Sonntag, 7. September 2025

Zukunft brauchen wir nicht

Ezra Klein und Derek Thompson, linksliberale Stars unter den US-Journalisten, legen den Bestseller »Der neue Wohlstand: Was wir für eine bessere Zukunft tun müssen« (Originaltitel: »Abundance«) vor und fragen im SPIEGEL-Gespräch, was nun einmal auf der Hand liegt, wenn man an die Zukunft denkt, in einem Land, das so offensichtlich, wie Deutschland alle Weichen falsch stellt.

[….] Klein: Aber mich interessiert gerade etwas ganz anderes: Was ist eigentlich mit Europa los? Wo ist euer Starlink (ein Satelliten-Internetzugangsdienst, angeboten von Elon Musks Firma SpaceX –Red.), wo ist euer Tesla, was ist mit eurer Wirtschaft passiert?  [….]

(DER SPIEGEL 37/2025, 06.09.2025)

Nun, das kann man erklären. Deutschland hat durchaus innovative Phasen, in denen es technisch international vorn mitspielt. Zum Beispiel während der Schröder/Fischer-Regierung in der Windkraft und Solar-Branche. Aber das geschieht immer nur unter SPD-Kanzlerschaften, die eher selten sind und vom Urnenpöbel gern durch bräsige Technik- und Zukunftsfeindlichkeit mit CDU-Kanzlern ersetzt wird.

Die deutschen Christdemokraten sind traditionell ökonomisch vollkommen ahnungslos und schlagen den genau falschen Weg ein.

Drei Beispiele:

Kupfer statt Glasfaser Dank des Kohl/Merkel-Kabinetts.

(….) Der weise und weitsichtige Bundeskanzler Helmut Schmidt beschäftigte sich schon in den späten 1970er Jahren mit modernen Kommunikationstechniken und kam zu dem Schluß; ein modernes Glasfasernetz könne Deutschland enorme Wettbewerbsvorteile liefern.

[…..] Altkanzler Schmidt wollte Glasfaser-Spitzenreiter werden. [….] Die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt hat bereits Anfang der Achtzigerjahre beschlossen, alle alten Telefonleitungen durch schnellere Glasfaser zu ersetzen. Das geht aus bisher unveröffentlichten Dokumenten einer Kabinettssitzung vom 8. April 1981 hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegen.  „Sobald die technischen Voraussetzungen vorliegen, wird die Deutsche Bundespost aufgrund eines langfristigen Investitions- und Finanzierungsplanes den zügigen Aufbau eines integrierten Breitbandglasfasernetzes vornehmen“, heißt es in einem Sitzungsprotokoll, das unter dem Aktenzeichen B 136/51074 im Bundesarchiv liegt. Wäre der Plan durchgezogen worden, könnte die Bundesrepublik heute das beste Glasfasernetz der Welt haben.  Fünf Wochen nach der Kabinettssitzung legte der damalige Bundespostminister Kurt Gscheidle (SPD) dem Bundeskabinett einen 30-Jahres-Plan vor. Ab 1985 sollte die Bundespost in jedem Jahr ein Dreißigstel des Bundesgebiets mit Glasfaser verkabeln. „Für den Ausbau ist bei einem jährlichen Investitionsvolumen von drei Milliarden Mark ein Zeitraum von 30 Jahren zu veranschlagen“, erklärte der Postminister damals. [….]

(Wirtschaftswoche, 04.02.2018)

Was dann aber kam, ist bekannt: Helmut Kohl wurde 1982 Bundeskanzler, acht Jahre saß in seinem Kabinett eine promovierte Physikerin als Ministerin: Angela Merkel.   Mit diesem Glasfaserzeug könne man nichts anfangen, befanden die beiden CDU-Größen.

Wichtiger wäre es gegen den „Rotfunk“ (CDU-Postminister Schwarz-Schilling über die ARD-Regionalsender) vorzugehen und Kohl ultrakonservativen Amigo und Millionenspender den Aufbau eines konservativen Privatfernsehens aufzubauen.

Sat1 als „geistig-moralische Wende“ – darauf ist Schwarz-Schilling auch heute noch stolz.

[….] Die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt hatte bereits 1981 Pläne für einen bundesweiten Glasfaserausbau beschlossen. Ein Jahr später kam Helmut Kohl an die Macht, legte die Pläne aufs Eis und förderte lieber das Kabelfernsehen. 35 Jahre Jahre später gibt es immer noch kein flächendeckendes Glasfasernetz. [….] 1982 wurde Helmut Kohl Kanzler einer schwarz-liberalen Koalition und der hatte andere Pläne. Statt Glasfaserausbau gab es Kabelfernsehen.

2017 warten viele Menschen noch immer auf den versprochenen Breitbandausbau. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland beim Glasfaserausbau fast am Ende.

 Der Deutschlandfunk berichtete vor wenigen Tagen in der Sendung Hintergrund über die Motivation, warum die Union auf Kabelfernsehen setzte. Dort erklärte der damalige Post-Minister Schwarz-Schilling (CDU):

    „Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen war in dieser Zeit mit einer absoluten linken Schlagseite versehen.“ Das Kalkül der Union: Wenn man schon nicht Sendungen wie „Monitor“ und „Panorama“ beeinflussen kann, dann soll es zumindest Konkurrenz von außen geben: durchs Privatfernsehen, eingespeist in die Kabelnetze. Also wurde die Bundesrepublik aufgebuddelt, und es wurden von der Bundespost Kupferkabel verlegt. Die kosteten damals weniger als ein Drittel der Glasfaser. [….]

(Netzpolitik.org 04.01.2018)

Selbst Ende der 1990er Jahre wehrte die CDU-FDP-Regierung hartnäckig alle Investitionen in die digitale Infrastruktur ab.

Legendär wurde eine Wahlkampfdiskussion im Jahr 1994 mit Helmut Kohl, als er vom Microsoft-Deutschland-Chef gefragt wurde, was der in Sachen "Datenautobahn" zu tun gedenke, aber noch nicht einmal den Begriff verstand, sondern von Autostraßen fabulierte – immerhin 13 Jahre nachdem sein Vorgänger schon ein entsprechenden Kabinettsbeschluss gefasst hatte. (….)

(40 Jahre schlafen, 28.06.2020)

Die Altmaier-Delle. 

Aus ideologischer Verblendung und/oder kurzfristiger Raffgier wollen Merz, Spahn und Reiche uns in den Hitzetod treiben. Nach dem Ende der ersten und einzigen rotgrünen Bundesregierung 2005, sorgte Merkels Lieblingsminister Altmaier in der Westerwelle-Merkel-Horrorregierung ab 2009 dafür, 60.000 Topjobs in der Windenergiebranche und 100.000 Jobs in der Solarbranche zu vernichten, um wieder auf billiges klimaschädliches russisches Gas zu setzen und sich in die Abhängigkeit von Putin zu begeben. Das passiert, wenn man Schwarz und Gelb wählt, Urnenpöbel.


[….] Die Reaktion insbesondere unionsgeführter Regierungen der vergangenen Jahrzehnte war verlässlich die gleiche: erst mal bremsen (egal, ob die anderen das auch tun). Deutschland setzte auf Kupferkabel statt Glasfaser, das mobile Internet galt lange als etwas alberne Spielerei, das Smartphone auch. Die Digitalisierung der Verwaltung steht als Ziel in jedem Koalitionsvertrag. Immer wieder.

Beim Thema künstliche Intelligenz war es das Gleiche: spätestens mit dem Sieg von AlphaGo gegen den Go-Meister Lee Sedol im Jahr 2016 hätte eigentlich klar sein müssen, dass gerade eine neue Ära der Technikgeschichte begonnen hat. Exemplarisch für die Bräsigkeit deutscher Regierungen im Umgang mit Transformationsprozessen war ein Satz des damaligen Wirtschaftsministers Peter Altmaier, gesprochen im Jahr 2018 bei einem der zahllosen, stets folgenlosen »Digitalgipfel«: Er freue sich auf eine Zukunft, scherzte Altmaier damals, in der ihm ein in Deutschland hergestellter Digitalbutler das Bier aus dem Kühlschrank hole. So stellen Unionsminister oft die Zukunft dar: wie die Vergangenheit, nur noch ein bisschen bequemer. [….] Unionsgeführte Regierungen reden immer viel von Strategie und Veränderungswillen und tun gleichzeitig möglichst viel dafür, den armen Deutschen die Veränderung möglichst lang vom Leib zu halten. Verbrenner retten! Gasheizung erhalten! Man versucht jetzt, das absolut unausweichliche Ende des Verbrennungsprozesses als zentraler Energiequelle zu ignorieren, zu vertagen, zu bremsen, zu verschieben. Das wird sich ebenso rächen wie bei den Themen Digitalisierung, Internet, künstliche Intelligenz. Denn die anderen warten nicht. [….] Huch, Elektroautos! Huch, Batteriespeicher! Huch, Wärmepumpen! Huch, billiger Strom aus Sonne und Wind! Huch, China! Huch, exponentielles Wachstum!

Man kann gerade live beobachten, wie eine unionsgeführte Regierung erneut versucht, die Fehler der Vergangenheit sehenden Auges zu wiederholen. Die Parallelen sind verblüffend. Aber die geopolitischen Gefahren womöglich noch größer.

Konkret zeigt sich das an der Kommunikation der Wirtschaftsministerin: Katherina Reiche (CDU) hat in den ersten zehn Wochen ihrer Amtszeit zum Thema Energiewirtschaft praktisch ausschließlich Dinge gesagt und getan , die fossilen Geschäftsmodellen nutzen und Elektrifizierung und erneuerbaren Energien schaden sollen. Gas wird billiger, Strom bleibt teuer, Gasheizungen sollen so lang wie möglich weiterlaufen, der Vorrang für grünen Wasserstoff wird gekippt, in der Nordsee soll Gas gefördert werden, und Reiche will so viele Gaskraftwerke bauen lassen, dass die EU zweifellos intervenieren wird.

Ende August soll ein von Reiches Ministerium in Auftrag gegebener »Monitoringbericht« erscheinen. Er wurde dem Anschein nach mit einem sehr konkreten Ziel bestellt: den Ausbau der erneuerbaren Energien abzubremsen, weil der angeblich zu schnell gehe und damit zu hohe Kosten verursache. »Überzogen« hat Reiche diesen Ausbau schon einmal genannt, jetzt braucht sie Argumente dafür, dass sie damit recht hatte. [….]

(Prof. Christian Stöcker, 17.08.2025)

Maximale Planungsunsicherheit zu Gunsten überholter Uralttechnologien.

Die Schwarzen reagieren mit geradezu nekrophiler Todessehnsucht auf die Herausforderungen der Zukunft und verweigern stoisch moderne Lösungen. Stattdessen klammern sie manisch an 100 Jahre alten, gescheiterten Konzepten (Atomkraft, Otto-Motor) fest. Durch CDUCSU wurde Deutschland technisch international abgehängt. Aus US- oder asiatischer Sicht sind wir nur noch Lachnummern.

[…] Diese populistische Dummschwätzerei des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder ist verantwortungslos. Denn sie schadet der deutschen Wirtschaft, vornehmlich der Autoindustrie. Und die hat schon genug Probleme.

Kurz vor dem Start der Internationalen Automesse in München tat sich Söder mit einem 10-Punkte-Plan hervor. Mit dem will er die für Deutschland so wichtige Autoindustrie retten, dürfte aber bei Realisierung genau das Gegenteil bewirken. Mit den meisten dieser zehn Punkte will Söder zurück in die Vergangenheit und das Verbrenner-Auto retten. Damit, das dürfte das Kalkül des Populisten Söder sein, möchte er den Geschmack der meisten deutschen Autofahrer treffen. […] „Stopp des Verbrennerverbots“, „CO₂-Zahlungen aussetzen“, „’Unrealistische‘ CO₂-Ziele neu formulieren“, „Keine Fahrverbote für Verbrennerautos“, „Kein Zwang zu Elektroautos“ – Fünf dieser zehn Punkte enthalten eigentlich dasselbe. […] Experten sind sich einig, dass Deutschland die Entwicklung hin zur E-Mobilität lange Zeit verschlafen hat und jetzt mit großer Verspätung zur Aufholjagd ansetzt. Der Grund dafür lag vor allem darin, dass die Politik hierzulande keinen eindeutigen Kurs vorgegeben hat. Immer wieder wurde – zu Zeiten der Ampel von der FDP – gebremst. Keinesfalls wollte man eindeutig auf die Entwicklung von Elektro-Fahrzeugen setzen. Der Verbrenner sollte unbedingt bleiben. […] So wurden Hersteller wie Verbraucher verunsichert. Andere Länder, allen voran China, setzten hingegen mit Entschlossenheit und zielstrebig auf die E-Mobilität. Dort wurden inzwischen Elektroautos und Batterie-Technologien entwickelt, die deutschen Produkten überlegen sind. Der schleppende und zögerliche Umstieg auf die Elektromobilität hierzulande gefährdete und vernichtete schon tausende Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie. Und jetzt kommt Söder daher und fängt das Spielchen schon wieder an. […]

(Christoph Lütgert, 07.09.2025)

Man darf C-Politiker unter keinen Umständen ins Bundeskanzleramt lassen. Aber durch die systematische Verblödung, die in unseren völlig maroden und unterfinanzierten Bildungsanstalten herrscht, halten Urnenpöbel und weite Teile der Presse Unionspolitiker hartnäckig und wider jede Realität für „wirtschaftskompetent“. Das bricht bedauerlicherweise nicht nur Deutschland das Genick.

[….] Klein: Dass ihr so schwach seid, ist auch schlecht für uns, für die Vereinigten Staaten.

Thompson: Es gibt viel zu wenige sogenannte Sputnik-Momente, herausragende technologische Innovationen, denen dann alle nacheifern. Eigentlich müssten wir, der Westen, uns durch Chinas Erfolge herausgefordert fühlen – oder eher: bedroht. Stattdessen sieht es so aus, als hätten wir unseren Staat in Ketten gelegt. Auch für Trump scheint die Konkurrenz mit China kein Anreiz zu sein. Wenn wir Trumps Gerede vom »Goldenen Zeitalter« ernst nehmen, das jetzt mit ihm als Präsident anbrechen soll, landen wir wieder beim Öl. […]

Klein: Nichts ist unvermeidlich, alles kann passieren. Trump war ein schlechter Präsident, er hat dieses Land schlecht regiert von 2017 bis 2021. 2024 wurde er dann von noch mehr Menschen gewählt. Fest steht: Trump muss bekämpft werden, wir müssen ihn schwächen, ihn besiegen. Wir wissen nicht, wo dieses Land in zwei oder in vier Jahren stehen wird. Aber die Geschichte lehrt, wie man hier sagt: Wenn die Dinge erst mal schlecht stehen, kann es noch schlimmer kommen. In dieser »Schlimmer«-Phase befinden wir uns gerade. […]

(DER SPIEGEL 37/2025, 06.09.2025)

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