Letzte Woche lag ein ungeheuerlicher Kostenvoranschlag auf meinem Tisch; das war ein Vielfaches der Stundenzahl, mit der ich gerechnet hatte. Ich rief meinen Maler an und fragte, ob er das ernst meint. Bei 70,50 Euro Bruttostundensatz solle er sich nicht wundern, wenn die Leute ihre Buden lieber schwarz herrichten ließen.
Uiuiui, der war vielleicht sauer; hielt mir einen Vortrag über den Aufwand der Arbeitsschritte, rechnete seine diversen Neben- und Lohnkosten vor, beklagte wie schwierig es wäre überhaupt Angestellte zu finden und im Übrigen koste der mit dem Haus beschäftigte Anwalt 250 Euro exkl. MWSt die Stunde, obwohl der schließlich nur auf seinem Hintern säße, während seine Maler richtig malochten!
Diese Geschichte ist insofern erstaunlich, als ich erst im Alter von über 40 Jahren den Begriff „Gewerk“ kennenlernte. Vorher hatte ich mich nie dafür interessiert, was genau eigentlich welche Handwerker machen. Ich selbst bin bis zum heutigen Tage Mieter; als solcher ist man üblicherweise nicht mit Handwerker-Rechnungen beschäftigt.
Kleinere Problemchen in der Wohnung erledige ich selbst,
indem ich zum Baumarkt fahre und mir das besorge, was dazu nötig ist.
Ist es eine aufwändigere Sache, rufe ich meinen Vermieter an. Der schickt einen
Handwerker und bezahlt den.
Klempner oder Elektriker hielt ich immer für ähnlich
rätselhafte Wesen, wie KfZ-Mechaniker oder Computer-Techniker, die sich mit
furchtbar besorgtem Blick über das zu reparierende Gerät beugen, vernehmlich
seufzen und dann ungeheuerliche Summen fallen lassen, die eine Reparatur kosten
werde.
Man ahnt natürlich, gerade verarscht zu werden, kann aber nichts dagegen
machen, weil man sich selbst nie für Autos oder Computer interessierte. Also
muss man nun die Konsequenzen tragen und tief in die Tasche greifen.
Über dem Umweg der Betreuung von dementen Personen, fand ich mich aber auf einmal in einer Lage wieder, in der ich Mieter und Wohnungen zu versorgen hatte. Dabei muss ich selbstverständlich korrekt und transparent handeln, weil das Geld, das ich ausgebe, nicht mein eigenes ist. Ich brauche jeweils drei Kostenvoranschläge für jede Arbeit, muss aber auch abwägen, daß ich nicht den Günstigsten nehmen kann, wenn der erst in sechs Monaten einen Termin anbietet, während es bei dem Mieter schon von der Decke tropft und er die Miete mindert. Es gibt zudem diese berühmten behördlichen Anweisungen, die Immobilienbesitzer in den Wahnsinn treiben. Zum Beispiel müssen in Hamburg bis zum 31.12.2020 alle Abwasserleitungen auf Dichte geprüft und die Dichtheit zertifiziert werden.
Als Wahlbürger verstehe ich die Regelung. Es gibt unzählige alte Häuser in Hamburg, deren Abwasserrohre noch aus lose in der Erde verbuddelten Ton-Rohren bestehen. Die sind nach 100 Jahren selbstverständlich alle undicht und die Fäkalien modern sich ungebremst ins Grundwasser durch. Da muss etwas passieren.
Hat man aber wie zum Beispiel ich, gerade ein Haus Baujahr 1841 an der Hacke und muss (ohne einen Cent daran zu verdienen) den ordentliche Betrieb gewährleisten, ist das nicht nur außerordentlich lästig, weil der Keller aufgestemmt werden muss, sondern weil auf Grund der Frist bis Ende 2020 alle Rohfrei-Betriebe hoffnungslos überlastet sind.
Mein Termin ist erst im Februar 2022 und ich hoffe um die Strafe für die Verspätung herum zu kommen, weil ich den Auftrag schon 2019 (!) erteilt habe.
Der eingangs genannte Malermeister konnte mich auch deswegen
so anfahren, weil wir uns inzwischen schon so lange und gut kennen, daß wir
einen lockeren Umgangston pflegen. Er leistet tadellose Arbeit und ich nenne ihn überheblich „meinen
Maler“, weil ich ihn mit Aufträgen versorge und umgekehrt vorgezogen werde.
Wenn ich ein Problem habe, kommt er sofort.
Kontakte zu Handwerkern sind eine harte Währung heutzutage.
Besonders stolz bin ich darauf, inzwischen eine Klempner-Firma zu kennen, die nicht nur sehr gute Arbeit leistet, sondern die auch noch schnell und zuverlässig agiert. Da kann ich nachts eine Email hinschicken und mich 100% darauf verlassen, daß sie sich morgens gleich um 07.00 Uhr um die Angelegenheit kümmern. Früher hätte ich an dieser Stelle Werbung betrieben, den Namen genannt, um den Jungs mehr Kunden zu verschaffen. Heute hüte ich ihn aber lieber, damit die nicht auch hoffnungslos überlaufen werden.
Es gibt aber auch Gewerke, bei denen ich nach wie vor hilflos herumstochere. Stuckateure sind so gut wie nicht zu bekommen und wissen auch wie begehrt sie sind. Ähnliches gilt für Parkettleger. Aber Holzböden zu verlegen scheitert derzeit schon daran, daß es kein Material gibt. Der Holzweltmarkt ist leergefegt. Ich hatte einen sehr guten polnischen Fliesenleger, der aber schon vor der Pandemie, also bevor die Leute alle anfingen ihre privaten Küchen und Bäder zu renovieren, eines Tages zu mir sagte, ich solle nicht mehr anrufen, weil er für Monate ausgebucht wäre.
Auf meine Frage, ob er mir dann wenigstens einen anderen Fliesenleger empfehlen könnte, lachte er mich herzlich aus: „Wenn ich einen Fliesenleger kennen würde, der nicht total ausgebucht ist, stelle ich den sofort ein!“ In dem Fall hatte ich schon Glück, weil das ein guter und seriöser Mann ist. Er sagte wenigsten klar ab.
Andere Firmen sind so gierig, daß sie erst mal alles zusagen
und dann entweder nie kommen, oder absolute Mondpreise nehmen.
Ich wollte mal ein Holzfenster einbauen lassen, gab den Auftrag an eine große
bekannte Fenster-Tischlerei, die mich Monate und Monate immer wieder verschob,
bis ich schließlich den Chef so wütend anpfiff, daß er antwortete, „was wollen
sie eigentlich? Wir nehmen eigentlich keine Aufträge von unter 100 Fenstern an.
Mit dem einen Fenster müssen sie eben hintan stehen!“
Dieser Argumentation folgend wollte ich natürlich wissen, wieso er überhaupt das eine Fenster zugesagt hat. Er hätte meine Anfrage gleich ablehnen sollen, damit ich mir eine kleinere Tischlerei suche.
Wenn man eine Eigentumswohnung besitzt und diese auch selbst bewohnt, kann man bis zu einem gewissen Grad Handwerker vermeiden, leckende Armaturen mit Duct tape flicken, verkokelte Steckdosen mit Verlängerungsschnüren umgehen und ein bißchen Sprühlack auf die Türrahmen geben.
Als Mieter, Vermieter oder Verwalter gibt es diese Möglichkeit aber eher nicht. Da braucht man Handwerker, die ihren Job verstehen, die eine Rechnung stellen, die man beim Finanzamt einreichen kann und die vor allem eine Garantie geben.
Man ahnt ja gar nicht, was es für Pfusch gibt und es fragt
sich, ob man am Ende gespart hat, wenn man sich den billigsten, schwarz
abrechnenden Handwerker aus dem Netz sucht.
Also muss man in den sauren Apfel beißen, 70 Euro Stundenlohn zahlen.
Und warten. Denn alle Handwerkerfirmen suchen händeringend nach Mitarbeitern. Die Stadt fördert massiv das Anwerben von Lehrlingen in den über 130 Ausbildungsberufen des Handwerks. Der Fachkräftemangel ist gravierend.
Bei einigen körpernahen Dienstleistungen – Friseur, Kosmetik – bin ich nur mittelmäßig mit den Salon-Inhabern mitleidend, weil sie ihre Lehrlinge so ungeheuer schlecht bezahlen. Man muss den Job schon sehr lieben, um ihn lernen, wenn man a priori weiß, daß der Lohn wohl nie reichen wird, um die Miete für eine Stadtwohnung zu bezahlen.
‚Aber wieso will denn bei Euch keiner anfangen` fragte ich schon mehrfach meinen Malermeister. Bei dem Stundenlohn müssten die Mädels und Jungs doch auch ein paar Euro am Ende des Monats nach Hause tragen.
Eine zufriedenstellende Erklärung hat er nicht, beteuert immer, er würde jederzeit wieder diesen Beruf ergreifen, der schließlich eine gewisse Sicherheit bietet, weil man mit den erlernten Fertigkeiten in quasi jedes Land der Erde auswandern kann, um dort zu arbeiten.
Aber woran auch immer es genau liegt; immer weniger junge Deutsche wollen Berufe ausüben, bei denen man körperlich gefordert wird.
Abitur und Studium sind das Maß der Dinge. Wer sich mit „mittlerer Reife“, oder gar Hautschulabschluss begnügt, wird schon schief angesehen. Hochqualifizierte verlassen Deutschland, weil man als Arzt in Skandinavien oder England sehr viel bessere Arbeitsbedingungen hat, weil Spitzenforschung nicht mehr an den deutschen Universitäten stattfindet. Nach 16 Jahren Merkel hat Deutschland technisch den Anschluss verloren.
Die Bildungs- und Ausbildungspolitik, seit 16 Jahren in den Händen der CDU, ist ein Desaster.
Die Demographie tut ihr Übriges. Es werden weniger Kinder geboren, als Menschen in Rente gehen. Wir wissen schon lange, daß immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen.
Das schlägt natürlich auch auf die Handwerksberufe durch, aus denen jedes Jahr in Deutschland 150.000 Menschen aufgrund ihres Alters ausscheiden.
[….] Ich mache mir gar nicht so viele Sorgen um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Viele Firmen sind am Weltmarkt unterwegs, und sie haben gute Konzepte. Aber es wird durch die demografische Entwicklung in Deutschland zu wenig Arbeitskräfte geben. 2020 nahm die Zahl der Bürger im typischen Berufsalter, also der potenziellen Arbeitskräfte, um mehr als 50 000 ab. Dieses Jahr sind es fast 150 000. In den nächsten Jahren wird es viel dramatischer. Die Demografie ist kritischer als die Transformation. Ich verstehe nicht, warum darüber niemand redet. [….]
(BA-Präsident Scheele, 24.08.2021)
Keine Frage, bestimmte physisch sehr fordernde Berufe kann man mit 60 oder 65 üblicherweise nicht mehr ausführen. In anderen handwerklichen Bereichen (Kosmetikerin, Maskenbildner, Edelsteinschleifer, Feinoptiker, Porzellanmaler, Mediengestalter, Uhrmacher, Maßschneider, Augenoptiker) halte ich es für völlig widersinnig, gesunde 65-, oder 68-Jährige nach Hause zu schicken, wenn sie weiter arbeiten wollen. Flexirente jetzt!
Aber auch eine Abkehr vom starren Rentenalter wird das Problem nicht lösen, daß es für viele Berufe schon lange nicht genügend Nachwuchs gibt.
Die Veranstaltungsbranche und Gastronomie kann auch mit Peter Tschetschers neuer und goldrichtiger 2G-Strategie nicht wieder auf Volllast gehen, weil sie nicht genügend Servicekräfte haben.
Dramatisch ist der Mangel insbesondere in medizinischen und Pflegeberufen.
Umso grundfalscher und schädlicher ist das xenophobe CDU-Mantra von dem Jahr 2015, das sich nicht wiederholen dürfe.
Das ist nicht nur amoralisch und menschenfeindlich, sondern schadet auch dem deutschen Wohlstand massiv. Ja, in Deutschland werden weniger Kinder geboren. Das ist aber angesichts der dramatischen weltweiten Überbevölkerung und der enormen Bevölkerungsdichte in Europa gleichzeitig ein Segen. Es müssen nur mehr Einwanderer nach Deutschland kommen. Mindestens 400.000 Menschen jedes Jahr, wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen.
[….] Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hat vor einem massiven Arbeitskräftemangel in Deutschland gewarnt. "Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren", sagte Scheele der "Süddeutschen Zeitung". "Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen." [….]
Die Briten bekommen durch den Brexit und ihre xenophobe Vertreibung von Ausländern schon einen Vorgeschmack auf das was uns auch bald blüht.
Die Landwirtschaft bricht zusammen. Hunderte Tonnen britischer Früchte vergammeln auf den Feldern, weil Saisonarbeiter nicht mehr nach England kommen.
Viele Briten dürften das erste mal seit den 1950ern keinen Truthahn mehr zu Weihnachten auf den Tisch bekommen – der Arbeitskräftemangel ist schuld.
[….] Doch ob es in diesem Jahr wieder genug für alle gibt, ist durchaus fraglich. Der British Poultry Council, der Verband der geflügelverarbeitenden Industrie, hat nämlich davor gewarnt, dass es zu Engpässen bei Truthähnen kommen könnte. Der Grund: Es fehlen Arbeitskräfte, die bisher aus der EU kamen. Anders gesagt: Schuld an der Misere ist vor allem der Brexit. Der Verband hat deshalb einen Brief an die britische Innenministerin Priti Patel geschrieben. Darin heißt es, dass viele Unternehmen aufgrund von Personalmangel gezwungen seien, die wöchentliche Produktion um bis zu zehn Prozent zu kürzen. Der Verband geht davon aus, dass die Versorgung mit Truthähnen zu Weihnachten um ein Fünftel einbrechen könnte. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Wir sehen uns mit einem ernsthaften Mangel an Produktions- und Verarbeitungspersonal konfrontiert, das im Sinne des Innenministeriums als gering qualifizierte Arbeitskräfte eingestuft wird, aber eine unglaublich wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung und der Ernährung der Nation spielt." Der Verband fordert deshalb Änderungen bei den Einwanderungsregeln. [….]
(Alexander Mühlauer, 22.08.2021)
Den englischen Fastfood-Giganten gehen die Getränke aus, keine Milchshakes mehr in Londoner McDonalds.
Die Supermarkregale leeren sich zunehmend, weil sich keine Lastwagenfahrer mehr finden, um die Waren zu transportieren.
[….] In Großbritannien fehlen Lastwagenfahrer. Das führt zunehmend zu Problemen. In britischen Supermärkten sind große Lücken in den Regalen seit Wochen nicht zu übersehen. Das Handelsverband British Retail Consortium bestätigte "geringfügige Störungen in den Lieferketten". Auch von Tesco, einer der größten britischen Supermarktketten, hieß es, man erlebe sporadische Störungen aufgrund des branchenweiten Mangels an Fahrern. Das führe dazu, dass es bei einigen bestimmten Produkten Engpässe gebe. Auch Tankstellen oder Fabriken, die ihre Produktion aussetzen müssten, sind betroffen. [….]
Ohne Massenzuwanderung geht es nicht mehr in Westeuropa. Wir werden es wohl auf die harte Tour lernen müssen.
Wir brauchen viel mehr Ausländer in Deutschland. FDP, CDU, CSU und AfD versündigen sich, indem sie diese Erkenntnis verheimlichen und diskreditieren.
Offensichtlich hassen sie Deutschland, wenn sie ihrem Vaterland so sehr schaden.
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