Ginge es nach dem wochenendlichen Gezwitscher der Social-Media-Szene, wäre Armin Laschet nach seinem Mega-Faux Pas vom Samstag erledigt.
Das wäre allerdings bloß ein verfälschender Eindruck aus einer bestimmten Blase. Rund 80% der Deutschen nutzen Twitter gar nicht. Und diejenigen, die Twitter-aktiv sind, beschäftigen sich weit überwiegend mit Fußball und Titten.
Die Frage ist also, ob sich die seriösen Journalisten dazu herablassen, Laschets Lach-Ausfall zu thematisieren, ob es nur bei einem kurzen Empörungs-Aufflackern derjenigen bleibt, die ohnehin nicht CDU wählen, ob das schlechte Benehmen des Opus-Dei-Freundes neben den fürchterlichen Flut-Bildern vergessen wird und ob die mächtigen Strippenzieher in den Verlagen die Daumen senken.
Bisher verließ sich Laschet ganz auf seine Allianz mit dem schmuddligen Lügenblatt BILD, das auch so gern gegen Grüne und Klimaaktivisten austeilt.
[….] Als Wahlkampfberaterin hat Laschet die Journalistin Tanit Koch engagiert. Die frühere Chefredakteurin der "Bild"-Zeitung soll von der Berliner CDU-Zentrale aus Laschets Wahlkampfkommunikation leiten und seine Pressearbeit koordinieren. [….]
Die Allianz funktioniert. Als die Hamburger Grünen-Chefin Blumenthal es vorgestern wagt, Laschets Klimapolitik zu kritisieren, feuert Europas größte Zeitung sofort aus allen Rohren gegen die Ökopaxe und mahnt jammernd Fairness an. Kann man sich nicht ausdenken; ausgerechnet die BILD fordert Fairness ein.
Der Besuch in den Flutgebieten wurde vor Ort nicht bei Helfern oder dem Bürgermeister angekündigt, sondern von der BILD organsiert.
[….] Ministerpräsident Laschet hatte es eilig. [….] So eilig, dass selbst die Altenaer Stadtverwaltung nicht über seinen kurzfristigen Besuch informiert wurde. [….] Noch als Laschet mit Gummistiefeln, CDU-Landrat Marco Voge und Rettungskräften im Stadtgebiet unterwegs war, wusste man dort von nichts. "Herr Laschet war definitiv nicht vor Ort", sagte Stadtkämmerer Stefan Kemper t-online, als die Deutsche-Presseagentur erstmals um 10.08 Uhr über den Besuch des Landeschefs berichtete und sich dabei auf Informationen aus Regierungskreisen berief. Selbst als Laschet sich längst wieder auf den Weg gemacht hatte, konnte niemand im Rathaus seinen Abstecher bestätigen. Wem Laschets Tour ins Flutgebiet hingegen nicht verborgen geblieben war, waren Reporter der "Bild"-Zeitung. Deutschlands größtes Boulevard-Medium, das seit Wochen Laschets grüne Gegenkandidatin Annalena Baerbock unter Dauerfeuer nimmt, war schon live mit Laschet vor den Altenaer Fluten, als man im Rathaus noch rätselte, ob der Ministerpräsident, der bald für die CDU Bundeskanzler werden will, denn tatsächlich vor Ort war. [….]Die inzwischen über 150 Todesopfer, die Zerstörungen interessierten den frommen homophoben Katholiken augenscheinlich weniger, als sie Frage, wie er sich wahlkampftauglich in Szene setzen kann.
[….] Laschet wollte Lagezentrum für TV-Bilder verlegen lassen [….] Als NRW-Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet am Donnerstag ins Hochwassergebiet reiste, soll seine Staatskanzlei bei der Stadtverwaltung Hagen auf einen Empfang im Rathaus gedrängt haben – da es aus ihrer Sicht eine angemessenere Kulisse für den Medienauftritt als eine Feuerwache abgegeben hätte. Das hätte eine Verlegung des örtlichen Lagezentrums notwendig gemacht. [….] Laschet hatte am Donnerstag zunächst das überflutete Altena besucht, ohne die dortige Stadtverwaltung über seine Reise dorthin zu informieren, wie t-online berichtete. Dort gab er der "Bild"-Zeitung ein Exklusiv-Live-Interview vor einer überschwemmten Straße, während in Hagen der dortige Krisenstab und ein großes Medienaufgebot auf ihn warteten. [….] Der Bericht der "Westfalenpost" bringt ihn nun erneut in Erklärungsnot. Die Stadt Hagen nämlich habe gegenüber der Staatskanzlei schnell deutlich gemacht, "dass man diesen Aufwand, extra für TV-Bilder das Lagezentrum zu verlegen, nicht betreiben wolle". Zumal das Rathaus über Nacht "Bekanntschaft mit den Volme-Fluten" gemacht habe. Ohne Mehraufwand lief der Empfang hingegen trotzdem nicht ab. [….] Allgemeiner Tenor unter den Einsatzkräften sei gewesen: "Wenn Laschet wieder weg ist, können wir wieder arbeiten." […..]
Dieses egomane Verhalten ist wenig verwunderlich von einem Mann, der sich auch gern von seinem Sohn Joe beraten lässt, der als „Influencer und Model“ ohnehin nur auf Oberfläche und nicht auf Inhalte setzt.
Aber die Brandmauer bröckelt. Die erzkonservative umstrittene Kolumnistin Liane Bednarz wendet sich angewidert von Laschet ab.
[….] Es ist unerträglich. Worüber auch immer Laschet lacht: Das geht nicht. Nicht während der Bundespräsident vor Ort über die Flutkatastrophe spricht und sein tiefes Mitgefühl für die Opfer zeigt. [….]
Schlimm für Laschet; die BILD transportiert Bednarz‘ Empörung, BamS-Chef Strunz erklärt:
[…..] So las man auf bild.de die Worte „gackern“ und „feixen“: „Steinmeier appelliert an und bewundert den Gemeinsinn, trifft den richtigen Ton – und hinter ihm albert Armin Laschet (60, CDU), als sei der NRW-Regierungschef und Kanzlerkandidat im Karneval und nicht in der Todeszone der Flut.“ „Steinmeier redet von den Menschen, die Angehörige „verloren haben, die große Verluste erlitten haben“, dass „ihnen Hilfe zuteilwerden soll“ und Laschet feixt und lacht im Hintergrund mit der Entourage. Nicht einmal, nein mehrmals. Beugt sich vor Gackern, macht offensichtlich Scherze.“ Claus Strunz, Mitglied der Chefredaktion des Blatts, sprach kurz darauf in einem Video-Kommentar von einer „unsäglichen Situation“ und davon, dass Laschet sich „nach allen Regeln des Anstands vollkommen daneben benehme.“[….]
Das sind schlechte Nachrichten für den CDU-Kanzlerkandidaten.
Niemand spricht mehr über Baerbocks kleine Fehlerchen, das Klimathema kann man nicht mehr aussitzen und zu allem Übel nehmen nun auch noch die seriösen Multiplikatoren den Hashtag #LaschetLacht auf.
Das RND-Blatt Hamburger Morgenpost stellt den Kandidaten in Frage.
[…..] Nein, man möchte gar nicht wissen, was da gerade so komisch gewesen sein soll in Erftstadt, mitten in der Flutkatastrophe. Das Foto vom lachenden Armin Laschet reicht als Anblick. Es ist verstörend. Der Kanzlerkandidat und Ministerpräsident gibt ein heiteres Bild ab, während einige Meter entfernt der Bundespräsident den vom Hochwasser schwer gebeutelten Menschen Trost zusprechen will.[….] Es gilt der einfache Satz: Das tut man nicht. […..]
(Jens Schneider, SZ, 18.07.2021)
Wäre es ein Einzelfall, dürfte man so einen Lacher nicht zur „Charakterfrage“ (Kevin Kühnert) aufbauschen. Aber der ultrafromme tiefkatholische CDU-Mann, der gerade eine moralinsaure homophobe Opus-Dei-Gruppe in den WDR-Rundfunkrat schickte, ist kein Ersttäter, sondern befindet sich mitten in einer Kaskade von Fehltritten.
Taz-Journalisten haben Annalena Baerbock nahegelegt aufgrund ihrer peinlichen Schnitzer auf die Kandidatur zu verzichten und an Robert Habeck zu übergeben. Da überrascht es nicht, wenn angesichts der wesentlich schwerwiegenderen Laschet-Verfehlungen, auch ihm nahegelegt wird, sich aus der aktiven Politik zu verabschieden.
[….] Ein Politiker, der öffentlich auftritt, tut das nicht als Privatperson. Er ist, im durchaus positiven Sinne, ein „Funktionär“. Er hatte in diesem Falle die Funktion, der Berührtheit, der Solidarität mit den Betroffenen und der Empathie eines ganzen Landes Ausdruck zu verleihen. [….] So etwas ist keine Show, es hat vielmehr, um beim Begriff zu bleiben, eine wichtige Funktion. Es dient dazu, kollektives Mitgefühl in der Person eines Mannes, der das Kollektiv zu vertreten beansprucht, symbolisch sichtbar werden zu lassen. Wer in diesem Sinne nicht als Politiker „funktionieren“ kann, ist für eines der höchsten Ämter im Staat schlicht ungeeignet. Und zwar ganz unabhängig davon, ob nicht auch seine politischen Positionen ihn ungeeignet erscheinen lassen. [….] Wenn er privat manchmal an der falschen Stelle lacht, okay. Aber dann sollte er sich eine Zukunft als Privatmann suchen. [….]
(Stephan Hebel, FR, 18.07.2021)
Recherche-Experten haben ergründet, mit wem Laschet eigentlich so herzlich lacht und da wird es vollends grotesk.
[….] Viel beachtenswerter als Laschets ignoranter Charakterzug ist doch der Herr hier rechts, der ihn so zum Lachen bringt: CDU-Politiker Gregor Golland. Kein Wunder, dass die Betroffenen weggeschickt wurden. Wäre doch ganz blöd für die Wahlkampftour von Laschet, wenn da jemand nachgefragt hätte.Golland ist seit 2004 Kreisvorsitzender der CDU Rhein-Erft und derzeitiger Landesfraktionschef in NRW. 2004 begann er auch seinen Nebenjob als kaufmännischer Angestellter beim Energiekonzern RWE. Interessenkonflikt? Nicht für die CDU.RWE weiß jedenfalls, was ihnen die Fähigkeiten Gollands wert sind: Bis zu 120 000 Euro im Jahr bekommt er dafür und zählt damit zu den Landtagsabgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften in NRW. Golland sitzt auch Wirtschafts- & Umweltschutzausschuss. Man könnte hier einen unerlaubten Informationsfluss von Arbeitgebern befürchten.....aber nah, die CDU doch nicht. Greenpeace hat jedenfalls schon 2013 vor seiner Doppelrolle & einem offenkundigen Interessenkonflikt gewarnt. [….]
Das könnte noch unangenehm werden für den CDU-Kanzlerkandidaten.
Optimist. Die Stammwähler der CDU verwechseln gern auch mal Gas und Bremse bei ihrer Luxuskarosse. Ich wette, die lachen herzlich mit.
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