (finanzpolitisch) vernünftig benimmt, sich an
Deutschland ein Beispiel nimmt und gleichzeitig ist die maximale deutsche Amoral
in den weltweiten Feuilletons wieder ein Thema.
Berlin
drückt sich darum die von den Nazis gequälten Griechen finanziell zu
entschädigen.
Merkel,
die in den letzten Jahren immer deutlicher sagte wie sehr ihr das Christentum
als Richtschnur ihres Handelns diene, gibt gegenüber dem Atheisten Tsipras
damit ihre ganze Heuchelei preis: Von Christlichen Werten reden, aber in der
praktischen Politik setzt sie sich dafür ein, daß Zehntausende Menschen an den
hermetisch abgeriegelten Europäischen Grenzen ersaufen, daß Waffen in die
Krisengebiete der Welt geschickt werden und möchte die Nachfahren der Nazis
davor bewahren zu ihrer moralischen Schuld zu stehen.
Auf die
Bundesregierung wächst der Druck, sich in der Entschädigungsfrage zu bewegen. […]
Auch 70 Jahre nach Kriegsende steht eine Frage
im Raum; es geht darum, ob Deutschland für das NS-Unrecht auf griechischem
Boden ausreichend Entschädigungen geleistet hat.
[…]. In Sachen NS-Vergangenheit sollten wir
"vor der eigenen Tür kehren", schreibt Gesine Schwan in einem
Gastbeitrag für SPIEGEL ONLINE. "Das ist ausgestanden. Es gibt keinen
Anspruch. Die Griechen sollen sich mal mit ihrer Hausaufgabe beschäftigen und
nicht immer woanders Schuldige suchen", sagt dagegen Unions-Fraktionschef
Volker Kauder.
Die Diskussion setzt
die Bundesregierung unter Druck. Bislang konnte sie die Forderungen aus Athen
als politische Spielchen einer bankrotten Regierung abtun, doch das wird
angesichts der Debatte immer schwieriger. Mit aller Kraft versucht die
Koalition, die Deutungshoheit zu behalten - und geht damit das Risiko ein,
ausgerechnet beim Umgang mit der deutschen Geschichte als kalt wahrgenommen zu
werden.
[…]
Merkel und Co. wollen hart bleiben. Dahinter
steckt auch die Sorge vor einer Verfahrenslawine aus Ländern, die
NS-Deutschland einst besetzt hielt oder deren Staatsangehörige Unrecht
erlitten. […] Merkels Problem der
Entschädigungen ist weniger ein juristisches als ein moralisch-politisches.
Darauf weisen auch die Unterstützter von Entschädigungszahlungen hin. "Es
geht um historische Verantwortung", formuliert es der frühere Grünen-Fraktionschef
Jürgen Trittin - und bringt eine mögliche Lösung ins Spiel. Wie man diese Frage
klug angehen könne, belege der Umgang mit der Geschichte der Zwangsarbeit in
Form der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft", über die ein
Ausgleich jenseits der Gerichte gefunden wurde. […]
Merkels
Amtsvorgänger, der Atheist Gerhard Schröder wollte hingegen nicht, daß
diejenigen, die auf Kosten der Juden und Zwangsarbeiter von den Nazi-Verbrechen
profitieren, sich völlig aus der Verantwortung stehlen und setzte in moralisch
vorbildlicher Weise im Alleingang die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft" durch.
Nicht unter den Tisch
fallen sollte daneben die einzige wirklich erfolgreiche Großaktion, die der
rot-grünen Bundesregierung gelang: die internationale Vereinbarung über die
Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter im Dritten Reich, die im Jahr 2000
zur Gründung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"
führte. Rund elf Milliarden Mark wurden für das gigantische Unternehmen zur
Verfügung gestellt.
Dass die
Unterhandlungen mehr als schwierig waren, blieb seinerzeit niemandem verborgen.
Die Jewish Claims Conference und der Jewish World Congress wollten zuerst
jüdische Verfolgte entschädigt sehen. Vertreter von Sinti und Roma hatten sich
anfangs in den Kopf gesetzt, man trachte sie zu übergehen, und ließen sich nur
mühsam vom Gegenteil überzeugen. Die Repräsentanten der osteuropäischen
Nationen fürchteten, übervorteilt zu werden.
Dabei sollte der Fonds
besonders all jenen zu Zwangs- oder Sklavenarbeit verdammten Osteuropäern
zugutekommen, die bis 1990 hinter dem Eisernen Vorhang von den
"Wiedergutmachungszahlungen" der Bundesrepublik abgeschnitten gewesen
waren. Die deutsche Industrie empfand das Ansinnen zunächst mehrheitlich als
dreiste Zumutung. Die Verhandlungsrunden boten nicht selten das Schauspiel, wie
eben noch gesittete Herren hochroten Gesichts zum Brüllen anfingen. Derweil
verrann die Zeit, und an einem jeden Tag ging der Tod unter den alten Menschen
um, über deren Entschädigung gestritten wurde.
(Franziska
Augstein 13.12.2008)
Es ist
beeindruckend, aber einleuchtend, daß es Atheisten sind, die moralischer handeln, während die Christen umso deutlicher von sich behaupten moralischer zu
sein.
Der zwar
evangelisch geborene, dann aber zum Atheisten gewordene Friedensnobelpreisträge
Willy Brandt war der erste Kanzler, der sich um Versöhnung bemühte, die Opfer
der Nazis in seinen Focus nahm und obwohl er als strikter Nazi-Gegner gewiss
frei von persönlicher Schuld war als deutscher Kanzler vor den ermordeten
Opfern der Deutschen auf die Knie fiel.
Bei
christlichen Kanzlern sieht die Bilanz eindeutig aus. Sie wendeten die dirty
tricks an, um die Nazis zu schützen, während die Nichtchristen an deren Opfer
dachten.
Von
Helmut Schmidt ist der Satz überliefert: „Ich habe im Amt noch niemals aus
irgendeinem bedrückenden Anlass gebetet.“
Auch
Helmut Schmidt, der 1945 angesichts der verheerenden Zerstörungen glaubte, die
Deutschen würden zukünftig in Erdlöchern hausen und in dieser völligen
Abwesenheit von irgendwelchen Strukturen werde es vermutlich nur die Kirche
sein, die wieder Orientierung bieten könne, war nie ein religiöser Mann.
Er sah
schon in den 1940er und 1950er Jahren die Kirche als ein kulturelles Gut an,
das in Deutschland eine große zivilisatorische Rolle spielt, das ihm persönlich
aber spirituell nichts bedeutete.
Wie jeder
kluge Mann wird auch Helmut Schmidt immer klüger und erkennt zunehmend den
destruktiven Einfluss der Religionen.
Als beim
Staatsbegräbnis für seinen Freund Siggi Lenz der Michel-Pfaff Röder den
Atheisten Lenz a posteriori verchristlichte, focht Schmidt anschließend mutig
dagegen.
Die
Frechheit Röders sogar trotz des Widerwillens der Witwe Psalmen zu verwenden,
nach denen Gott für das Lenzsche Talent verantwortlich war, muß man erst einmal
haben.
Wer
Lenz‘ Bücher auch nur ein bißchen kennt, dem biegen sich bei der Predigt die
Fußnägel hoch.
Scheinbar
ist es so bei dieser Art Großbeerdigungen, daß es aber auch immer einen gibt, der die richtigen Worte
findet.
Vorgestern
war es wieder Helmut Schmidt, der seinen toten Freund tapfer gegen den Pfaff verteidigte.
Es war aber ebenfalls
Helmut Schmidt, der sich einer wohlüberlegten Spitze gegen das christliche
Zeremoniell in Hamburgs schöner Hauptkirche nicht enthalten konnte.
Michel-Pastor Alexander Röder hatte einleitend von "wir Christen"
gesprochen und eine nicht ganz passende Bibelstelle zum Zentrum seiner Rede
gemacht: ein Gleichnis über fünf Zentner Silber, deren selbstlose Vermehrung
durch uns "Knechte" mit der freudigen Einkehr beim Herrn belohnt
werde.
Dieser Eingemeindung
von Lenz ins Christliche musste Schmidt im Geiste der Aufrichtigkeit, die er
als Kern ihrer Freundschaft beschrieb, widersprechen: Er und "Siggi",
wie er Lenz konsequent nannte, seien sich immer darüber im Klaren gewesen, dass
sie "keinen metaphysischen Trost erhoffen dürfen, der uns über die
Vergänglichkeit hinweghelfen könne".
Keine andere Rede
reichte an diese Mischung aus tiefer Betroffenheit und Reserve gegen falsche
Trostworte heran.
[…]
Sehr
erfreulich, wenn ein Mann in einer Kirche das Wort ergreift und den Pastor
verbal auskontert.
Seine
grundsätzlichen Zweifel an Religionen beschrieb Helmut Schmidt schon in seinem
Buch „Außer Dienst“ von 2008 und nicht erst in seinem Bestseller „Religion in
der Verantwortung“ von 2011.
[…]
Bis zum Ende des Krieges habe ich nicht wirklich
gewusst, was an die Stelle des "Dritten Reiches" treten sollte. Ich
wusste nur, dass ich dagegen war, nicht aber, wofür. Wie sollte es weitergehen?
Ich habe meine Hoffnung für die Zeit danach auf die christlichen Kirchen
gesetzt. Ich verstand mich als Christ, aber das hatte sich aufgrund äußerer
Einflüsse gewissermaßen von selbst ergeben. Ich wusste nichts vom Judentum,
nichts vom Islam, nichts von Konfuzius, nichts von Kant und der Aufklärung. Was
ich vom Kommunismus Böses gehört hatte, habe ich zwar nicht geglaubt, aber eine
Diktatur des Proletariats kam mir doch unheimlich vor. Als ich 1945 nach acht
Wehrpflichtjahren nach Hause kam, wurde ich 27 Jahre alt. Ich war also ein
erwachsener Mann, aber ich wusste sehr wenig; ich wusste nur: Dies alles darf
nie wieder geschehen. […] Meine
christliche Unterweisung hat nicht im Elternhaus, sondern im
Konfirmationsunterricht 1934 begonnen. Dort hatte ich die wichtigsten
Glaubensinhalte gelernt, aber das meiste blieb bloßer Lernstoff. Vater, Sohn
und Heiliger Geist, die jungfräuliche Geburt, das leere Grab und Christi
Himmelfahrt, die verschiedenen Wunder, aber auch die Geschichten aus dem Alten
Testament, von Kain und Abel, von Noah und seiner Arche, von Moses am Berge
Sinai – all das waren für den Fünfzehnjährigen lediglich seltsame Geschichten.
Ich glaubte zwar an Gott als wirklich existent, aber seine Dreieinigkeit
vermochte ich mir nicht vorzustellen. Ich konnte auch nicht glauben, dass Gott
seinen Sohn auf die Erde geschickt hat, um ihn dort kreuzigen zu lassen und ihn
am Ende in den Himmel aufzunehmen. Wenn Jesus der Sohn Gottes war, wieso dann
nicht auch alle übrigen Menschen? Ich habe mit den anderen gemeinsam gebetet,
aber die Gebete blieben mir ziemlich fremd. […]
Aber ebenso habe ich
religiöse Toleranz immer für unerlässlich gehalten. Deshalb habe ich die
christliche Mission stets als Verstoß gegen die Menschlichkeit empfunden. Wenn
ein Mensch in seiner Religion Halt und Geborgenheit gefunden hat, dann hat
keiner das Recht, diesen Menschen von seiner Religion abzubringen.
[…]
Loki kam aus einer atheistischen Familie; um kirchlich
getraut zu werden, bedurfte sie zunächst der Taufe. Ihr Pastor glaubte an die
Schöpfungsgeschichte im Alten Testament – Loki hingegen war von Charles Darwin
überzeugt. Ein halbes Jahr lang haben sie diskutiert. Pastor Remé wusste, dass
er Loki nicht überzeugt hatte, aber er taufte sie gleichwohl, weil er ihr Motiv
für die kirchliche Trauung verstand und anerkannte.
[…]
Während des Vierteljahrhunderts seit Ende
meiner Kanzlerschaft habe ich nicht nur das Gespräch mit Vertretern der
christlichen Kirchen fortgesetzt, sondern auch mehrere gläubige Muslime, Juden
und Buddhisten näher kennengelernt. Auch im Gespräch mit Freunden in China,
Korea und Japan habe ich manches über andere Religionen und über mir bis dahin
fremde Philosophien gelernt. Diese Bereicherung hat meine Distanz zum
Christentum vergrößert, sie hat zugleich meine religiöse Toleranz entscheidend
gestärkt. […]
Im
Interview mit Giovanni die Lorenzo legte er zwei Jahre später nach:
[…]
Schmidt: […] Ich bin ein sehr distanzierter
Christ. […] Prinzipiell glaube ich, dass
Religionsführer – egal, ob katholisch oder evangelisch, buddhistisch oder
muslimisch – menschliche Wesen sind wie Sie und ich; und dass der Anteil von
Leuten mit einem kleinen charakterlichen Defizit unter ihnen genauso groß ist
wie unter uns gewöhnlichen Menschen ohne religiöses Amt. Es ist ein Glücksfall,
wenn eine Religionsgemeinschaft oder eine Kirche jemanden zum Oberhaupt macht,
der ohne solche Fehler ist oder der nur sehr geringfügige Fehler hat.
[…]
ZEITmagazin: Ist die Bundesrepublik heute
ein säkularer Staat?
Schmidt: Offiziell ja,
tatsächlich etwas weniger.
ZEITmagazin: An welche
Tatsachen denken Sie?
Schmidt: Zum Beispiel
daran, dass der Staat die Kirchensteuer eintreibt. Oder daran, dass für
Personen, die an der Spitze des Staates gestanden oder in der Politik eine gute
Rolle gespielt haben, Totenfeiern in einer Kirche abgehalten werden. Da wirken
alte Traditionen nach, obwohl der Verstorbene selbst womöglich weder in die
Kirche gegangen ist noch jemals gebetet hat. Aber für ihn wird dann gebetet.
[…]
ZEITmagazin: Sie meinen im Ernst, den
Europäern fehle es an religiöser Toleranz?
Schmidt: Die Europäer
haben lange gebraucht, bis sie religiöse Toleranz gelernt haben. Sie waren noch
vor vierhundert Jahren bereit, sich für die katholische oder die evangelische
Wahrheit gegenseitig den Schädel einzuschlagen. Der Dreißigjährige Krieg ist
das schlimmste Beispiel. Und wer von der Meinung der Kirche abwich, der wurde
als Ketzer verbrannt. […]
ZEITmagazin: Ist Religion für Sie im
Alter wichtiger geworden?
Schmidt: Nein,
unwichtiger.
ZEITmagazin: Wie
erklären Sie sich das?
Schmidt: Mit der
zunehmenden Lebenserfahrung. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die mit
meiner Religion nichts zu tun haben: Ich hatte chinesische Freunde, die an
ihren Kommunismus glaubten; ich war mit einem Muslim aus Ägypten befreundet.
Ich habe viele tüchtige und verantwortungsbewusste Menschen kennengelernt, die
ganz andere religiöse Vorstellungen hatten als ich. So habe ich gelernt, dass
Toleranz und Respekt eine dringende Notwendigkeit sind, wenn man den Frieden
erhalten will. Ich glaube, dass die Menschheit sich im 21. Jahrhundert an zwei
Leitworten orientieren muss: Respekt und Kooperation.
ZEITmagazin: Beneiden
Sie manchmal ältere Menschen, die Zuversicht im Glauben finden?
Schmidt: Nein, ich
beneide niemanden.
ZEITmagazin: Auch
nicht jene, die den Tod nicht fürchten, weil sie an einen Übertritt in ein
anderes Leben glauben?
Schmidt: Wenn jemand
daran glaubt, ist das für mich in Ordnung. Es bringt mich aber nicht dazu, es
ihm gleichzutun.
ZEITmagazin: Beten
Sie?
Schmidt: Nein. Ich
habe vielleicht äußerlich mitgebetet, aber innerlich nicht. […]
Und
jetzt, in seinem 97. Lebensjahr erklärt der Altkanzler klipp und klar im
Widerspruch zu Merkel, daß er die Missionierung für außerordentlich gefährlich
hält.
Helmut Schmidt hält
Mission für „zunehmend gefährlich“
Altbundeskanzler
Helmut Schmidt (Hamburg) sieht Mission äußerst kritisch. Die Vorstellung, dass
eine Religion durch Mission möglichst umfassend verbreitet werden soll, hält er
für „zunehmend gefährlich“. Der christliche Missionsgedanke habe
„unermessliches Leid über die Menschen gebracht“, schreibt der SPD-Politiker in
seinem Buch „Was ich noch sagen wollte“ (C. H. Beck-Verlag/München). Das
Christentum habe zahlreiche Feldzüge im Zeichen des Kreuzes unternommen, etwa
die Kreuzzüge ins Heilige Land. Dass das Heil einer Religion in ihrer möglichst
umfassenden Verbreitung liegen soll, sei ihm immer fremd gewesen, so der
96-Jährige. Er habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Theologen sich nicht
durch Toleranz gegenüber anderen Religionen auszeichnen. […] Der Altbundeskanzler: „Vertröstungen auf das Jenseits sind in meinen
Augen wenig hilfreich bei der Bewältigung existenzieller Herausforderungen. Die
Bibel gibt keine Entscheidungshilfen – schon gar nicht in konkreten politischen
Situationen.“ Schmidt kritisiert unter anderem die Aussage Jesu aus der
Bergpredigt, sich nicht allzu sehr um die Erfordernisse des Tages zu kümmern.
Auch die Forderung „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“, stößt
auf Schmidts Widerspruch. Wo es Verbrechen gebe, müsse es auch Richter geben,
die ein Urteil fällen. Schmidt: „Je länger ich über die Konsequenzen solcher
Lehrsätze nachdachte, desto fremder wurde mir das Christentum.“ Der Vergleich
mit anderen Religionen und Philosophien habe dazu geführt, dass er dem
Christentum heute „sehr distanziert“ gegenüberstehe.
(Idea
17.03.15)
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