Samstag, 1. Juli 2023

Impudenz des Monats Juni 2023

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Ob meiner generellen Resignation und Misanthropie, werde ich bei den täglich auf mich einprasselnden Schreckensnachrichten selten wirklich überrascht oder schockiert.

Meistens denke ich nur ein sarkastisches „das passt ja ins Bild“ oder muss mich für die Doofheit anderer mitschämen. Im Juni schaffte Friedrich Merz es allerdings, mich ernsthaft wütend zu machen.

Das ändert nicht an meiner generellen Verachtung für ihn, die seit Jahrzehnten besteht und sich mit jeder seiner Äußerungen verfestigt.

Aber die Merz-Strategie nach dem Schock von Sonneberg ließ selbst mein Blut in meinen Adern gefrieren.

Daher küre ich Friedrich Merz (wieder einmal) zur Impudenz des Monats.

Zur Erinnerung, in der Landrats-Stichwahl gab es nur zwei Kandidaten: Den AfD-Wahlsieger Robert Sesselmann und CDU-Amtsinhaber Jürgen Köpper.

Es gibt ausschließlich um die Frage „AfD oder CDU“. Kein Grüner stand zur Wahl. Im Gegenteil, die Grünen hatten einhellig zur Unterstützung des schwarzen Landrats Köpper aufgerufen.

Zum Dank beschloss der CDU-Chef ganz ungeniert ein „AfD-Wahlprogramm“.

[….] Agenda für Deutschland“ von Union: Pappmaché-Mauer nach Rechts

Mit der „Agenda für Deutschland“ will die Union die „bürgerliche Mitte“ ansprechen. Es ist das übliche Wettern gegen Ampel, angebliche Bevormundung und Migration.

CDU und CSU haben sich auf einer gemeinsamen Präsidiumssitzung in München auf ein Zehn-Punkte-Programm mit einer „Agenda für Deutschland“ verständigt. Breiten Raum nehmen darin die Themen Innere Sicherheit und Wirtschaftsförderung ein. Eine Absage gibt es an „illegale Migration“ sowie „Verbote und Bevormundung“. [….]

(taz, 30.06.2023)

Ganz offen schließt sich CDU-Merz dem rechtsextrem-populistischen Grünen-Hass an, macht in dieser Hinsicht deckungsgleiche Politik mit der AfD.

[….] In Umfragen liegen die Grünen in ostdeutschen Ländern fast ausschließlich im einstelligen Bereich, bei vielen ist die Ökopartei regelrecht verhasst. Ost und grün, das passt derzeit kaum zusammen.  Die AfD hingegen kommt in Umfragen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt auf bis zu 30 Prozent. Im thüringischen Landkreis Sonneberg wurde gerade der erste AfD-Landrat in Deutschland gewählt. Sind die Grünen mit Schuld daran? CDU-Chef Friedrich Merz jedenfalls machte die »Energiepolitik« der Grünen für die »Polarisierung« der Gesellschaft verantwortlich. Was er damit sagen wollte: Die AfD werde aus Protest gegen die Grünen gewählt. Also erklärte er kurzerhand die Grünen zum »Hauptgegner« der CDU. [….] Vergangenes Jahr kam Robert Habeck in die Uckermark, nach Schwedt, zum PCK-Werk. [….] Die Fernsehbilder und Berichte von Habecks Besuch waren eindeutig: Er garantierte der Raffinerie zwar eine Zukunft, traf aber dennoch auf blanke Wut. »Hau ab«, riefen Demonstrierende dem Minister zu und buhten ihn aus. Auf einem Plakat war zu lesen: »Grüne an die Ostfront«. [….] Einen aktuellen Anlass für die Wut vieler Ostdeutscher gegen die Grünen gab es zunächst nicht, im Gegenteil: Auch wegen der Verdienste Habecks um die Energieversorgung kam das Land um einen heißen Herbst der Proteste und einen entbehrungsreichen Winter herum. [….]

(Susanne Beyer, SPIEGEL, 01.07.2023)

Merz ist offensichtlich nicht einfach unbelehrbar. Nachdem der xenophobe und homophobe Rechtspopulist die AfD, die er zu halbieren versprach, in Sonneberg auf 53% hochgejazzt hatte, kann er sich nicht mehr mit Unwissenheit oder Doofheit rausreden.

Er muss wissen, wie er durch Kopieren der AfDschen Hetz-Thesen nur die AfD stärkt. Da aber nicht nur mit diesem braunen Kurs fortfährt, sondern sogar noch weiter nach rechts driftet, scheint er ganz offensichtlich Allianzen mit den Faschisten anzustreben. Das kennen wir schon von den deutschen Konservativen.

Nach links treten, nach rechts kuscheln.

[….] Auch CDU-Chef Friedrich Merz scheint die Wahl nicht als Aufforderung zu sehen, sich mit seinem Landesverband Thüringen zu befassen (der sich in desolatem Zustand befindet), sondern erklärt sein Lieblingshobby – das Grünen-Bashing – zur Parteistrategie. Er rief nach der Niederlage seines Kandidaten in Sonneberg ausgerechnet die Grünen als Hauptgegner aus. Dabei hat der CDU-Kandidat nicht gegen die Grünen, sondern gegen die AfD verloren. Die Grünen sind allerdings auch der Hauptgegner der AfD. Merz schlägt sich also zumindest verbal auf ihre Seite.  [….]

(Sabine Rennefanz, 29.06.2023)


 

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