Mittwoch, 13. März 2019

Rechtsextreme Toleranz


Nein, nein, nein, George Pell AC, 77, Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche, ehemaliger Erzbischof von Melbourne, ehemaliger Erzbischof von Sydney, ehemaliges Mitglied des Päpstlichen Kardinalsrats, Kardinalpriester der Titelkirche Santa Maria Domenica Mazzarello, langjähriger Großprior der Ordensprovinz Australien-New South Wales des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Generalkaplan im Großpriorat Australiens, Träger des Lazarusordens und des kirchlichen Großkreuzes des Verdienstordens des Heiligen Lazarus, der hochrangigste australische Katholik aller Zeiten, ist unschuldig, hat keine Kinder vergewaltigt und ist nur Opfer einer linken Hetzjagd!
So tönen heute seine Fans – darunter der allmächtige Rupert Murdoch, Executive Chairman der News Corp (Fox News) und gleich mehrere australische ehemalige Premierminister.
Gottes Top-Mann beharrt vehement auf seiner völligen Unschuld und von „sexuellem Missbrauch“ oder „Vergewaltigung“ kann gar nicht die Rede sein, weil es nämlich nur „plain and vanilla penetration sex“ mit einem 12-Jährigen und einem 13-Jährigen war. Nur sechs Minuten lang erzwang Pell den Analverkehr, wie sein Verteidiger Robert Richter beschwichtigend erklärte.
Das wäre nun wirklich nur Blümchensex.
Wo ist also das Problem?
Und dafür sechs Jahre Haft? Für sechs Minuten? Ist ja unverschämt, tobt die gesamte austro-amerikanische konservative Medien- und Politlandschaft.

[….]  Der frühere Finanzchef des Vatikans, Kardinal George Pell, ist wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Richter Peter Kidd verkündete in Melbourne das Strafmaß gegen den 77-jährigen Australier. Der Kardinal muss mindestens drei Jahre und acht Monate der Strafe absitzen, bevor er einen Antrag auf Bewährung stellen darf.
Der Fall Pell bewegt die Australier sehr: Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen hatte es hier zehntausendfach gegeben. Eine königliche Kommission hatte sich in den vergangenen Jahren an eine Aufarbeitung gemacht, aber niemand hatte so polarisiert wie Pell. [….]

An diesem Fall erstaunt mich sehr wenig.
Weder die Taten an sich, noch das eher milde Strafmaß und schon gar nicht die empörten Reaktionen der weltweiten Dunkelkatholikenszene, sowie rechter Politiker.
Extreme Heuchelei ist schließlich das Alleinstellungsmerkmal der Konservativen.
Sie sehen immer nur den Splitter im Auge der Linken und nie die Balken im Eigenen. Kübelweise moralische Empörung der Teebeutel ergoss sich über die Obama-Familie, wenn Michelle es wagte im ärmelfreien Kleid aufzutreten.
Der 9.000-fache Lügner, vielfache Ehebrecher, Pornosternchen-Ficker, notorische Frauenbegrabscher und mit einem Nacktmodell liierte Trump hingegen ist der fromme Held der evangelikalen konservativen Christen.

Wer die härtesten Strafen fordert, als erstes nach Gesetzesverschärfungen schreit, am wenigsten Mitleid für andere aufbringt, kennt für Täter aus den eigenen Reihen nur Verzeihen und Milde.

Trump, Pell und die anderen Kinderficker werden nämlich nicht etwa als zu verurteilende Amoralisten gesehen und schon gar nicht als die hart zu verurteilenden Täter der gleichen Verbrechen, sondern in aller erster Linie als Alliierte.
Sie gehören zu ihnen und Ihresgleichen wird immer gegen die anderen verteidigt.
Pell ist eindeutig einer der ihren. Anders als diese linkssozialistischen Homo-Atheisten können fromme Konservative eben (sich selbst) verzeihen und auch mal alle Augen, inklusive Hühneraugen, zudrücken.
Schließlich gehört Pell zum hochexklusiven Zirkel des Institute of Public Affairs (IPA). Zu der erzreaktionären Denkfabrik gehören führende konservative Politiker Australiens, Rupert Murdoch, die reichste Australierin und Kohlefrau Gina Rinehart, sowie Klimawandel-Leugner, Homohasser und illustre Gegner jeglicher Umweltschutzmaßnahmen aus den Chefetagen der Großindustrie.
Der von Papst Franziskus so bewunderte und geförderte Pell zieht auf mehreren Kontinenten die Fäden bei Menschen- und Umwelt-feindlichen Ansinnen. So einen lässt man nicht fallen. Der frühere Premierminister Tony Abbott nahm Einfluss auf die Richter, indem er Pell höchstes Vertrauen und Respekt bescheinigte. Auch sein Vorgänger Ex-Premierminister John Howard wandte sich direkt mit einem offenen Brief an das Gericht und attestierte dem verurteilten Pädophilen in einem „hohe Intelligenz und einen exemplarischen Charakter".
So einer wird doch mal ab und zu ein paar kleine Jungs vergewaltigen dürfen! Die beiden frechen Chorknaben in Melbourne wollten schließlich den Messwein wegtrinken und der andere Junge, den Pell im Schwimmbad von Ballarat mutmaßlich missbrauchte, ist sowieso selbst schuld. Was läuft er auch halbnackt in sexy Badehose rum?

 [….]  In den konservativen australischen Medien, zur Mehrheit kontrolliert vom amerikanischen Medienunternehmer Rupert Murdoch, riss die Kritik am Urteil nicht ab. Eine Lawine von Vorwürfen donnerte täglich auf die Geschworenen ein, auf das Gericht, das Justizsystem als Ganzes. Der prominente Murdoch-Kommentator Andrew Bolt wetterte, Pell sei unschuldig und das Opfer eines historischen Versagens des Systems. Ohne dem Prozess beigewohnt zu haben, behauptet er, Pell sei "aufgrund von Vorurteilen verurteilt worden, nicht von Fakten".[….] Für die politisch und gesellschaftlich starke Rechte war und bleibt der Kardinal eine Art Feldmarschall, der im Namen Gottes und der Moral gegen progressive Strömungen in der Gesellschaft das Schwert führt.
Im Gegensatz zu anderen Geistlichen in Australien hat Pell nie Zweifel daran gelassen, wie er politisch steht: streng rechts, konservativ, sozial regressiv. "Als Erzbischof pumpte er seine Energien in die Bekämpfung der Empfängnisverhütung, Genmanipulation, Scheidung und Abtreibung. Er baute seine Karriere damit auf, gegen Sex zu predigen", sagt David Marr. Der bekannte australische Journalist verfolgt den Aufstieg von Pell seit Jahren und hat ein Buch über den Gottesmann geschrieben. "Er war immer dogmatisch", schreibt Marr. "Universale Unschuld? Laut Pell 'ein gefährlicher Mythos'. Die Ursünde? 'Lebendig und florierend'. Künstliche Befruchtung? 'Wir schaffen damit eine neue Generation von gestohlenen Kindern'", so Marr. "Er bleibt in seinen Aussagen einfach und brutal", meint der Autor. "Unnachgiebigkeit" habe Pell unter Konservativen "zu einer Berühmtheit gemacht".
Pell habe den "Krieg gegen Sex und sexuelle Freiheit geführt, während er selber Kinder missbrauchte", so Marr. Der Gottesmann sei "besonders brutal gegen Homosexuelle gewesen". Homosexualität sei eine "größere Gefahr für die Gesundheit als Rauchen", habe Pell behauptet. Als an der Kathedrale in Melbourne ein Kranz niedergelegt wurde für junge homosexuelle Studenten, die sich aus Scham und als Folge der Verurteilung durch die Kirche das Leben genommen hatten, "war Pells Abscheu absolut", meint Marr. Pell predigte mit donnernder Stimme gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Gegen jahrelangen, massiven Widerstand von konservativen Politikern - allen voran Tony Abbott - wurde sie in Australien nach einer Volksbefragung 2017 eingeführt. [….]

Man lässt aber einen Pell („kalt, hartherzig und fast soziopathisch“ - Peter Saunders) nicht nur wegen seiner Vernetzung nicht fallen, sondern die ihm zur Last gelegten Verbrechen sind zu charakteristisch für homophobe Geistliche in bunten Frauenkleidern.

[….] Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in Einrichtungen der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland ist offenbar deutlich größer als bislang angenommen.
Das zeigt eine Studie der Universität Ulm, die die wissenschaftliche Fachzeitschrift „Journal of Sexual Child Abuse“ veröffentlichen wird.
Demnach ist von etwa 114.000 Betroffenen sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester und noch einmal so vielen durch Pfarrer und Mitarbeiter in evangelischen Kirchen auszugehen.
Wissenschaftler um den Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Ulm, Jörg Fegert, hatten im vergangenen Jahr eine Umfrage auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland hochgerechnet und kamen dabei auf bis zu 30-mal so hohe Zahlen wie die sogenannte MGH-Studie, die die deutschen Bischöfe in Auftrag gegeben und im vergangenen Herbst präsentiert hatten.
Die Publikationszusage in dem Fachjournal bestätigt nun nochmal die Wissenschaftlichkeit der Untersuchung aus Ulm. Die MGH-Studie der Bischöfe hatte 3.677 Minderjährige ermittelt, die über einen untersuchten Zeitraum von bis zu 70 Jahren von katholischen Priestern missbraucht worden sein sollen. Allerdings hatte das unabhängige Wissenschaftskonsortium, das die MGH-Studie durchgeführt hatte, stets deutlich gemacht, dass die Ergebnisse nur die „Spitze des Eisbergs“ seien, da sie vor allem jene Fälle untersucht hatten, die in Kirchenakten registriert und entsprechend untersucht worden waren.
Die Studie aus Ulm liefert nun erstmals einen Einblick in das Dunkelfeld, also auch der nicht angezeigten und registrierten Fälle. „Damit lässt sich nun das wahre Ausmaß des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in den Kirchen besser einschätzen“, sagte Studienleiter Fegert [….] Auffällig ist zudem, dass sexueller Missbrauch durch katholische Priester vor allem bei den massiven Formen, also jenen mit Penetration, besonders hoch ist. Ihr Anteil liegt bei sechs Prozent all dieser Fälle. [….]

Kinderficken ist einfach systemimmanent bei Katholiban.

Das auf einmal zu ächten lasse kaum noch Kardinäle übrig, unkt sogar die fromme Katholikin Christiane Florin.

[….] So langsam werden die Kardinäle knapp. [….] Vor einigen Tagen wurde der französische Kardinal Philippe Barbarin, der Primas Galliens, zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wegen Vertuschung sexuellen Missbrauchs. Gestern wurde das Strafmaß für den australischen Kardinal George Pell bekannt: sechs Jahre Haft. [….]
Kurz vor dem Missbrauchsgipfel im Vatikan hatte Papst Franziskus den amerikanischen Kardinal Theodore McCarrick zum Normal-Katholiken degradiert – laisiert, sagt der Fachmann. Das ist die Höchststrafe im Kirchenrecht, angeblich schmerzlicher als sechs Jahre Kerker bei Wasser und Brot. Barbarin, Pell, Mc Carrick: Drei Kardinäle, drei kriminell gewordene Kleriker.
Seit Mitte der Neunzigerjahre ist das Thema im Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit.[….] Noch gilt: Wer Bischof ist, hat Recht
Lang ist die Liste der hochrangigen Kleriker, die nach einschlägigen Vorwürfen aus alters- oder gesundheitlichen Gründen ihr Amt aufgaben. Eher kurz ist die Liste der strafrechtlich verurteilten. Manche offenbarten sich gegenüber den Medien, der frühere Bischof von Brügge etwa gestand 2011 in einem Fernsehinterview den Missbrauch seiner beiden Neffen.
Die katholische Kirche ist ein streng geordnetes System. Bischöfe sind besonders berufen, Kardinäle besonders auserwählt. Es sind Exzellenzen und Eminenzen, Hochwürdigste Herren. [….]

Wenn man jeden Priester, der einen kleinen Jungen missbraucht gleich ins Gefängnis steckt, würde das dem Vatikan nachhaltig die gute Laune verderben.

1 Kommentar:

  1. Es ist das "Der nette Herr Nachbar"-Syndrom. Viele Fürsprecher kennen den Beschuldigten persönlich und können sich es einfach nicht vorstellen, dass er (auch) so ist. Besonders die Sekte und ihre Vertreter sind ja in Diplomatie geschult. Die sind zu jedem nett, freundlich und zuvorkommend, insbesondere zu einflussreichen Menschen wie Politikern und Medienmogulen. That's the job. Darauf gründen sie ihren Status. Alle Welt hält sie für besonders.


    Niemand kann sich vorstellen, dass der Nachbar ein grausamer Mörder ist. Niemand kann sich vorstellen, dass der Stadtrat seine Tochter vergewaltigt. Niemand kann sich vorstellen, dass der Chefarzt ein alkoholabhängiger Tyrann ist. Doch so Typen gibt es, und man sieht es ihnen in der Regel nicht an. Schöne Grüße von Ted Bundy!

    Weil Menschen selbst diese Erfahrungen nie mit dieser Person und oft auch mit niemand anderem gemacht haben, können sie das einfach nicht realisieren. Das bekommen sie nicht zusammen, so unfassbar ist das. Doch wer selbst einmal Gewalt erlebt hat, denkt anders über seine Mitmenschen. Wer einmal hinter diesen Vorhang schauen musste, kann es sich vorstellen. Manche Menschen haben ein zweites Gesicht, dass sie gut zu verbergen wissen.

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