Waren die Monty-Python-Filme wirklich lustiger als Live-Übertragungen
aus dem britischen Unterhaus?
Da sieht man wieder
einmal; man hätte sich zu Theresa Mays Zeiten nie dazu hinreißen lassen sollen
zu denken „noch schlechter kann England nicht regiert werden!“.
Doch, es geht.
Premierminister Johnson poltert Trumpesk durch die
demokratischen Institutionen, reißt alles ein und läuft dann immer wieder
völlig unvorbereitet, aber mit Karacho gegen die Wand.
Sein eigener Bruder, der ebenfalls als Tory im Parlament
sitzt, gab aus Gram und Frust seinen Staatssekretärposten und das Mandat ab.
It’s been an honour to represent Orpington for 9 years & to serve as a minister under three PMs. In recent weeks I’ve been torn between family loyalty and the national interest - it’s an unresolvable tension & time for others to take on my roles as MP & Minister. #overandout— Jo Johnson (@JoJohnsonUK) September 5, 2019
[….] Wieder soll der Brexit verschoben werden, nichts ist mehr übrig von den
einstigen Plänen Boris Johnsons. Die internationale Presse kann nur noch den
Kopf schütteln. Die linksliberale slowakische Tageszeitung „Pravda“ spricht am
Donnerstag von einem absurdem Theater Johnsons im Brexit-Streit: „Mit der
Niederlage im Parlament sind Johnsons Clownereien und sein Servieren von billigen
Bonmots anstelle von wohlüberlegten Gedanken und Fakten vorerst hart auf den
Boden des britischen Unterhauses aufgeschlagen.“
Die konservative polnische Zeitung „Rzeczpospolita“: „Die EU bereitet
sich auf einen chaotischen No-Deal-Brexit vor. Um die eventuellen Kosten dafür
abzudecken, hält sie für die Mitgliedsstaaten einen Fond bereit, der
normalerweise für den Fall von Naturkatastrophen gedacht ist. Denn aus Sicht
der EU ist der Brexit zu einer Naturkatastrophe geworden. Etwas, das man nicht
vermeiden kann, wie etwa den Ausbruch eines Vulkans oder ein Erdbeben.“
Die liberale slowakische Tageszeitung „Sme“ gibt zu bedenken: „Die sich
beschleunigende Eskalation des Konflikts zwischen beiden Lagern stürzt die
älteste Demokratie in ein beispielloses Chaos.“ […..]
Johnson, der ewige Querulant, der bevor er Premierminister
wurde, immer wieder gegen seine Parteichefin und Regierungschefin May gestimmt
hatte, lässt sich seinerseits keinerlei Widerspruch gefallen. Die 21
Tory-Abgeordneten, darunter prominente Schwergewichte wie den Alterspräsidenten
und ehemaligen Schatzkanzler Ken Clarke und den Enkel des Kriegspremiers Winston
Churchill, Nicholas Soames, die für den geordneten Brexit gestimmt hatten, ließ
er sofort aus der Fraktion werfen. Bei den sehr bald anstehenden Neuwahlen
werden sie also nicht mehr aufgestellt.
Der zweitmächtigste Tory ist Herr Reese-Mogg, der so
erzreaktionär und menschenverachtend ist, daß er unmöglich 2019 leben kann,
sondern sich offensichtlich um zwei Jahrhunderte verirrt hat, macht sich
gemeinsam mit seinem Boss daran die britische Demokratie einzureißen.
[….] Jacob Rees-Mogg ist ungefähr 150 Jahre zu spät geboren, und so ist er
im Jahre 2019 Leader of the House. [….] Jacob
Rees-Mogg ist ein witziger, gebildeter Reaktionär, zurzeit die informelle
Nummer zwei in Boris Johnsons Partei, ein Snob of Snobs, ein Politiker
gewordener Investor, dessen persönliches Vermögen jenseits der
50-Millionen-Pfund-Grenze liegt. [….] Er ist außerdem, pardon the expression, [….], a rich, amusing asshole mit einem stark
narzisstischen Zug. Boris Johnson und
Jacob Rees-Mogg sind Brüder im Geiste, auch wenn Johnson wahrscheinlich
liberaler ist als Rees-Mogg, obwohl man, wäre man gerade schlecht drauf, auch
sagen könnte, dass es bei zwei Neandertalern nicht so wichtig ist, wessen Stirn
fliehender aussieht (das ist natürlich nur ein Sprachbild und keinesfalls ein
Vergleich). Rees-Mogg ist gegen alles, was modern ist: gegen das Recht auf
Abtreibung, gegen Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern/innen, gegen
die EU, gegen den Vorrang der Umwelt vor der Wirtschaft. [….]
Bis vor kurzem dachte ich, den Konservativen wären
wenigstens die Monarchie und ihre 93-jährige Queen heilig, aber weit gefehlt.
Die Neandertaler trampeln alles nieder.
[…..] Boris Johnson beschädigt seine Partei, das Parlament und auch die
Queen. Er will die Macht, und zwar die ganze. Das Parlament hat ihm eine Waffe
gegeben, die schärfer nicht sein könnte. [….]
Wie in Amerika - haha #Sharpiegate - verführen diese nie
dagewesenen Protuberanzen dazu sich nicht vorstellen zu können, daß solche
Regierungschefs wiedergewählt werden könnten.
Aber so viel Optimismus darf man sich nicht gestatten.
In beiden Nationen begünstigt das Mehrheitswahlrecht massiv
die Rechte.
In beiden Nationen tobt die ultrarechte fanatische
Desinformationspresse des Rupert Murdoch.
In beiden Nationen ist die Hälfte der Bevölkerung unrettbar
verblödet.
Und schließlich, in beiden Nationen beeindruckt die
Opposition immer wieder mit sagenhafter Ungeschicklichkeit.
Sie lassen sich von den Rechten Talkingspoints vorschreiben,
schaffen es nicht ihre eigene Agenda auf die Tagesordnung zu setzen, streiten
sich mit Vorliebe untereinander und lassen sich von den Parteigeronten
dominieren.
Die amerikanischen Demokraten sind dabei heterogener und
haben durchaus politische Talente zu bieten. Es ist keineswegs ausgemacht, wer
Trumps Herausforderer wird.
In Großbritannien ist die die Lage noch absurder, weil schon
nächsten Monat gewählt werden könnte und dann ein Parteichef Boris Johnson
herausfordern wird, den die eigenen Abgeordneten schon mehrfach wegen dessen
völliger Unfähigkeit stürzen wollten.
Zudem ist Jeremy Corbyn, der 70-Jährige
Gewerkschaftsfunktionär ohne Brexitstrategie, aber dafür mit antisemitischer
Vergangenheit sowohl auf Funktionärsebene als auch bei den Wählern extrem
unbeliebt.
[….] Im März hatten führende Vertreter der jüdischen Gemeinden in
Großbritannien in einem Brief an Labour offenen Antisemitismus beklagt.
Insbesondere der Parteivorsitzende Jeremy Corbyn ergreife „immer wieder“ Partei
für antisemitische Positionen, hieß es darin. Corbyn sei „ideologisch so sehr
auf seine weit links stehende Weltsicht fixiert, dass er den jüdischen
Gemeinschaften der Mitte instinktiv feindselig gegenübersteht“. [….]
Corbyn ist derartig unfähig und chaotisch, daß er es
geschafft seine Labour-Partei trotz des Lügen-Chaoten Johnson in Umfragen
deutlich hinter die Konservativen zurückfallen zu lassen. Das muss man erst mal
schaffen.
[…..] Corbyn ist sicher das größte Problem für Labour. Die
Antisemitismus-Vorwürfe und sein Image als radikal Linker schaden der Partei.
Für die meisten ist er eben ein weltfremder, bärtiger Sandalenträger, der sich
weigert, sich bei Zeremonien zu verbeugen. Und so oberflächlich das klingt -
auch danach entscheiden Wähler. Labour hätte sicher eine bessere Chance ohne
Corbyn und es gibt Leute in der Partei, die den Job machen könnten. Doch Corbyn
wird bleiben. […..]
Wie konnte es so eine Groteske Witzfigur an die
Labour-Parteispitze bringen?
Ganz einfach, die Spezies der Basis-Mitglieder liebt ihn und wählt ihn immer wieder wider alle Vernunft auf den Chefsessel.
Ganz einfach, die Spezies der Basis-Mitglieder liebt ihn und wählt ihn immer wieder wider alle Vernunft auf den Chefsessel.
Basisdemokratie ist eine üble Sache. Diktatur der Inkompetenz.
Daher bin ich schon sehr beunruhigt, welchen Parteichef sich die SPD-Genossen
dieses Jahr zulegen.
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