Alle
SPD-Vorsitzenden haben „Probleme“ mit ihren eigenen Anhängern.
Das
liegt in der DNA von links denkenden Menschen, daß sie nicht devot der
Obrigkeit folgen. Sie wollen immer etwas ändern und sind leidenschaftlicher
politisch interessiert als Konservative.
Es
erfordert nun mal mehr Energie etwas umzustürzen, als etwas zu erhalten.
Es
erfordert mehr Emotionalität mit den Schwachen zu fühlen und Ungerechtigkeiten zu
spüren, als immer nur an sein eigenes Wohl zu denken.
Die CDU
gilt seit ihrer Gründung als Kanzlerwahlverein. 1949 war es noch eine
sensationelle Notwendigkeit Nationalkonservative, Wirtschaftsfreunde und
Vertreter beider Konfessionen zusammenzuführen, um gemeinsam einen starken
anti-sozialen Block zu bilden.
Norddeutsche
Protestanten, Wirtschaftsbosse, die NSDAP-Überbleibsel und ehemalige
Zentrumspolitiker bildeten die Machtbasis Konrad Adenauers.
Es
funktionierte wunderbar. Man blieb 20 Jahre ununterbrochen an der Macht und
setzte eine USA-orientierte Politik durch.
Adenauer,
der vielen bis heute als Ikone gilt, war privat ein ziemlicher Prolet, der von
Demokratie nicht sehr viel hielt.
Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Gewaltenteilung
bedeutete ihm nicht sehr viel. Als der aufmüpfige Rudolf Augstein es wagte
kritisch über Strauß zu schreiben, ließ Adenauer wie ein früher Erdoğan die
Staatsanwaltschaft los, sperrte den SPIEGEL-Chef ein und wollte kritischen Journalismus
einfach verbieten.
Warum
auch nicht? Hatte er doch wichtige NSDAP-Ideologen wie Hans Globke (1953-1963
Adenauers CDU-Kanzleramtsminister), Theodor Oberländer (CDU-Bundesminister 1953-1961)
oder auch Hans Filbinger (12 Jahre CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs) an
seiner Seite.
Diese
ehemaligen Top-Nazis wußten wie man mit der SPD-Opposition umgeht.
Der
braune Sumpf konnte auch nach Adenauers Tod unbehelligt in der CDU weiter
existieren.
Bundeskanzler
Helmut Kohl war ein Unterstützer der Waffen-SS.
[….]
Als junger Politiker spendete Helmut Kohl
Geld an ein Hilfswerk, das für inhaftierte NS-Verbrecher und deren Angehörige
sammelte. Nach Informationen des SPIEGEL hielt er den Generaloberst der
Waffen-SS Paul Hausser für einen "anständigen Mann". [….]
(SPON,
03.02.2018)
Insbesondere
in den CDU-Landesverbänden Hessen („Dreggers Stahlhelmfraktion“, Martin Hohmann,
Erika Steinbach, Kristina Schröder, Koch, Kanther) und Baden-Württemberg („Studienzentrum
Weikersheim“) konnten sich Ultrakonservative bis in die jüngste Zeit austoben. Sie
bildeten eine Allianz mit den revanchistischen Vertriebenenverbänden.
Seit dem
Zusammenbruch der DDR kam mit dem CDU-Landesverband Sachsen ein weiterer
nationalkonservativer Hotspot dazu.
Daneben
entwickelte sich in der CDU auch eine Süßmuth-Geißler-Blüm-Fraktion, die
durchaus ein Gespür für soziale Fragen entwickelte und sich nicht mehr für Kriegsrhetorik
erwärmen konnte.
Eine
dritte Fraktion formte sich aus ultraklerikalen sogenannten Lebensschützern,
die radikal gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen, gegen Schwule und
Lesben, aber auch gegen alle anderen Formen gesellschaftlicher
Liberalisierungen vorging. Mechthild E. Löhr, Martin Lohmann, die teilweise
auch in den noch radikaleren „Christdemokraten für das Leben“ engagiert sind,
bilden zusammen mit Johanna Gräfin von Westphalen (tot), Hubert Hüppe, Sophia Kuby
und Hildegard Regensburger immer noch eine Macht.
Bei CDU-Parteitagen
sitzen alle diese Parteiflügel üblicherweise andächtig zusammen.
Vorher
wird etwas gemurrt, aber dann werden alle Vorschläge des Parteivorstandes mit
gewaltigen Mehrheiten abgesegnet.
Sie alle
halten sie Klappe solange die Chefin, oder der Chef den Machterhalt garantiert.
Nie
würden sie mit offenem Visier gegen die eigene Parteispitze vorgehen.
Natürlich
würden sich viele nicht unbedingt für eine geschiedene ostdeutsche Protestantin
als Chefin erwärmen, wenn sie auch einen konservativeren westdeutschen
katholischen Mann haben könnten.
Aber den
gab es nicht, als Kohl und Schäuble die CDU 1999 in eine Existenzkrise ritten
und seit 2005 stellte sich die Frage, ob man Merkel eigentlich mag, nicht mehr
für CDU-Mitglieder.
Die
Kanzlerin gewinnt seit Äonen alle Kanzlerfragen, würde jeden Gegenkandidaten
ausstechen und sichert seit über 12 Jahren die Regierungsmacht.
Konservative
mucken nicht gegen Mächtigere auf; das liegt eben auch in ihrer DNA. Da muß
schon sehr viel passieren. CDU-MdB Martin Hohmann ging erst zur AfD nachdem er
so antisemitisch gehetzt hatte, daß ihn sogar die rechte Hessen-CDU ausschloss.
Homohasserin
Erika Steinbach trat aus der CDU aus und wirbt nun für die AfD, weil sie mit 74
ohnehin keine Zukunft mehr als Unionsparlamentarierin hat.
Aber das
sind Ausnahmen.
Einer
CDU-Führung, die zuverlässig Mehrheiten generiert und andere Parteien
niedermacht, tritt kein CDUler in den Weg.
2017
schien es nach den Flüchtlingsirritationen wieder bestens zu laufen.
Merkels
CDU jagte die SPD-Ministerpräsidenten von NRW und Schleswig-Holstein aus dem
Amt und behauptete sich überraschend stark im Saarland.
Aber die
minus 8,6 Prozentpunkte bei der Bundestagswahl taten weh. Ganz offensichtlich
setzt bei den Wählern eine Merkelmüdigkeit ein. Und jeder weiß, daß sie nach 12
Jahren nicht ewig weitermachen kann. Anderseits weiß niemand, wer ihr
nachfolgen könnte und in welche Richtung es dann geht.
Es wäre
Zeit für große Unruhe in der CDU. Was tun mit der AfD einerseits und der
extremen urbanen Schwäche andererseits – die lahme SPD stellt fast alle
Großstadtbürgermeister.
Hätte
die SPD mit Nahles, Schulz und Gabriel nicht eine nie dagewesene
Tölpelhaftigkeit an den Tag gelegt und jeder anderen Partei durch ihre
täglichen Schüsse ins eigene Knie die Show gestohlen, wäre der Blick frei für Unions-interne Kabale.
Einige
wollen ganz nach rechts.
Dazu
gehören insbesondere JU-Chef Paul Ziemiak, Sachsens neuer starker Mann, der stramm rechtsnationale Michael Kretschmer
und der dezidiert islamo- und xenophobe Jens Spahn, der zusammen mit Christian Lindner und Alexander Dobrindt an
einem nationalkonservativen Profil arbeitet.
Diese
Leute bewundern Donald Trump, bepöbeln gern Minderheiten und haben durchaus
Schnittmengen mit der AfD.
Eine
zweite Gruppe um Friedrich Merz, Hans Georg Michelbach und Norbert Röttgen ist
sehr Industrie-affin, möchte „mehr Kapitalismus wagen“ und ärgert sich über
jedes soziale Zugeständnis, welches die Kanzlerin der SPD macht.
Sie
wollen wieder reine Arbeitgeberpolitik durchsetzen.
[….] "Noch nie in der Geschichte der
CDU" habe es einen solchen Verlust von Vertrauen in die Führung der Partei
gegeben [….] Mit Norbert Röttgen
meldet sich ein nun ein weiterer prominenter CDU-Politiker mit Kritik an der
Parteiführung zu Wort - er fährt eine harte Attacke gegen Bundeskanzlerin und
CDU-Vorsitzende Angela Merkel.
[….]
Dem "Tagesspiegel" sagte
Röttgen nun, die Befassung mit Inhalten sei die notwendige Folge aus der
breiten Kritik der Partei an der Ressortverteilung innerhalb einer möglichen
neuen Regierungszusammenarbeit mit der SPD. [….] Die CDU müsse Antworten auf die drängendsten Fragen der Zeit geben,
sagte Röttgen. In den Bereichen Integration von Flüchtlingen, der Sicherheits-
und Europapolitik, der Migration und der Digitalisierung müsse die Parteispitze
eigene Grundsatzpositionen erarbeiten, die dann in der Partei diskutiert und
danach in politisches Handeln umgesetzt würden. [….]
Zu guter
Letzt gibt es noch den Laschet-Günther-Flügel, der eher gemäßigt auftritt und befürchtet
in den Städten weiter abzuschmieren, wenn sich die Spahn-Crew durchsetzt. Für
urbane, jüngere Frauen wäre so eine braun-CDU nicht mehr wählbar.
[….] Die SPD
hat ihre Probleme - aber auch in der CDU rumort es. "Die Union darf sich
nicht nach rechts orientieren", fordert Daniel Günther. Parteikollegen
jedoch wollen verstärkt AfD-Wähler ins Visier nehmen.
"Es gibt ein
Bedürfnis, unsere gewachsenen Werte stärker zu betonen", sagte der
CDU-Politiker Daniel Günther im Interview der Zeitung "B.Z. am
Sonntag". "Dem müssen wir Rechnung tragen. Aber das darf nicht dazu
führen, dass sich die Union nach rechts orientiert." Der Kurs der Mitte
tue der CDU gut. Konservativ sein
bedeutet für den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten, "auf Werten
zu beharren, die in unserem Land gewachsen sind - wie Freiheit, Solidarität,
Gerechtigkeit oder die Gleichberechtigung von Frauen". [….] "Ich
sage aber auch: Die CDU hat nicht nur einen konservativen Flügel, sondern auch
einen wirtschaftlichen und einen liberalen. Das muss austariert sein."
[….]
Bouffier lobte den Wortführer des
konservativen Flügels der Partei, CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Dies sei
"ein Name, der eine wichtige Wählergruppe an die CDU bindet".
Auch Parteivize Thomas
Strobl forderte gegenüber dem SPIEGEL, den Wählerkreis zu erweitern. Mit Blick
auf die Stärke der AfD erklärte er: "Wir müssen feststellen, dass sich
manche Menschen nicht abgeholt fühlen." Die CDU brauche ein neues
Grundsatzprogramm, "um unsere Positionen, unsere Marschrichtung klar zu
definieren". [….]
Falls
also eines nahen Tages die SPD aufhören sollte mit ihren Torheiten nicht allen
die Show zu stehlen und die Blick der Öffentlichkeit mehr auf das
Post-Merkel-Vakuum in der CDU fiele, könnte es auch für die Konservativen
ungemütlich werden.
[….] Nicht
allein das neue Führungsduo, befreit vom Laienspieler Martin Schulz und
Springinsfeld Sigmar Gabriel, schenkt der SPD Hoffnung, sondern auch die
schwierige Lage der Union. Die hat bei der Bundestagswahl ihr schlechtestes
Ergebnis seit 1949 eingefahren und sich seither in den meisten Umfragen noch
verschlechtert. Das fällt nur keinem auf, weil sich die SPD nach der Wahl
selbst zerlegte und ständig mit neuen Peinlichkeiten in die Schlagzeilen
drängte. Doch was, wenn die SPD sich nun wirklich befriedet?
[….]
Nicht nur langjährige CDU-Mitglieder
fragen sich, was aus der Partei Ludwig Erhards geworden ist: Wenn die CDU diese
überfällige Debatte offen führt, werden die Wähler diesen Streit kaum
honorieren. Unterbleibt die Debatte aber, dürfte sich das Problem für die Union
zuspitzen. [….] Strategisch sitzt die
Union in einem Dilemma. Sie müsste nach rechts rücken, um zur AfD abgewanderte
Wähler zurückzuholen – das gäbe der 16-Prozent-SPD neue Spielräume. Oder sie
besetzt beharrlich sozialdemokratische Positionen und entfremdet sich weiter
von sich selbst und gefährdet zudem die Fraktionsgemeinschaft mit der CSU. Noch
hält der Erfolg von Merkel den Laden zusammen – aber was, wenn die Kanzlerin
geht? [….]
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