Eigentlich bin ich zu abergläubisch und mahne als Erster, das Fell des Bären nicht zu verteilen, bevor er erledigt ist.
Es sieht aber wirklich nicht gut aus für Donald Trump, auch wenn man das extrem verzerrende, die Republikaner bevorzugende Wahlrecht berücksichtigt.
Aber wie FiveThirtyEight-Umfrage-Guru Harry Enten just bei CNN erklärte, sind die ganz aktuellen demoskopischen Daten signifikant anders als im Jahr 2016 drei Wochen vor der US-Wahl.
Trump vermag es gerade noch seine fanatische Follower-Blase zu elektrisieren; aber was nützt das schon wahltaktisch? Die wählen ihn ohnehin.
Ihn verlässt das Glück, die schlechten Meldungen prasseln nur so auf ihn ein.
Drei Trillionen Dollar Haushaltsdefizit, über acht Millionen Corona-Infizierte in den USA, Rekordarbeitslosigkeit und gestern erwies sich auch seine Feigling-Aktion vor dem zweiten; diesmal virtuellen TV-Duell zu kneifen und stattdessen zeitgleich mit Joe Bidens Townhall in Florida aufzutreten als Fehlschlag.
[…..] Der eine punktet, der andere patzt […..] Statt sich, wie bei ihrem ersten TV-Duell, direkt gegenüberzustehen, saßen US-Präsident Donald Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden diesmal fast 2000 Kilometer voneinander entfernt. Der eine auf einer Open-Air-Bühne in Miami, der andere in einem Museum in Philadelphia.
Zwei Kandidaten, zwei zeitgleiche Sendungen, die eine laut und konfrontativ, die andere ruhig und höflich. […..] Bei den meisten Fragen wich Trump aus, griff zu abgedroschenen Phrasen und offensichtlichen Lügen - und ließ sich von Moderatorin Savannah Guthrie, die ihn eiskalt hinterfragte, immer wieder aus der Ruhe bringen. Er weigerte sich zu sagen, ob ein Corona-Test bei ihm vor der letzten Debatte negativ ausgefallen sei ("Erinnere mich nicht"). Er machte erneut die Familien gefallener Soldaten für seine Infektion verantwortlich ("Die fassten mich an"), log über die Corona-Situation in den USA ("In New York herrscht Chaos") und behauptete fälschlicherweise: "Wir haben Heilmittel." Er vermied es, die Anhänger des gefährlichen Verschwörungskults QAnon zu verurteilen ("Ich weiß nichts über die... sie sind gegen Pädophilie") und wetterte lieber gegen Antifa-Protestler ("Sie brennen unsere Städte nieder"). Er beschimpfte die Medien - die ihm die Bühne boten - als "korrupt". Er nannte die Enthüllungen der "New York Times", wonach er um mehr als 400 Millionen Dollar verschuldet sei, "illegal" - bestätigte sie aber dann, indem er das als "sehr kleine Summe" rechtfertigte. Er wirkte irritiert, verzog oft genervt das Gesicht und redete viel zu schnell. […..] Bei Biden stand wieder einmal der menschliche Aspekt im Vordergrund. […..] Das Format Townhall liegt Biden. Er erklärte ruhig und ausführlich und wurde - im krassen Gegensatz zum ersten Duell - nicht ständig unterbrochen. Seine Zugänglichkeit zeigte sich ganz zum Schluss besonders deutlich: Weil nicht alle Fragesteller drangekommen waren, blieb er vor Ort, um ihre Fragen zu beantworten. Schwer vorstellbar, dass Trump etwas Ähnliches einfiele. [……]
Das was progressive Amerikaner wie ich an Joe Biden vermissen, weil wir uns modernere und sozialere Politik wünschen, könnte sich doch als kluge Strategie herausstellen.
Offenbar erscheint vielen Wählern nach dem Experiment Trump ein öder Opi aus dem Establishment als genau der Richtige, um von der chaotischen Sprunghaftigkeit des IQ45 abzulenken. Bloß nicht noch mal ein Wagnis.
[…..] In seinem Fernduell mit US-Präsident Donald Trump hat Joe Biden erneut unter Beweis gestellt, dass er weniger aufregend sein kann als ein Video, das ein Kaminfeuer zeigt. Mit anderen Worten: Er hat wieder einmal alles richtig gemacht. Seine Taktik, nachgerade heimlich ins Weiße Haus einziehen zu wollen und permanent unter dem Radar zu fliegen, ist perfekt. Und nein, das ist nicht so hämisch gemeint, wie es klingen mag. Am Donnerstag traten sowohl Biden als auch Trump zur selben Zeit im Fernsehen auf. […..] Aus diesem Duell ist Joe Biden als klarer Sieger hervorgegangen, was vor allem mit Donald Trump zu tun hatte. Der Präsident rüpelte sich durch seine Veranstaltung. […..]Während also Trump sich in Miami mal wieder um Kopf und Kragen redete, war Biden in Philadelphia die Ruhe selbst. Nicht ein einziges Mal erhob er seine Stimme. […..] Sollte er die Wahl am 3. November tatsächlich gewinnen, dann wird das daran gelegen haben, dass er seine Kampagne nach einem Grundsatz führt, den Trump niemals verstehen wird: Weniger ist mehr. […..]
(Christian Zaschke, 17.10.2020)
Das was linke Pundits wie David Pakman oder Brian Tyler Cohen in den bisherigen beiden TV-Duellen als verpasste Gelegenheiten ansahen und sich grämten, daß Harris, respektive Biden nicht zum groben Punch ansetzte, sollte vielleicht wirklich nicht sein, weil es moderate Wechselwähler verschreckt.
Selbst Hardcore-Trump-unterstützer wie Senatschef Mitch McConnell oder der Texaner Ted Cruz ahnen, daß es für ihre Partei am 03.11. ganz fürchterlich schief gehen könnte.
[….] Prominente Republikaner gehen auf Distanz zu Trump […..] So kritisierte der Trump-Vertraute Chris Christie unter anderem die Schutzvorkehrungen im Weißen Haus. Er habe angenommen, sich dort in einer "sicheren Zone" zu befinden. "Ich lag falsch." […..] Bereits vergangene Woche hatte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, gesagt, dass er seit Anfang August nicht im Weißen Haus gewesen sei - wegen der Sorge um den dortigen Umgang mit Coronavirus-Risiken. […..] Der republikanische Senator Ben Sasse attackierte unterdessen in einer Telefonkonferenz mit Wählern den Amtsinhaber auf breiter Front. Trump gebe Geld "wie ein betrunkener Matrose" aus und "küsst Diktatoren den Hintern", schimpfte Sasse in einem Mitschnitt, den die konservative Website "Washington Examiner" veröffentlichte. […..] Ebenfalls am Donnerstag erklärte der republikanische Gouverneur von Massachusetts, Charlie Baker, öffentlich, bei der Präsidentschaftswahl nicht für Trump zu stimmen[…..] Laut "Forbes" haben außerdem der republikanische Gouverneur von Vermont, Phil Scott, sowie der Senator von Utah und frühere republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney erklärt, nicht für Trump zu stimmen. Noch weiter gehen laut "Forbes" die früheren republikanischen Gouverneure von Ohio und Michigan, John Kasich und Rick Snyder: Sie unterstützen offen Biden. […..]
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