Samstag, 8. Februar 2020

Rechtsblink Marsch!


Man könnte meinen, in der deutschen Nachkriegsdemokratie wäre Antifaschismus ein Minimalkonsens, den alle Parlamentarier nicht nur missmutig akzeptieren, sondern offensiv verteidigen.
Es ist ein schweres Versagen der Konservativen und Nationalliberalen zuzulassen, daß die parlamentarische Rechte den Begriff „Antifa“ negativ umdeuten konnte.  CDU-geführte Innenministerien und Staatskanzleien fielen weder Landes- noch Bundesverfassungsschützern in den Arm, wenn sie mit fest zugeklebten rechten Augen Antifa-Gruppen unter Generalverdacht stellten.
Der ehemalige oberste Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen, Großzampano der CDU-Werteunion, AfD-Freund am äußersten rechten Rand der Demokratie,  hält ganz offensichtlich Gruppen wie „Antifa Zeckenbiss“ und die „Antilopengang“ für wesentlich gefährlicher, als Rassisten und Faschisten des Schlages Höcke.

Unglücklicherweise schmust nicht nur der rechte Rand der CDU mit den Rechtsextremen, sondern nahezu das gesamte CDU/CSU/FDP-Spektrum hält die Linke für genauso schlimm wie die AfD. Annegret Kramp-Karenbauer vertritt noch heute diese Ansicht.
Bodo Ramelow, der bodenständige Christ, der Thüringen fünf Jahre erfolgreich regierte und so bösartige Dinge wie kostenfreie Kitaplätze einführte auf einer Stufe mit Holocaustleugner, gewaltbereiten Antisemiten, Revanchisten, Hitler-Verehrern und Rassisten?

Den Konservativen ist offenbar ihr gesamtes Koordinatensystem verrutscht.

Die RAF-Zeit wirkt bis heute nach; sie hat den Staat verändert. Von 1971 bis 1993 wurden von RAF-Mitgliedern 34 Menschen getötet.
Seit der Selbstauflösung der RAF wurden fast 200 Menschen durch rechtsextreme und rassistische Gewalt umgebracht.
Obwohl die rechtsextreme Gewalt eine viel höhere Quantität hat – jeden Tag gibt es ein halbes Dutzend rechtsextremer Übergriffe – können deutsche Innenminister, Verfassungsschutzbehörden und Medien kein wirkliches Interesse aufbringen. Das liegt an der Auswahl der Opfer.
Eher die Schwachen der Gesellschaft, keine Promis.
Die interessieren uns offenbar weniger.

(….) Für mich ist der Unterschied zwischen links und rechts die generelle Stoßrichtung.
Links kämpft für die Schwachen, Rechts kämpft für die Starken.
Das gilt nicht nur politisch, sondern beispielsweise auch für den Terrorismus.
Rechte Terroristen ermorden die Schwächsten der Gesellschaft, rechte Hetzer pöbeln gegen Minderheiten: Schwule, Flüchtlinge, Behinderte, Obdachlose.
Linke Terroristen legen sich mit den Stärksten der Gesellschaft an, dem Militär, Bankdirektoren, Toppolitiker.

Von einer linken Partei wie der SPD erwarte ich, daß sie sich im Zweifelsfall immer für die Schwächsten einsetzt und mit ihnen gegen die Mächtigsten kämpft. (….)

(……) Der rechte Terrorismus hat neben der schon genannten größeren Quantität aber auch eine andere Qualität.
Es sind Hass-Verbrechen, die niedersten Instinkten entspringen.
Begangen von zutiefst sadistischen Personen, die sich daran erfreuen Schwache zu quälen, niederzuringen, zu demütigen, ihnen Leid zuzufügen.

Während die RAF tötete in dem Wahn damit etwas Gutes zu erreichen, wollen Rechtsextremisten etwas Böses erreichen, um dann nach Herzenslust zu töten.

Allein die von Mordphantasien besessene Mecklenburg-Vorpommersche Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ plante Myriaden Menschen zu töten, erstelle eine Liste mit 25.000 Namen. (…..)

Es gibt dennoch keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung für linke Gewalt.
Wer aber hartnäckig nur nach links guckt und verschweigt, daß rechts ganz offensichtlich die viel größere Gefahr lauert; wer darüber hinaus 31 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch die Linke pauschal als „SED/PDS/Kommunisten“ bezeichnet, ist nicht ernst zu nehmen.
Diese Vorwürfe kommen interessanterweise aus den beiden Parteien – CDU und FDP – die anders als die SED-Nachfolger überhaupt keine Auseinandersetzung mit der Geschichte der vier von ihnen wegfusionierten SED-Blockparteien führten.
Diese Vorwürfe kommen interessanterweise aus den beiden Parteien – CDU und FDP – die nach 1945 nicht nur massenhaft ehemalige Nazis in die Partei aufnahmen, sondern die Schlimmsten von ihnen zu Ministern, Kanzlern, Partei- und Ehrenvorsitzenden machten.

(…..) CDU und CSU waren nie die mehr oder weniger sozialdemokratischen Parteien der Mitte, als die sie gerne verkauft werden.
Von Anfang an, ab 1949 gab es immer starke Überschneidungen zu völkischen, rechtsnationalen Positionen.
Beide Parteien haben das Personal der NSdAP übernommen; mit Strauß und Kiesinger waren sogar zwei ehemalige NSdAP-Mitglieder Bundesvorsitzende.

Der erste große CDU-Kanzler holte demonstrativ nicht nur überhaupt ehemalige Nazis wie Theodor Oberländer in seine Regierung, sondern machte mit Hans Globke gleich einen der schlimmsten Rassisten der Nazis zu seinem Kanzleramtsminister.
Das war keine vorrübergehende Nachkriegserscheinung gemäß der alten Mär, man hätte um des Zusammenhaltes des Landes ja die ehemaligen NSdAP-Mitglieder integrieren müssen. Nein, die Verquickungen von CDUCSU mit Rechtsradikalen hält an.

[….] Die CDU gilt seit ihrer Gründung als Kanzlerwahlverein. 1949 war es noch eine sensationelle Notwendigkeit Nationalkonservative, Wirtschaftsfreunde und Vertreter beider Konfessionen zusammenzuführen, um gemeinsam einen starken anti-sozialen Block zu bilden.
Norddeutsche Protestanten, Wirtschaftsbosse, die NSDAP-Überbleibsel und ehemalige Zentrumspolitiker bildeten die Machtbasis Konrad Adenauers.
Es funktionierte wunderbar. Man blieb 20 Jahre ununterbrochen an der Macht und setzte eine USA-orientierte Politik durch.
Adenauer, der vielen bis heute als Ikone gilt, war privat ein ziemlicher Prolet, der von Demokratie nicht sehr viel hielt.
 Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Gewaltenteilung bedeutete ihm nicht sehr viel. Als der aufmüpfige Rudolf Augstein es wagte kritisch über Strauß zu schreiben, ließ Adenauer wie ein früher Erdoğan die Staatsanwaltschaft los, sperrte den SPIEGEL-Chef ein und wollte kritischen Journalismus einfach verbieten.
Warum auch nicht? Hatte er doch wichtige NSDAP-Ideologen wie Hans Globke (1953-1963 Adenauers CDU-Kanzleramtsminister), Theodor Oberländer (CDU-Bundesminister 1953-1961) oder auch Hans Filbinger (12 Jahre CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs) an seiner Seite.
Diese ehemaligen Top-Nazis wußten wie man mit der SPD-Opposition umgeht.
Der braune Sumpf konnte auch nach Adenauers Tod unbehelligt in der CDU weiter existieren.
Bundeskanzler Helmut Kohl war ein Unterstützer der Waffen-SS.

[….] Als junger Politiker spendete Helmut Kohl Geld an ein Hilfswerk, das für inhaftierte NS-Verbrecher und deren Angehörige sammelte. Nach Informationen des SPIEGEL hielt er den Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser für einen "anständigen Mann". [….]
(SPON, 03.02.2018)

Insbesondere in den CDU-Landesverbänden Hessen („Dreggers Stahlhelmfraktion“, Martin Hohmann, Erika Steinbach, Kristina Schröder, Koch, Kanther) und Baden-Württemberg („Studienzentrum Weikersheim“) konnten sich Ultrakonservative bis in die jüngste Zeit austoben. Sie bildeten eine Allianz mit den revanchistischen Vertriebenenverbänden.
Seit dem Zusammenbruch der DDR kam mit dem CDU-Landesverband Sachsen ein weiterer nationalkonservativer Hotspot dazu. [….]

Natürlich übertreiben linke Gruppen gelegentlich. Auch nach den ungeheuerlichen Vorgängen um das 1000-minütige Reich des Thüringer AFDP-MPs Kemmerich, ist selbstverständlich nicht jeder FDP-Kandidat ein Faschist.

Carl Cevin-Key Coste, FDP-Bürgerschaftskandidat in Hamburg, ist nun furchtbar traurig und deprimiert, weil ihm in der heißen Wahlkampfphase deutliche Missgunst entgegenschlägt und ausgerechnet er, der Mann mit Migrationshintergrund als „Nazi-Freund“ beschimpft wird.
Ich sage dazu ganz ohne Häme: So ein einzelner FDP-Mann, der nun ausbaden muss, was Kubicki, Lindner, Kemmerich, aber auch die Hamburger Burkhardt Müller-Sönksen und Anna von Treuenfels-Frowein verbockt haben, tut mir Leid.

[…..]  „Ich bin kein Nazi-Freund!“ Warum einem Hamburger FDP-Mann die Tränen kommen[…..]  Am Mittwoch habe ich mir die Demo vor unserer Parteizentrale angeschaut und musste mir von 1500 Demonstranten anhören: „FDP - Scheißverein - Wer lässt sich mit Nazis ein!“ Ich wusste, dass zumindest ein Teil davon auch mich damit meinte. […..]  Ich habe selbst Migrationshintergrund. Habe die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. In meiner gesamten politischen Aktivität habe ich immer und unmissverständlich eine klare Haltung gegen Rechts eingenommen. […..]  Es ist für mich unerträglich als Nazi-Freund diffamiert zu werden. Ich bin immer noch fassungslos, dass mir eine Nähe zu Nazis unterstellt wird. Es ist nicht einfach nur auf ein FDP-Plakat geschrieben worden. Diese Bezeichnung haben die Täter mir mitten ins Gesicht geschrieben. […..]  Den Druck, den einige Kandidaten gerade spüren, ist für viele von Euch vielleicht nicht nachvollziehbar. Aber es ist ein mulmiges Gefühl, wenn ein Fußabdruck auf Deinem Gesicht zu sehen ist.
Die Ohnmacht, die Du spürst, wenn Du durch die Allee deiner zerstörten Plakate schreiten musst. Mit nur einer Gewissheit: In den nächsten Tagen wird es gegen Dich und Deine Parteifreunde wieder Morddrohungen geben. […..] 

Nein, Carl Cevin-Key Coste, Sie sind kein Faschist und ich glaube Ihnen kein Nazi-Freund zu sein.
Nun kommt das ABER: Sie engagieren sich in einer Partei, die diesbezüglich eine üble Vergangenheit hat und der man aus gutem Grunde ihre Abgrenzung zur AfD nicht glaubt.
Insbesondere Ihr Parteichef Christian Lindner blinkt immer wieder ganz rechts, robbt sich an die AfD heran. Dabei ist er keineswegs der erste FDP-Chef, der mit rechtsradikalen und antisemitischen Tendenzen echte Liberale wie Hildegard Hamm-Brücher aus der Partei treibt.
Sie können persönlich nichts für das Totalversagen der Erfurter FDP-Führung, aber es war Ihre Entscheidung in die FDP einzutreten und für die FDP-Wahlkampf zu machen.
Wenn Ihnen Antifaschismus wichtig wäre, wenn Sie nicht als „Nazi-Freund“ beschimpft werden möchten, sollten Sie sich in der SPD, bei den Grünen oder den Linken engagieren. Dort gibt es keine Unklarheiten gegenüber den Rechtsextremen.

Man muss nicht auf die Nazi-Freunde in der FDP der 1950er und 1960er gucken.
Die Namen Manfred Brunner, Heiner Kappel, Achim Rohde, Klaus Rainer Röhrl oder auch der langjährige Bundesgeneralstaatsanwalt und FDP-Staatssekretär in Berlin Alexander von Stahl stehen für die rechtsnationale „liberale Offensive“. Von Stahl, immer noch FDP-Mitglied engagiert sich heute für das AfD-Blatt „Junge Freiheit“.

[….] Im Abgeordnetenhaus-Ausschuss für  Frauenfragen löst Justiz-Staatssekretär  Alexander von Stahl einen Eklat aus, als er sich gegen die Forderung wendet, bei der Staatsanwaltschaft ein Sonderdezernat für Sexualdelikte zu bilden, dem nur Staatsanwältinnen angehören sollen. Diese Delikte würden von männlichen Richtern gewöhnlich  härter bestraft, sagt er, und nennt als  Beispiel das „harte Urteil“ gegen einen Mann, der mehrere Frauen vergewaltigt habe, „es waren wohl acht Stück“. Wegen einhelliger Empörung der Abgeordneten und Zuhörer über das „Fehlverhalten des Staatssekretärs“ wird die Sitzung vorzeitig beendet. [….]

In Hamburg schwenkte der gesamte Landesverband ab dem Jahr 1982 nach scharf rechts und verdrängte alle verbliebenen liberalen Mitglieder.

Bei der Bürgerschaftswahl 2001 trat der zackige Konteradmiral Rudolf Lange als Listenführer und Spitzenkandidat für die FDP an.

Auch er dachte gar nicht daran die stärkste Partei, die SPD bei der Regierungsbildung zu unterstützen, sondern warf sich vor dem kriminellen Nazi-Kokser Ronald Schill auf den Boden.
Stolz nannte die FDP es „erste bürgerliche Koalition Hamburgs“ mit der CDU unter Ole von Beust und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive unter Ronald Schill. Lange wurde Bildungssenator.

Unnötig zu erwähnen, daß Lange auf ganzer Linie an seiner eigenen Unfähigkeit scheiterte und schon vor dem Platzen der Schill-Koalition nach mehreren Skandalen zurückgerteten werden musste.

Wie man sich bettet, so liegt man, Carl Cevin-Key Coste!

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