Bei großen Katastrophen sind die jeweiligen Landesregierungschefs natürlich vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Es ist richtig und notwendig, wenn sich Malu Dreyer und Armin Laschet zeitnah in den Epizentren der Monsterflut blicken lassen. Vizekanzler Olaf Scholz erfüllt ebenfalls eine wichtige Funktion vor Ort, weil er als Finanzminister für die Milliarden-schweren Hilfen zuständig ist und sich Heimatminister Seehofer schon seit Jahren geistig in die Rente verabschiedet hat. Das Staatsoberhaupt Steinmeier hingegen mag eine moralische Unterstützung für manchen Betroffenen gewesen sein, aber da er keine Regierungsfunktion ausübt, bezweifele ich den Sinn seines heutigen Besuches in Erftstadt. Er sollte lieber erst einmal nicht den Rettern im Weg stehen. Vollends sinnlos ist der Besuch Baerbocks im Katastrophengebiet, weil sie kein Amt hat, nicht helfen kann und auch noch nie regiert hat.
Ihr Co-Parteichef analysiert zutreffend:
[….] „Jetzt ist die Stunde der Retter und nicht die Stunde von Politikern, die dort nur im Weg rumstehen. Und so einer wäre ich“ [….]
Es ist eine schwierige Gratwanderung für die zuständigen
Politiker. Sie sollen Empathie und Interesse zeigen, helfen, aber sich nicht
selbst inszenieren.
Einen besonderen Twist bekommt die die Hochwasserkatastrophe dadurch, daß jeder vernünftige Mensch die Häufigkeit von Extremwetterlagen erkennt und diese mit dem menschgemachten Klimawandel in Zusammenhang bringt. Es ist sind insbesondere eine Partei - die CDU, eine Landesregierung - die Schwarzgelbe von NRW und ein Kanzlerkandidat – Laschet, die bisher Klimaschutz besonders kleinreden, eine miese Klimabilanz aufweisen und bei jeder Gelegenheit zu Gunsten der Klimapest-Industrien (Kohle/Verbrennungsmotoren/Flugzeuge) entscheiden.
Nichts könnte dem CDU-Chef ungelegener kommen als das Klima-Thema, welches er bisher recht erfolgreich kleinredet und verdrängt.
[….] Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich zu einem weltweiten Thema geworden [….]
Ein weiterer Twist ist die bevorstehende Bundestagswahl. Die Laschet-CDU vermochte es bisher mit Merkels berüchtigter und erfolgreicher Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“ jede inhaltliche Diskussion aus dem Wahlkampf zu halten, einfach nicht über die wichtigen anstehenden Themen zu sprechen und stattdessen das Wahlvolk über persönliche Kinkerlitzchen der Kandidaten diskutieren zu lassen.
140 Tote und noch viel mehr Vermisste erfordern nun aber eine Rückkehr der klassischen Politik in den Wahlkampf.
Jeder zieht Parallelen zu der Oderflut im Bundestagswahlkampf vor knapp 20 Jahren, die zwar nicht wie oft kolportiert die Wahl entschied, aber durchaus Schröder gut und Stoiber schlecht aussehen ließ.
Zufälligerweise ist Gerd Schröder, ähnlich wie Bill Clinton nicht nur ein politisches Naturtalent, sondern begnadet im Umgang mit Menschen im direkten Kontakt.
Ja, er war lange bevor Stoiber dran dachte seinen Urlaub abzubrechen, schon in Gummistiefeln auf den Deichen, aber er stand dort eben nicht nur sinnlos rum, sondern signalisierte den Ostdeutschen, daß er sich kümmere. Das tat er auch sagenhaft schnell, schob die geplante Steuerreform um ein Jahr auf, um Geld für den Wiederaufbau frei zu machen, setzte blitzartig die Bundeswehr als Hilfe ein.
Schröder half tatsächlich, während der im Umgang mit Menschen stets fremdelnde und abgehobene Stoiber eher Verwirrung stiftete. Als der CDU-Kanzlerkandidat in den Urlaub flog, lag er rund fünf Prozentpunkte vor der SPD, um dann erratisch am Wahlabend zu verkünden „jetzt mache ich mir erst mal ein Glas Sekt auf!“, während die SPD 6.000 Stimmen mehr als CDU/CSU einfuhr.
Die Parallelen der Flut-Wahlkämpfe 2002 und 2021 darf man aber nicht überstrapazieren. Schröder war Amtsinhaber, Stoiber lange Ministerpräsident. Das Wahlvolk kannte die beiden gut. Ganz anders 2021, während man über Charakterfragen grübelt und die meisten Menschen den Namen Baerbock erst seit ein paar Wochen kennen.
Außerdem waren vor 20 Jahren Klugtelefone, private Drohnenaufnahmen und Twitteraccounts noch nicht so dominierend. Die Bilder aus dem Oderbruch wurden noch sehr stark von Tagesschau, Heute und den Zeitungen geprägt. Schröder schuf Bilder und ein Narrativ, war im Umgang mit den Medien außerordentlich geschickt.
Alle drei Kanzlerkandidaten von 2021 sind viel leichtere Kaliber. Scholz macht keine großen Fehler, hält sich zurück, gilt als kompetent, aber auch als Langweiler. Laschet und Baerbock sind hingegen schon berüchtigt für ihre kleinen Fehltritte und unüberlegten Sprüche.
Eine Entschuldigungs-Aussage wie „ach, keiner schreibt doch heute noch ein Buch allein“ der flapsigen Grünen, wird natürlich sofort unter schweren Beschuss genommen, von all den seriösen Autoren, die teilweise Jahrelang mutterseelenallein über ihren Werken brüten.
[….] Nora Bossong schreibt, sie sei "einfach etwas fassungslos"
Ohne Frage ist das Pathos, das in der Gestalt des einsamen Schriftstellers daherkommt, auf dessen Schultern bestenfalls die Dämonen hocken, abgehangen. Es ist sogar ein wenig komisch. Es ist aber nicht halb so komisch wie der Satz von Annalena Baerbock, der vollständig so lautet: "Wie es so schön heißt: Keiner schreibt ein Buch alleine." Es liegt ja schon eine kleine Flunkerei in der Phrase "Wie es so schön heißt". Denn das Sprichwort "Niemand schreibt ein Buch alleine" gibt es so wenig, wie es sonst die hilfreichen Krakenarme einer seligen Schreibgemeinschaft gibt. Und die tollen Lektoren, ohne die kein Buch zwischen zwei Deckel kommen würde? Ihre Arbeit dürfte Annalena Baerbock nicht gewürdigt haben, als sie von der Vielzahl der Mitgestalter sprach. [….]
Auch das sollte nicht wahlentscheidend sein, ist aber eins der vielen Mosaiksteinchen, die Baerbock als unseriöses Leichtgewicht zeigen.
Wenn einer Kandidatin solche verbalen Fehlleistungen nach einer ganzen Kaskade anderer kleiner Fehlleistungen passieren, winkt das Publikum irgendwann ab und interessiert sich nicht mehr für Inhalte.
Ein noch unglücklicheres Bild gibt Armin Laschet ab, der schon immer zur Tölpelei neigte, ebenfalls in seinem Buch plagiierte, während eines Telefoninterviews in den Swimmingpool stolperte und bekanntlich die Klausuren seiner Studenten verbummelte.Ungeschicklichkeit allein ist noch nicht so problematisch. Hinzu kommt bei Laschet aber die unangenehme Eigenschaft, furchtbar viel zu lügen und sich mit Hingabe selbst zu widersprechen.
Es passt ins Bild, daß er seine Studenten, nachdem er ihre Klausuren verloren hatte, nicht etwa die Wahrheit sagte, sondern sich aus der Situation schummelte, indem er sich Lügenzensuren aus den Fingern saugte.
Laschet macht im Fernsehen gern eine unglückliche Figur, weil er einfach drauflosdampfplaudert und gar nicht bemerkt, wenn er Unsinn erzählt.Sein katastrophaler Lanz-Auftritt, als er erklärte Deutschland sei in so einem schlechten Zustand, ohne zu bedenken, daß seine Partei seit 16 Jahren regiert, ist schon jetzt Legende.
Die Fluten überfordern den Mann nun aber coram publico.
Blitzartig ließ er die beschwichtigenden Aussagen zum Klima aus dem CDU-Wahlprogramm entfernen, sagte nun das Gegenteil, die Anstrengungen für den Klimaschutz müßten intensiviert werden; um dann am selben Tag erneut umzufallen und zu verkünden „wegen eines Tages“ werfe ich er nicht die Politik um.
Anders als es 2002 möglich war, brach sofort ein Meme-Gewitter in den sozialen Medien los.
Laschet ist wieder einmal als Depp, der nicht weiß was er will, enttarnt. Vor einer Woche hatte er vehement bestritten als Kanzler Steuern zu senken, obwohl im CDUCSU-Wahlprogramm die Abschaffung des Solis für die Superreichen und Senkungen der Unternehmenssteuern versprochen sind. Sein Wirtschafts-Genie Merz und Kollege Söder widersprachen heftig.
Es ist offensichtlich ein Muster: Laschet kennt die Fakten nicht und lügt wie es ihm gerade gefällt.
Heute kam es aber noch schlimmer, als er mit dem Bundespräsidenten unterwegs war und feixend im Hintergrund Witze riss, während Steinmeier sich betroffen über die 140 Toten äußerte.
Das ist immer noch keine konkrete Politik, keine Sachaussage, auf die man ihn festnageln könnte. Aber es ist im Social-Media-Zeitalter extrem toxisches Wahlkampfgift.
Was könnte unsympathischer sein, als ein Lobby-Landesvater, der sich angesichts der apokalyptischen Zustände vor seinen Augen bestens amüsiert?
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