So wie Deutsche ihre Vorururteile und Stereotypen über die Ossis
pflegen, gibt es genauso berechtigte/unberechtigte Pauschalurteile über die
Deutschen im Rest der Welt.
(….) Das Spannende an negativen
Stereotypen ist natürlich der wahre Kern in ihnen.
Sie sind üblicherweise nicht
total aus der Luft gegriffen und es lässt sich trefflich streiten wie viel
tatsächlich zutrifft.
Psychologie spielt insofern eine
Rolle, weil man Erlebnisse, welche die eigenen Vorurteile bestätigen viel
bewußter und deutlicher in Erinnerung behält. (….)
Die wirklich negativen Vorurteile aus der zweiten Hälfte des
19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – Militarismus, Humorlosigkeit –
wurden von den Deutschen weitgehend verdrängt.
Die noch sehr viel übleren Stereotype, die ab 1933 und erst recht
ab 1939 um die Welt gingen, verblassen ebenso.
Kurioserweise wurden dafür Vorurteile aus dem Ende des 18.
Jahrhunderts wieder populär. Deutschland, das Volk der Dichter und Denker.
Die deutsche Rechte sucht sich die Stereotype der eigenen
Vergangenheit sehr selektiv. Jeder fühlt sich verantwortlich für Beethoven, Schiller
und Goethe, niemand für Hugenberg, Breker oder Harlan.
Weniger Fanatische denken weniger in bellizistischen
Schablonen, sind sich aber sicher im Rest der Welt für Pünktlichkeit, Fleiß, Ordnungsliebe
und Pazifismus bewundert und vielleicht auch ein bißchen auf den Arm genommen
zu werden.
Als Griechenland in die Finanzkrise schlitterte war es die
Bundeskanzlerin höchst selbst, die verkündete, es ginge nicht an am meisten Hilfe
zu bekommen, aber am wenigstens zu arbeiten.
Angeblich soll sich sich anschließend bei ihren Beratern
beklagt haben so schlecht gebrieft worden zu sein, als überall die europäischen
Statistiken zitiert wurden, nach denen Griechen sehr viel mehr Stunden pro Jahr
arbeiten als Deutsche.
Das ist typisch für Vorurteile; auch wenn sie auch einem
wahren Kern beruhen, überdauernd sie Jahrzehnte. Deutschen halten sich selbst
ganz selbstverständlich noch für die fleißigste Nation aller Europäer, obwohl
sie längst mehr Urlaub als alle anderen haben, früher in Rente gehen und am
wenigsten Wochenarbeitszeit haben.
Dabei ändern sich die Zeiten.
[…..] “You know the world is going crazy when the
best rapper is a white guy, the best golfer is a black guy, the tallest guy in
the NBA is Chinese, the Swiss hold the America's Cup, France is accusing the
U.S. of arrogance, Germany doesn't want to go to war, and the three most
powerful men in America are named "Bush", "Dick", and
"Colin." Need I say more?” [….]
(Chris Rock)
So ganz langsam dämmert es den Deutschen, die sich zwei
Dekaden als Mülltrennungs-Vorreiter für die umweltbewußteste Nation hielten und
den Klimaschutz nur wegen der Bremser in China und den USA nicht weltweit
durchsetzen konnten, daß inzwischen wir die Bremser sind, die alle Klimaziele
reißen, Selbstverpflichtungen ignorieren, während in China längst Windkraft und
Photovoltaik im gigantischen Maßstab aufgezogen werden. Alle nordeuropäischen
Nationen bauen Offshore-Windkraftanlagen; nur Deutschland hat das Knowhow
verloren, besitzt kein einziges Errichterschiff mehr, das ein Windrad in der Nordsee
aufstellen könnte.
Die Deutschen halten sich immer noch für das Land der
Ingenieurskunst, bilden sich etwas auf „made in Germany“ ein. Dabei ist das
Deutschland im 14. Regierungsjahr Merkel nicht in der Lage ein Smartphone,
Tablet oder Notebook zusammen zu schrauben, kann keine emissionsarmen Autos
bauen und hat das langsamste Internet Europas. Nigeria und Rumänien haben
bessere Mobilfunknetze.
Noch amüsieren wir uns über unser eigenes Totalversagen bei
Großprojekten wie Toll Collect, Magnetschwebebahn, Schneller Brüter, BER,
Stuttgart 21 oder Elphi.
Aber so langsam entwickeln sich in der Sicht auf Deutschland
neue Vorurteile. Die Deutschen als Volk der Technik-Trottel, Elektronik-Esel
und Mechanik-Muffel.
Vorurteile, die ähnlich wenig begeistern wie die von den Russen, die alle saufen, den Polen, die alle klauen oder den Italienern mit den Minipimmeln.
Alle Vorurteile sind ungerechte Verallgemeinerungen, aber
man leidet doch lieber unter
positiven Vorurteilen, wie den Japanern, die alle so höflich sind, den
Franzosen, den weltbesten Liebhabern oder Kanadiern, die alle freundlich sind.
Deutschland auf der Schwelle zum dritten Jahrzehnt des
21.Jahrhunderts wird wieder unbeliebter nach den international so guten Jahren
zwischen 1998 und 2005, sowie des kurzen positiven Peaks 2015, nachdem Merkel
mit Unilateralismus und Borniertheit („man spricht wieder deutsch in Brüssel“, „Austerität“)
das europäische Ansehen, aber auch den europäischen Einfluss schliff.
Die deutschen Reiseweltmeister haben noch nicht gelernt
bescheidener aufzutreten, poltern mit der selbstverständlichen Erwartung königlicher
Behandlung durch touristische Hotspots. Dabei gilt „man spricht deutsch“ und
erwartet in Italien Berliner Schrippen und Leberwurstbrot.
[….] Eine
internationale YouGov-Umfrage in 26 Ländern offenbart, welche Nationen als
Touristen die beliebtesten und welche die unbeliebtesten sind.
[….] In
vielen Ländern dürften die Bewohner froh sein, dass die Deutschen wieder
abgereist sind, denn diese zählen zu den weniger beliebten Touristen im
internationalen Vergleich. Im Gesamtvergleich landen sie in allen europäischen
Ländern in der Top 5 der schlimmsten Touristen, besonders unbeliebt sind sie
bei Spaniern (17 Prozent) und Norwegern (16 Prozent). Aber auch 15 Prozent der
Deutschen geben an, dass die eigenen Landsleute zu den schlimmsten Touristen
zählen. Nur unbeliebter sind im Schnitt die Briten und die Russen. Besonders
schlecht schneiden die Briten in Spanien (46 Prozent) und Deutschland (39
Prozent) ab. [….] Gleichzeitig wurde in der Befragung auch
nach den „besten Touristen“ gefragt. Hier zeigt sich, dass in Europa nicht die
direkten Nachbarn, sondern Besucher aus Japan beliebt sind. In Finnland (26
Prozent), Frankreich (18 Prozent) und Großbritannien (15 Prozent) freut man
sich am meisten über Japaner als Touristen. Und auch in Asien ist man
begeistert von den japanischen Touristen, besonders in Singapur (43 Prozent). [….] Die
Deutschen (40 Prozent) und Briten (29 Prozent) sind es auch, die am seltensten
eine positive Wahrnehmung von Touristen ihres Lands im Ausland haben. [….]
Immerhin, auch das ist vielleicht typisch deutsch; viele kennen schon die Klischees von den
Frühaufstehern, die mit Handtüchern die Strandliegen besetzen und geben sich
Mühe im Ausland nicht als Deutsche erkannt zu werden.
Da sind meine deutsche und meine amerikanische Seele sehr
nah; auch als Ami gibt man sich auf Reisen lieber als Kanadier aus, weil man
sich für seine eigenen Landsleute so schämt.
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