Gestern
habe ich mal wieder ewig lange mit Ami-Verwandten telefoniert.
Als gute
Katholiken vermehren die sich wie die Karnickel und dementsprechend lange
dauert es natürlich mich über jedes Familienmitglied upzudaten.
Zwischendurch
rutschte meinem transatlantischen Telefongegenüber immer mal wieder eine kleine
boshafte Bemerkung über diesen „unpresidential Trump“ raus.
Reflexhaft
folgte aber sofort immer eine Entschuldigung.
‘Sorry, I will always be a
democrat.’
Oder, ‘I am sorry. We don’t talk politics.’
Meine
Eindrücke mögen da subjektiv sein, aber ich glaube dieser Unwillen “der”
Amerikaner mit Nachbarn, Bekannten, Zufallsbegegnungen kontrovers zu
diskutieren, ist einer der wesentlichen kulturellen Unterschiede zu
Deutschland.
Fast
alle USA-Touristen erzählen anschließend ganz verblüfft wie „nett“ und
hilfsbereit die Amerikaner sind.
Amerikaner
können smalltalk und sie sind generell wesentlich fähiger in Situationskomik
und Selbstironie.
In den
USA würde nie jemand auf die Frage „How are you?“ merkelsch die Mundwinkel nach
unten ziehen und brummen „muss ja“ oder gar „im Moment nicht so gut“.
Unfreiwillig typisch deutsch ist auch die bizarre Antwort „kann nicht klagen“;
ganz so, als ob der gemeine Germane unzufrieden wäre, wenn er nicht unzufrieden
sein kann.
In
Deutschland redet man die Bäckereiverkäuferin natürlich nicht mit „Honey“ oder „Sweety“
an.
Rein
oberflächlich betrachtet ist Amerika daher ein extrem angenehmes Land, in dem
es sich leicht leben lässt. USA-Reisende, die sich Zeit nehmen mal außerhalb
der üblichen Touri-Hotspots umher zu fahren, haben daher oft ein positives
Gefühl. Man kommt so leicht ins Gespräch mit den Amis im Diner des Dorfes, trifft
unweigerlich auf irgendwelche breit grinsenden Typen, die einen einladen mit
seiner Familie zu essen.
Man
probiere das bitte nicht umgekehrt in der sächsischen oder thüringischen
Provinz.
Meine
inzwischen alleinstehende Lieblingstante in NY erzählte mir, sie habe dieses
Jahr nur noch 250 christmas-cards bestellt. Mehr müsse sie nicht mehr
verschicken, weil leider schon so viele ihrer Freunde verstorben wären.
Ihre
Kinder brauchen wesentlich mehr Karten, weil die noch so viele Arbeitskollegen
haben und auch alle Eltern der Kinder, mit denen ihre Kinder irgendwie
zusammentreffen bedenken.
Umgekehrt
bekommt man natürlich auch entsprechend viele Weihnachtskarten.
Aber sie
sparen Porto in der gated senior-community. Es gibt 68 Häuser und da jeder
jedem zu allen Feiertagen schreibt, gibt es im Gemeindesaal ein
Fächersystem, um Post zu hinterlegen. Da wird man alle seine Karten auf einmal
los und holt auch gleich Dutzendweise Glückwünsche aus seinem eigenen Fach.
Da so
viele nicht mehr gut zu Fuß sind, werden auch die Gebetsanliegen der
Community-Church die ganze Woche ausgehängt, so daß jeder weiß für wen speziell
man diese Woche persönliche Gebete spricht.
Wird bei
irgendeinem Angehörigen eine Krankheit diagnostiziert, wendet man sich an den
Pfaff, der dieses besondere Gebetsanliegen veröffentlicht und schon beten die
Insassen von 68 Häusern eine ganze Woche für denjenigen.
Ich
wünschte, ich hätte ihr letzte Woche gesagt, daß sie die Gemeinde für meinen Wechsel
von O2 zu Wilhelm.Tel beten sollen. Womöglich hätte ich dann auch
nicht die Probleme gehabt, die heute entstanden, als ich w-lanen wollte und
nach Stunden des Fluchens und Zeterns von einem Bonner Twen-Nerd per
Ferndiagnose über den Teamviewer so zurecht geruckelt wurde, daß es jetzt
tatsächlich funktioniert. Online ganz ohne O2! Danke dafür ins
Rheinland. Ich schreibe auch eine Weihnachtskarte.
Guckt
man sich nun aber die amerikanische Politik und den blanken Hass an, der
zwischen diesen so unheimlich netten Amis herrscht, muss man zu dem Schluss
kommen, daß offensichtlich noch eine weitere Ebene, außer der stets
Freundlichen existiert.
In Alabama sitzt der Hass so tief, daß die Hälfte der Bevölkerung
lieber einen vielfachen Pädosexuellen und überführten Lügner wählt, als einen
Demokraten.
Was ist los
mit den Amis?
Sie sind
nett und wollen nett sein, aber sie wollen auch Homogenität.
So
funktioniert Kleinstadt-Amerika, wo man Trump wählt.
[….] 1995 hatten Steven und Dustin geheiratet. Er war 22 und seit Kurzem Polizist. Sie war 18 Jahre alt, hatte ihren Highschool-Abschluss gemacht und wollte im nahe gelegenen College Französisch auf Lehramt studieren. Die beiden kannten sich schon ihr ganzes Leben, denn sie waren in derselben Gemeinde aufgewachsen. "Alle waren da weißer Mittelstand. Alle sahen aus wie wir, und alle hatten die gleichen Probleme", sagt Steven heute. "Wir haben jede Woche Predigten von christlicher Nächstenliebe gehört. Aber wenn sich das ganze Leben nur um Menschen dreht, die genauso sind wie du, ist diese Nächstenliebe eine sehr schlichte Sache. Alle, die nicht genauso lebten wie wir, hatten in unseren Augen etwas falsch gemacht." Ich begleitete meine Gasteltern damals in die Kirche, zumindest anfangs. Der Pastor bezeichnete Homosexualität als Krankheit und Ärzte, die Abtreibungen vornahmen, als Todsünder, die sich in der Hölle dafür würden verantworten müssen. Statt der Widerworte, die ich in meinem Kopf formulierte, kam von der Gemeinde nur ein einvernehmliches Amen. [….]
Amerika
ist manchmal ein bißchen AfD. Man hat enorme Angst vor Veränderungen und will
nichts abgeben.
Und so
wünscht man sich die „good old times“ zurück, als es allen immer gut ging.
Vorausgesetzt
man war weiß, männlich und heterosexuell.
Und so
bleibt nun einiges nicht mehr so oberflächlich.
Es
gelingt „den Amis“ nicht mehr sich wie meine Tante im Zaum zu halten und strikt
zu vermeiden über Politik zu sprechen.
Angestachelt
von den Sean Hannitys und Donald Trumps hauen sie ungefiltert raus was in ihnen
brodelt.
Sie
haben aber keine Erfahrung damit mit anderen offensiv geäußerten Meinungen
umzugehen, die ihre Gegner schließlich genauso laut kundtun.
Da wird
es gelegentlich recht ungemütlich.
Das ist
gar nicht mehr das so freundliche unbekümmerte optimistische Amerika.
Scheinbar
bemerkt man das auch international.
[….] Deutschland
hat die USA als das populärste Land abgelöst. Zu diesem Ergebnis kommt eine am
Donnerstag veröffentlichte Untersuchung des Marktforschungsinstituts GfK und
des Politikberaters Simon Anholt. Die Vereinigten Staaten rutschen in dem Image-Ranking
auf Platz sechs ab.
Frankreich ist der
Studie zufolge international das zweitbeliebteste Land, Großbritannien hält
sich stabil auf Platz drei. Kanada und Japan teilen sich Rang vier. [….]
"Meine Eindrücke mögen da subjektiv sein, aber ich glaube dieser Unwillen “der” Amerikaner mit Nachbarn, Bekannten, Zufallsbegegnungen kontrovers zu diskutieren, ist einer der wesentlichen kulturellen Unterschiede zu Deutschland."
AntwortenLöschenDas sehe ich nicht ganz so. Wo dem so ist, laueft es unter dem 'Stay out of Trouble' Prinzip. Dies privat und geschaeftlich zu schaetzen ist sicherlich diskutabel.
"Amerikaner können smalltalk und sie sind generell wesentlich fähiger in Situationskomik und Selbstironie." Das kann ich unterschreiben. Selbst wenn ich jemanden mit meinem boesen Sarkasmus erwische, wird er mir doch ein "You got me"(und den muss ich nicht mal kennen) geben und ich wurde auch selbst schon zum 'Opfer. ........ Letzten Samstag war ich auf einem Veteranentreffen im ruralredneck OldFlorida auf einem wunderschoenen Grundstueck(uA. die typisch riesigen mit Spanish Moss behangenen Eichen) der gegenuberliegenden Methodist Church. Am Eingang wurde ich gefragt, ob ich Veteran bin, was kein Muss war, und ich mit meinem Soehnchen eh nur auf die mitlaufende Classic Carshow aus war.
Not an American, I'm a German Army Veteran .. Good enough .. Come on in .. und ich fand mich in einer unerwartet, relativ objektiven militaerisch'sozial'politischen Unterhaltung. Dieses 'Wunder moecht ich natuerlich so gar nicht verallgemeinern, aber ich habs genossen.
Gruss
Jake