Montag, 22. Juni 2020

Das rechte Polizeiauge


Da haben sie alle wieder was, auf das sich tout Deutschland rechts der SPD einigen kann:
Ja, BLM mag seine Berechtigung in den USA haben, aber die deutsche Polizei ist damit nicht zu vergleichen. Hierzulange werden Polizisten jahrelang ausgebildet, werden trainiert zu deeskalieren und Rassismus gibt es schon mal gar nicht.

Da die deutsche Polizei nie etwas falsch macht, gab es nach den Hamburger Straßenschlachten während des G20 vor drei Jahren insgesamt auch klare NULL Verfahren gegen die Polizei. Es gab ja auch keinerlei Polizeifehlverhalten. Logisch.

[….] Die G20-Bilder haben sich tief in das kollektive Bewusstsein gebrannt: Straßenbarrikaden, Ausschreitungen, Plünderungen. Und: verstörende Schilderungen von Polizeigewalt, die bereits kurz nach dem Gipfel bekannt wurden. Drei Jahre später die ebenso verstörende Bilanz: Kein einziger Polizist wurde wegen Übergriffen auf Demonstranten angeklagt.
157 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten im Zusammenhang mit G20 sind aktuell bei der Staatsanwaltschaft registriert, davon wurden 120 bereits eingestellt. Grund: mangelnder Tatverdacht. [….]

Bei einer so vorbildlichen Truppe ist Kritik vollkommen unnötig, untauglich und überhaupt boshaft.
Die "taz"-Autorin Hengameh Yaghoobifarah wagte es nun in einer fiktionalen, satirischen Kolumne die Polizei heftig zu kritisieren.

[…. ] …eine auch in der "taz"-Redaktion umstrittene Kolumne Yaghoobifarahs mit dem Titel "All cops are berufsunfähig", in der sämtliche Polizeibeamte wegen eines unterstellten Hangs zu Rassismus und Gewalt für untauglich erklärt werden, in irgendeinem Beruf zu arbeiten - einzig akzeptabel, so die Pointe des Textes, wäre die Tätigkeit auf einer Mülldeponie, "…auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten". Kann man für eine satirisch-polemische Kritik an der Polizei halten. Oder für die Gleichsetzung von Menschen mit Müll, also Hassrede. […..]

Grobe Worte, sicherlich. Aber es gilt Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. Darf man nicht in einer Satire schreiben was man will?
Nein, sagt der Bundesverfassungsminister.
Richtig gehört. Der Bundesinnen-Super-Horst, der drei volle Monate Corona-Lockdown im tiefen Winterschlaf zu Hause in Ingolstadt verbrachte und keinerlei Veranlassung fühlte sich mal irgendwie dazu zu äußern, wenn das gesamte Land lahmgelegt wird, wacht auch einmal auf. Wegen einer taz-Kolumne.
Wie Godzilla, den man auf ein Atomkraftwerk gesetzt hat, berserkt er los und verklagt Frau Yaghoobifarah.
Mit der vollen Wucht der Bundesregierung und des Superministers gegen eine weitgehend unbekannte junge, queere, migrantische Autorin einer kaum gelesenen Zeitung.

[….]  War es schon eine Entgleisung, als die CSU auf ihrem Twitteraccount Stimmung gegen die – mit Foto abgebildete – "taz"-KolumnistIn machte (für die sie sich immerhin entschuldigt hat), so scheinen bei Seehofer nun alle Sicherungen durchgebrannt zu sein. Denn das ist kein Kampf unter Gleichen: Auf der einen Seite eine freie AutorIn einer kleinen linken Tageszeitung ohne viel Geld, die – möglicherweise! – übers Ziel hinausgeschossen ist. Und auf der anderen Seite ein Mitglied der Bundesregierung, das nicht etwa als Privatperson, sondern von Amts wegen die Staatsmacht auf diese Einzelperson loslassen möchte. 
Man mag darüber streiten, ob die "taz"-Kolumne nur geschmacklos oder schon unsäglich ist. Ganz sicher untragbar jedoch wäre ein derartiger Angriff auf die Pressefreiheit, wie ihn Horst Seehofer ausgerechnet in der "Bild" angekündigt hat. [….]

Außerdem können ja wohl weiße, christliche, bayerische Deutsche besser beurteilen, ob es Rassismus in der Polizei gibt, als so eine People-of-Color-Frau mit eigenartigem Namen.
Nein, in der deutschen Polizei gibt es weder Rechtsextreme, noch Überreaktionen und schon gar keinen Rassismus.
Und bei dem Rassismus, den es doch gibt, handelt es sich um wirklich einzelne Einzelfälle.

[….] Vor kurzem wurde die SPD-Vorsitzende Saskia Esken heftig gescholten (und zwar von nahezu allen politischen Parteien, aber auch von Innenministern und von den Polizeigewerkschaften sowieso), weil sie es abgelehnt hat, Rassismus als individuelle Pathologie in der Polizei zu akzeptieren. Damit verstieß sie gegen ein Dogma: Wenn in der Polizei von "Rassismus" und "Polizeigewalt" gesprochen wird, so lassen Zuschreibungen wie "Einzelfälle" und "schwarze Schafe" meist nicht lange auf sich warten. […..]

Saskia Esken schon wieder. Erst tritt sie den so sympathischen Autobossen in den Hintern nun auch noch latente Kritik an der Polizei.

[….] Latenten Rassismus gebe es auch bei deutschen Sicherheitskräften, sagt SPD-Chefin Saskia Esken und fordert eine unabhängige Beschwerdestelle, um solche Vergehen aufzuarbeiten. "Zigtausende Demonstranten in aller Welt stehen auf, weil der gewaltsame Tod von George Floyd durch einen Polizeieinsatz in den USA kein Einzelfall ist. Deutsche Demonstranten schauen aber auch auf die Verhältnisse vor der eigenen Haustür", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Auch in Deutschland gebe es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, der durch Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müsse. Dabei stehe die große Mehrheit der Polizeibediensteten solchen Tendenzen sehr kritisch gegenüber und leide unter dem potenziellen Vertrauensverlust, der sich daraus ergebe. [….]

Polizeigewerkschaftlern, Schwarzen, Gelben und Braunen platzte fast der Kopf vor Schreck nach dieser Äußerung.
Das gab mal wieder einen gewaltigen Esken-Shitstorm.
Die SPD-Digitalexpertin und im Nebenberuf Parteivorsitzende ist leider ein bißchen blöd, versteht ihr Lieblingsmedium Twitter so gar nicht und schafft es daher immer wieder mit sicherem Griff ins Klo auch wenn sie inhaltlich Recht haben mag, der Partei schwer zu schaden und die SPD demoskopisch kontinuierlich weiter abzuwürgen.
Bezeichnenderweise handelt die Chefin einer Noch-Volkspartei stets im Alleingang, stimmt sich nie ab und stößt daher ihre Genossen immer wieder vor den Kopf.
Fast niemand mag ihr beispringen, wenn sie wieder einmal mit einer Eselei auf Twitter das Feuer auf die SPD zog.


Niemand kritisiert gern die Polizei. Schon gar nicht in der SPD, der Partei, die in jede Hose scheißt, die man ihr hinhält (Dieter Hildebrandt) und vor lauter Sorge, die CDUCSUFDP könnte sie wieder als vaterlandslose Gesellen darstellen übereifrig Polizei und Soldaten feiert.
(Als ob es da etwas zu gewinnen gäbe. Als ob mehr als sieben Polizisten bundesweit die SPD wählen würden.)

Und so setzen sich Esken und Stegner auch weitgehend allein dem Shitstorm von rechts aus.





 Selbst Schuld.
Wieso kritisiert auch jemand überhaupt die Polizei?
Die Polizei ist ohne Fehl und Tadel und überhaupt nicht rassistisch.
Das wissen zumindest alle weißen Deutschen.
Es ist Deutschland hier. (Westerwelle)
Wo kämen wir dahin, wenn People Of Color auch ihren Senf dazu geben?
Was wissen die schon von der deutschen Polizei?

[….] Trotz Corona demonstrierten Anfang Juni mehr als hunderttausend Menschen auf Deutschlands Straßen, weil ihnen eine Sache besonders wichtig ist: dem Rassismus die Stirn zu bieten. Einem Rassismus, den viele fast täglich in diesem Land erleben, weil sie schwarz sind oder sonst nicht ins Bild passen des weißen Durchschnittsdeutschen. Besonders oft begegne ihnen das, wenn sie auf deutsche Polizeibeamte treffen, sagen sie. Aber davon wollen viele Vertreter der weißen Mehrheitsgesellschaft offenbar nichts wissen. Kritik an der Polizei verbiete sich, hieß es heute aus der CDU. Dabei gibt es auch hier zahlreiche Fälle von rassistischen Übergriffen durch Polizeibeamte; nur so genau hinschauen möchte man hier eben auch nicht. Wir haben das getan, gemeinsam mit dem Handelsblatt. WEITERLESEN [….]
(Georg Restle, 18.06.2020)

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