Während der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz
angesichts weltweit 1,92 Mio Covid19-Infizierten, 1,4 Mio Erkrankten und
119.000 Toten (Stand
13.04.2020) von einem „Glücksfall“ spricht……
[…..] Limburger Bischof Bätzing: „Corona-Krise ist Glücksfall der Geschichte
„Niemand, kein Volk, kein Land,
keine Wirtschaft ist eine Insel. Alles hängt mit allem zusammen“, sagte Bätzing
in seiner Rede. Die Krise, so schlimm sie auch sei, habe viel Gutes
hervorgebracht. „So viel Freundlichkeit und Humor habe ich selten erlebt“,
sagte der Limburger Bischof, der Anfang März zum Nachfolger des bisherigen
DBK-Vorsitzenden Reinhard Marx gewählt worden war. [….]
….empfinde ich großes Mitleid mit den Betroffenen.
Insbesondere die Pandemie-typische Art des Allein-Sterbens erscheint
mir extrem grausam. Seine eigene Mutter, seinen Vater sterbend oder schwerkrank
im Krankenhaus oder Pflegeheim zu wissen ohne an ihrer Seite sein zu können,
sich nicht verabschieden zu können, ihnen nicht beistehen zu können, ist eine
brutale seelische Belastung.
Dabei leben wir in Deutschland noch auf einer Insel der
relativen Glücksseligkeit. Man kann seine kranken Angehörigen zwar nicht mehr
besuchen, aber weiß sie immerhin noch gut versorgt. In den ungerechten
Gesundheitssystem der USA und des UK kann man hingegen nicht damit rechnet die
notwendigen Behandlungen auch zu bekommen.
Der britische NHS ist aber immer noch Gold in Relation zu
dem was einem in Afrika oder dem Nahen Osten blüht.
Ich empfinde es anders als seine Exzellenz Bätzing auch
nicht als „Glücksfall“ Zig Millionen Menschen in existenzieller Not zu wissen.
In den hochindustrialisierten Vereinigten Staaten ist es für
viele Menschen nur eine Frage von drei oder vier Wochen von der Mittelklasse in Obdachlosigkeit und Hunger abzurutschen.
In Deutschland sorgt das von der FDP so verhasste Sozialsystem
dafür, daß echter Hunger und Obdachlosigkeit zwar offensichtlich nicht völlig
ausgeschlossen, aber doch viel weiter entfernt als in den Staaten sind.
Ich empfinde es anders als seine Exzellenz Bätzing auch
nicht als „Glücksfall“ so viel mehr Menschen arbeitslos zu wissen und Millionen
Kleinstselbstständige um ihre Firmen bangen zu sehen.
Wie viel finanzielle Reserven haben denn eine Pizzeria, ein
Friseur, ein Änderungsschneider, ein Bilderrahmengeschäft oder der Blumenladen?
Ja, es mag einige positive Folgen der Corona-Pandemie geben. Ja, es wäre vorteilhaft den Luxuskonsum, der
extrem Umwelt- und Klima-schädlich ist bei der Gelegenheit drastisch zu reduzieren.
Ich befürchte aber, daß bei einem längeren Anhalten des Lockdowns
viele Existenzen dauerhaft zerstört werden, weil man sich eine gewisse Art des
Konsums endgültig abgewöhnt hat.
Werden alle Menschen, die sich jetzt ganz und gar den
Streamingdiensten ergeben haben, nach Corona wieder in Kinos, kleine
Privattheater, Ausstellungen und Opern gehen?
Geht man wieder essen und unterstützt das kleine Restaurant
um die Ecke, wenn man zwei, drei Monate erlebt wie man auch ohne Gastronomie
auskommt?
Unterstützt man Musiker wieder, indem man deren Konzerttickets
kauft, wenn sich diese Form des Ausgehens einmal abgewöhnt hat?
Werden die Laufhäuser wieder voll, wenn die Männer einmal gelernt
haben, daß es auch mit Pornhub geht?
Rafft man sich noch auf in teure Zoos und Wildparks zu
fahren, wenn man über Monate auf nette Tier-Dokus im Fernsehen ausgewichen ist?
Als Sozial-Troglodyt bin ich ohnehin ein schlechter
Konsument für die Volkswirtschaft. Ich gehe nie aus, nie essen, reise nicht.
Ich mache mir nichts aus Markenklamotten oder Statussymbolen.
Durch den Ausfall meiner Kaufkraft gibt es also keine großen
Defizite.
Aber selbst ich merke wie ich mir innerhalb eines Monats kleinere
Prassereien abgewöhne.
Vor ein paar Tagen habe ich das erste mal in meinem Leben
nach einem Youtube-Tutorial mit einem elektrischen Langhaarschneider meine
Haartracht getrimmt. Nein, so gut wie meine Friseurin kann ich das selbstverständlich
nicht.
Aber es sieht auch nicht so verboten aus, daß ich mich gar nicht
mehr auf die Straße wage. Vielleicht schere ich zukünftig zumindest die Seiten
immer selbst und erspare mir ein paar Friseurbesuche?
Dann habe ich diese Schwäche für Rubbellose. Ich kaufe
mindestens einmal wöchentlich Zeitschriften in meinem Stammkiosk und runde den
Betrag immer mit Rubbellosen auf, kaufe freitags ein Platin-Los für 10 Euro.
Ja, ich weiß um die Gewinnchancen, aber das Geld hilft dem
kleinen Kioskbetreiber und kommt der Staatskasse zu Gute, während es mir einen
kleinen Restkick gibt. Nun bin ich aber seit Wochen Rubbellos-frei. Fange ich
diesen Tick wieder an, wenn alles vorbei ist?
Insbesondere gebe ich aber weniger Geld beim Lebensmittelkauf
aus, da ich seit Beginn der Corona-Maßnahmen lediglich zweimal bei REWE
bestellt habe und nicht mehr im kleinen, privaten inhabergeführten Niemerszein-EDEKA
nebenan war. Zu Discountern gehe ich ohnehin grundsätzlich nicht. Niemerszein
wird vermutlich den gegenwärtigen Zustand verkraften, weil all die Leute, die
sonst während der Arbeit in Kantinen essen und bei ihm einkaufen.
Ich könnte da also im Moment ohnehin nicht durch die Regalreihen
streifen.
Aber normalerweise gebe ich dort immer viel mehr Geld aus als ich eigentlich vorhatte, weil mich
irgendetwas besonders anguckt.
Nun habe ich aber zwangsweise gelernt eher mit den Basics
auszukommen.
Ich essen nun den von REWE gelieferten Käse, teilweise sogar
Abgepackten, statt Unsummen bei der kleinen Fromagerie auf dem Markt
auszugeben.
Am stärksten spare ich derzeit aber dadurch, daß ich mir die
guten Bäcker verkneife.
Allen Norddeutschen sei an dieser Stelle dringend empfohlen bei Gaues, zukünftig Backgeschwister, zu kaufen! Teuer, aber
so viel besser als das Einheitsbrot aus der Fabrik.
Üblicherweise kaufe ich zwar als Backup im Supermarkt ein
Paket Schwarzbrot in Scheiben und Knäckebrot, aber meistens wird das irgendwann
alt und landet auf dem Müll, weil ich zwischendurch immer frisches Brot kaufe
und das erst mal esse. Wer ein Gaues-Tomaten-Ciabatta
im Haus hat, isst garantiert erst mal nichts anderes.
Natürlich kaufe ich dadurch zu viel Brot; eine Menge landet
in der Biotonne.
Auch das habe ich mir erstmals in meinem Leben abgewöhnt,
esse nur die Basis-Version. Harrys „Das Volle Korn“, zwei Wochen haltbar.
Zu den kleinen Prassereien gehört auch mein Faible für
Düfte.
Natürlich bestelle ich nicht bei Amazon und gehe nicht zum
Börsen-Konzern Douglas, aber es gibt nette inhabergeführte Parfümerien.
Ein Lieblingsduft ist mir ausgegangen, den ich ohne Corona
schon längst ersetzt hätte.
Lebenswichtig ist das
nicht; ich benutze das Zeug ohnehin nur, wenn ich allein zu Hause bin. Aber
fange ich überhaupt wieder an so etwas zu kaufen nach dem oktroyierten Konsum-Detox?
Gerade habe ich mir das alles abgewöhnt.
Den kleinen Läden zu Liebe, die ich damit unterstütze, hoffe
ich das milde Prassen bald wieder aufzunehmen.
Aber ganz leicht wird es nicht, wenn man die
Nicht-Notwendigkeit so deutlich vor Augen geführt bekam.
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