Wie wir schon lange gesehen haben, ist die linke Seite des
politischen Spektrums fast nicht in der Lage Talking-Points zu setzen
und ergibt sich lieber devot des Agendasettings der Gegenseite.
Das ist sympathisch und spricht für eine gewisse Scheu davor
zu manipulieren, andererseits wirkt es jämmerlich und schwach, wenn
Demokraten/Sozialdemokraten offensichtlich stets von der Sorge getrieben sind
als zu kirchenfern oder zu wirtschaftsfern angesehen zu werden, zu weiche
Positionen bei innerer Sicherheit und Militär zu haben.
Würde nicht in Deutschland die Kriminalität explodieren,
wenn statt des eisenharten Stahlhelm-Hessens Manfred Kanther ein rotgrüner Chaot
Grenzer und Bundespolizei befehligt, fragte man sich besorgt im Jahr 1998.
Daher benannte Gerhard Schröder mit Otto Schily einen „roten
Scheriff“ in das Amt, der keinerlei Zweifel daran ließ ein ganz harter Hund zu
sein.
Würden nicht Deutschlands Unternehmer kollektiv flüchten
wenn die Kommunisten regieren, sorgte man sich 1998.
Daher benannte Gerhard Schröder den Energie- und Kohle-Toppmanager
Werner Müller zum Wirtschafts-, sowie den bulligen niedersächsischen Bauern Karl-Heinz
Funke zum Landwirtschaftsminister.
(Möglicherweise ein kluger Schachzug. Vielleicht wäre es
ohne diese frühen Personalien nie zu einem rotgrünen Kabinett gekommen.)
Barack Obama erlebte im Wahlkampf 2008 wie seine Kirchentreue angezweifelt wurde und
zeigte sich daraufhin bald im Gottesdienst als frommer Christ.
[….] Drittens wird ihm ewig sein
Satz über Religion und Pistolen aus dem Vorwahlkampf gegen Hillary Clinton
nachhängen. Das hätte ihn um ein Haar die Präsidentschaft gekostet-.
Obama was caught in an uncharacteristic moment of loose language. Referring to working-class voters in old industrial towns decimated by
job losses, the presidential hopeful said: "They get bitter, they cling to
guns or religion or antipathy to people who aren't like them or anti-immigrant
sentiment or anti-trade sentiment as a way to explain their frustrations."
Der Guardian drückt es sehr
bezeichnend aus; Obama habe völlig untypisch kurz die Kontrolle über seine
Worte verloren.
Ihm ist also etwas rausgerutscht,
das er eigentlich nie so sagen wollte.
Er brach ein klassisches
Wahlkampftabu, indem er etwas Wahres aussprach, das aber viele Wählerstimmen
kostet und daher tunlichst von einem, der noch gewinnen will, verschwiegen
werden sollte.
Warum reagierten die Amis damals
derartig gereizt auf den Obama-Satz?
Einem frommen Christen, der
wirklich zweifelsfrei an Gott glaubt und aus voller Überzeugung der biblischen
Lehre folgt, kann es völlig egal sein, was jemand anders über seine
Glaubensmotive sagt.
Daß sich Amerikas Strenggläubige
bis heute über Obama aufregen, ihn wahlweise als Antichristen, Muslim und
Atheisten schmähen, liegt vermutlich daran, daß sie zumindest unterbewußt
wissen wie Recht Obama hat.
Die ewig zu kurz Gekommenen, die
Elenden, die Doofen hängen an Religion. [….]
Hillary Clinton bekam ein ähnliches Problem, da eine andere
Frau an ihrem Mann Fellatio verübte und sie ihm verzieh.
Gute Christen gehen natürlich nicht fremd, das sieht man ja
am treuen und ehrlichen Donald Trump, dem Helden der Evangelikalen.
Clinton hingegen musste im Vorwahlkampf 2008 das Gerücht
ausräumen, sie wäre womöglich nicht streng christlich und legte einen
bemerkenswerten tränenreichen TV-Auftritt hin, in dem sie von Emotionen
zerwühlt bekannte wie wichtig ihr Glaube für sie wäre. 2016 musste sie diese Bekenntnisse wiederholen.
Vermutlich sind Clinton und Obama beide Agnostiker oder
Atheisten; sie sind beide zu intelligent für Frömmigkeit. Ihre Intelligenz ließ
sie aber auch erkennen, daß 2008 eine US-Präsidentschaft für einen
Nichtgläubigen ausgeschlossen war.
Es gab nicht die Möglichkeit die in den USA extrem negative Konnotation
zum Atheismus durch bessere Talkingpoints zu ersetzen.
Die USA wandeln sich aber. 2016 wurde eine Frau
Präsidentschaftskandidatin einer der beiden großen Parteien. 2020 könnte ein
offen Schwuler Präsidentschaftskandidat werden (Pete Buttigieg ist aber sehr
fromm); wer weiß, vielleicht kommt 2024 die Zeit für einen Atheisten.
Die Grünen waren 1998 zu früh dran als sie ehrlich waren und
etwas Richtiges forderten. „5 Mark der Liter Benzin“. Das kostete die spätere
rotgrüne Bundesregierung fast das Leben.
[….] Im Bundestagswahlkampf '98 kämpfen die Grünen gegen jede Stimme. 5 Mark
für Benzin, autofreier Sonntag, teurere Urlaubsflüge. Was heute zum Teil
Realität ist, erschien damals als alternativer Selbstmord-Trip.
Die Ökopartei macht im März 1998 mit der ökologisch-sozialen
Steuerreform von sich Reden. Die Forderungen empfinden viele als drastisch:
europaweite Besteuerung von Flugbenzin, autofreier Sonntag, 3-Liter-Auto oder 5
Mark für den Liter Benzin. Auch wenn an manch grüner Idee vieles richtig ist,
wird sie so vorgebracht, dass sie beim Wähler nur noch Horror auslöst - oder
Kopfschütteln. [….]
Die Rechten frohlockten und hofften mit dieser Grünen
Ehrlichkeit Helmut Kohl zu weiteren vier Jahren Kanzlerschaft zu verhelfen –
ohne diesen ganzen Öko-Murks.
ROT-GRÜNEigentor vor dem Endspiel
[….] Mitten im Stimmungshoch gefährden die Bündnisgrünen mit linken
Positionen eine Regierungskoalition mit der SPD. [….] Aus heiterem Himmel kommt oft das Unheil: [….] in der Politik die grüne Parteitagsstimme. Mit weltfremden Beschlüssen
zu Spritpreis und Außenpolitik torpedierten die Grünen auf ihrem Magdeburger
Parteitag die Aussichten auf ein rot-grünes Bündnis in Bonn.
Fraktionschef Fischer steht ramponiert da, Parteisprecher Jürgen
Trittin ist angeschlagen und der Altlinke Hans-Christian Ströbele
wiederauferstanden. Der 59jährige Jurist gehört zur Gründergeneration der
Grünen Ende der siebziger Jahre. Schlagzeilen machte er bis dahin als
Wahlverteidiger von RAF-Terrorist Andreas Baader, 1982 verurteilte ihn ein
Gericht wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. [….] Das Medienecho auf den Parteitag war
verheerend. „Droht das grüne Chaos?“ titelte die Hamburger „Woche“. Die
„Bild“-Zeitung druckte: „Benzin 5 DM, Tempo 100, Hasch frei, NATO auflösen“
seien ein „Grüner Alptraum“.
Wer hat Angst vor Rot-Grün? [….]
Die Kohl-Fans bei Springer und Burda behielten fast Recht.
Die Grünen verloren bei der Bundestagswahl von 1998
gegenüber des Ergebnisses von 1994 und kamen mit mageren 6,7% ins Ziel.
Jürgen Trittin und Joschka Fischer wurden dennoch Minister,
weil die Schröder-SPD ein sensationelles Ergebnis einfuhr, nach den Gewinnen
von 1994 (3%Punkte) noch einmal fast fünf Prozentpunkte zulegten und auf heute
unfassbare 41% kamen. Schröders Strategie war goldrichtig.
Die Grünen des Jahres 2019 sind ganz anders als die von
1998. Alle „Querulanten“ sind ausgeschaltet.
Niemals würden Annalena Baerbock oder Robert Habeck, die
beide auch gern mit der CDU koalieren ähnlich radikale Forderungen stellen.
Nun sind die Grünen eine Wohlfühlpartei, die keinen SUV-Fahrer
mit Horror-Spritpreisen erschreckt oder ihrer wohlhabenden Wählerschaft das
Fliegen verbieten will.
Paradox, obwohl das Klimathema noch weit dramatischer ist
als 1998, präsentieren sich die Grünen zahmer.
Da die Wähler im Allgemeinen aber doof sind, zahlt sich die
weiche Strategie aus. Statt der 6-Komma von 1998 schicken sich Habeck und Co
an, stärkste Partei zu werden, würden leicht das vier-fache Stimmenergebnis von
vor 20 Jahren holen.
Auch wenn Linke, Grüne und Sozis beim Agendasetting
versagen, kann für Großpolitiker und Möchtegern-Kanzlerkandidaten wie Armin
Laschet das „Klimathema völlig überraschend“ über sie hineinbrechen.
Greta Thunberg und Rezo sei Dank.
Grüne und Sozis knickten beide in erbärmlicher Weise vor den
Abschiebe-Hardlinern à la Seehofer ein, votierten für allerlei Grausamkeiten.
Es waren mutige Flüchtlingsretter wie Carola Rackete,
die das Thema in die Öffentlichkeit holten.
Konnte Bundesumweltministerin Svenja Schulze vor einem Jahr
mit Klimathemen noch gar nicht durchdringen, weil sie es nicht vermochte das
Thema zu besetzen und die scheuen SPD-Wähler immer verschreckter wurden, wirken
ihre Vorstellungen im Sommer 2019 auf einmal aktuell und gar nicht mehr radikal.
[…..] Bundesumweltministerin Svenja Schulze lässt nicht locker. Zwar stieß
die SPD-Politikerin beim Koalitionspartner, aber auch in den eigenen Reihen auf
heftigen Widerstand, als sie vor einigen Monaten für die Einführung eines
CO2-Preises plädierte. Dennoch treibt Schulze das Vorhaben unverdrossen voran.
Damit Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2030 erreicht, brauche
es jetzt eine „Trendumkehr“ hin zu klimaschonendem Autofahren und Heizen, sagte
Schulze am Freitag in Berlin. „Ich bin davon überzeugt, dass Preissignale
helfen würden“, betonte die Ministerin und stellte drei Gutachten für einen
CO2-Preis vor. Frei nach dem Motto: Wer wenig verbraucht, bekommt Geld zurück.
[…..] Eine „Klimaprämie“ soll klimafreundliches Verhalten belohnen und
zugleich Gering- und Normalverdiener nicht belasten. […..] In der Unionsfraktion reagierte man
verhalten auf Schulzes neuerlichen Vorstoß. […..]
Eine Chance für die SPD nun gegenüber den übervorsichtigen
Grünen Boden gut zu machen.
Die Zeit ist gekommen; mehr und mehr Wähler goutieren jetzt
kraftvolle Aktionen gegen Klimagase und Plastikmüll.
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