Donnerstag, 10. Februar 2022

Wähler, ein Trauerspiel.

Ob nun „Wunderwuzzi Kurz“ oder KT von und zu Guttenberg. Diese extrem konservativen Alpen-Populisten können noch so abwegig handeln und noch so hanebüchenes Verhalten an den Tag legen: Der Urnenpöbel, der sich so viel auf seinen „gesunden Menschenverstand“ einbildet, liebt solche Typen.

Gerade superreiche Reaktionäre, die wie Donald Trump, Andrej Babiš, George W. Bush, Silvio Berlusconi oder eben Baron KTG, die seit vielen Generationen keinerlei Berührungspunkte zum gemeinen Volk hatten und nichts anderes als ein Leben voller exklusiver Privilegien kannten, so daß sich die feste Überzeugung ausbildete, Gesetze wären nur für die anderen da, während man sich selbst ungeniert bedienen und bereichern dürfe, gelten den Wählern oft als besonders volksnah.

Anders als der intellektuelle und polyglotte John Kerry, der wirklich aus armen Verhältnissen stammt, galt GWB den Amis 2004 als Kumpeltyp, in dem sie sich selbst wiedererkannten: Ungebildet, tölpelhaft und vulgär.

So wurde auch das unterbelichtete Reichensöhnchen Donald Trump, der als legendär schlechter Geschäftsmann, immer von seinem Milliardär-Papi rausgeholt wurde, gegen die rein meritokratisch aufgestiegene Hillary Clinton Präsident.

Auf der konservativen Seite des politischen Wählerspektrums ist sehr viel Dunning-Kruger zu Hause. Je mehr ihnen das intellektuelle Rüstzeug fehlt, um komplexe politische Vorgänge zu beurteilen, desto sicherer sind sie, mit „gesunden Menschenverstand“ die Welt klarer durchschauen zu können als „die Politiker.“ Sie laufen umso lieber rechten Lügner und Betrügern hinterher, weil sie so doof sind, sich einfach betrügen zu lassen. Sie gehen den KTGs, Höckes, Kurz‘, Trumps und Johnsons auf den Leim, weil der „gesunde Menschenverstand“ meistens nur eins ist: Ungesund!

Wer wie Olaf Scholz nicht zu Übertreibungen und falschen Versprechen neigt, sondern lieber Tag und Nacht Informationen aufsaugt und nach tragbaren Lösungen sucht, hat beim Urnenpöbel wenig Chancen gegen die unseriösen und rein destruktiv agierenden Populisten.

Friedrich Merz und Markus Söder haben sich mit der CSU und CDU aus der seriösen Politik verabschiedet.  Sie erwecken gar nicht erst den Eindruck, an der Lösung von Deutschlands größten Problemen, die weitgehend von ihren C-Parteien angerichtet wurden, mitzuarbeiten. Sie haben kein Interesse daran die Corona-Pandemie, die täglich 200 bis 400 Todesopfer fordert, zu beenden. Sie machen es wie Trumps GOP und wollen nur der Ampel schaden. Je schlimmer die Omikron-Welle, desto mehr ökonomische und soziale Schäden, desto besser für Merz und Söder, weil Lauterbach und Scholz mit schlechten demoskopischen Zahlen büßen müssen. Also talibanisieren CDU und CSU die bundeseinheitliche Corona-Politik.

Wie bei Trump, der Quelle ihrer Inspiration, sind Recht und Gesetz dabei nur störend und werden nur befolgt, wenn sie gerade politisch opportun sind.

Die selbst mitbeschlossene, einrichtungsbezogene Impflicht soll in Bayern nicht gelten. Es gilt das alte Södersche Motto: Legal, illegal, scheißegal.

[…..]  Aus der Bundesregierung hingegen gab es scharfe Kritik an Söders Vorgehen. »Im Rechtsstaat gelten Gesetze. Wenn sich die Regierenden selbst aussuchen, an welche Gesetze sie sich halten und an welche nicht, ist die Tyrannei nicht mehr fern«, twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Dazu stellte er einen Zeitungskommentar mit der Überschrift: »Söder gehört in politische Quarantäne.« [….]

(SPON, 10.01.2022)

Auch Söders Pendant in der CDU, der konzeptarme Friedrich Merz, versucht es gar nicht erst mit inhaltlicher Politik, mit konstruktiver Mitarbeit, sondern geht voll AfD.

[….] Friedrich Merz war noch gar nicht offiziell zum Parteichef der CDU gewählt, da gab er im Spiegel schon den Aufräumer: "Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an." [….] Was aber ist mit Christdemokraten, die der AfD den Boden bereiten? So wie der Vize-Landrat aus Bautzen, der ankündigte, die gesetzliche Impfpflicht nicht umzusetzen, sich dafür von Corona-Protestlern feiern ließ wie einst Hans-Dietrich Genscher von ausreisewilligen DDR-Bürgern vor der Prager Botschaft. Oder der Baubürgermeister aus Freiberg, der den Umgang mit Ungeimpften mit dem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich verglich. Seine Abwahl im Stadtrat scheiterte, größte Fraktion dort: die AfD.  [….] In Sachsen, wo das gesellschaftliche Klima seit Jahren aufgeheizt ist, hat die Regierungspartei CDU lange, zu lange, keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen. Jetzt kippt es eben: auf der Straße, in den Kommunalparlamenten, in den eigenen Reihen. [….] In Sachsen sind ja gern mal "die da oben" schuld, die Union ist da keine Ausnahme. Die Landräte revoltieren inzwischen geschlossen gegen die Impfpflicht. Kretschmer, jüngst ins Stellvertreterteam um Merz gewählt, genießt in der Hauptstadt offenbar mehr Rückhalt als daheim. Seine Strategie - mit allen über alles reden - muss als gescheitert gelten. Fackelzüge, Morddrohungen, wann sind Demokratiefeinde zuletzt so selbstbewusst aufgetreten? [….] Friedrich Merz kann den Zeigefinger heben, wie er will: Wenn die Parteiverantwortlichen im Osten ihr verhaltensauffälliges Personal nicht maßregeln, werden seine "glasklaren Ansagen" ohne Folgen bleiben. Sei es Hans-Georg Maaßens Fanklub in Südthüringen oder der Rundfunkkrieg in Sachsen-Anhalt [….] Bautzens Vize-Landrat ist jedenfalls noch im Amt und noch in der CDU. Er sei "fehlinterpretiert" worden, sagt Udo Witschas. Im Juni will er sich trotz allem zum Landrat wählen lassen. Die AfD kann sich keinen besseren Wahlkämpfer wünschen.  […]

(SZ, 07.02.2022)

So eine extrem unseriöse und völkisch angehauchte Politik schadet dem Land, aber hilft der Partei, die sie verbreitet.

Der Urnenpöbel ist leider so doof, diese zerstörerische Linie mit hohen Zustimmungsraten zu honorieren.


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