Mehr
und mehr komme ich zu dem Schluss, dass Deutschland die Politiker zur Auswahl
bekommt, die es verdient.
Die
Beliebtheitsrankings zeigen eine Korrelation aus Bekanntheit und Wohlwollen.
Man
mag den, den man kennt.
Bei
einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und von
der Bundeszentrale für Politische Bildung durchgeführten Probebundestagswahl
für unter 18-Jährige stimmten die 215.000 Kinder und Jugendlichen mehrheitlich für Merkel und die CDU.
Jeder
kennt Merkel; sie wiegt einen in der (trügerischen) Hoffnung, daß sich nichts
ändern werde.
Die
CDU gibt für dieses Image Millionen aus, spannt eine der hippsten und bekanntesten
deutschen Werbeagenturen, nämlich Jung von Matt ein.
Was
kommt also raus, wenn man die kreativsten Köpfe Deutschlands mit
siebenstelligen Etats füttert?
[….]
#fedidwgugl [….] "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben". Dieser
Spruch steht auf großen und kleinen Plakaten der CDU, er ziert vor allem das
kleine und das große Porträt der Bundeskanzlerin, ist aber gleichzeitig so
erfreulich inhaltsfrei, dass er sich ohne Verlust auf die Buchstabenballung
fedidwgugl eindampfen lässt. [….]
(Willy
Winkler, SZ vom 16.09.2017)
Was für eine subtile Rache an allen, die noch von deutscher Leitkultur sprechen!
- #fedidwgugl – gehört auf den Anamnesebogen des Demokratie-Patienten Deutschlands.
- #fedidwgugl – gehört auf den Anamnesebogen des Demokratie-Patienten Deutschlands.
Man
fragt sich welche Partei #fedidwgugl widersprechen
würde.
FDP, für
ein Deutschland, in dem wir schlecht leben?
Die
LINKE, für ein Deutschland, in dem man nur äußerst ungern existiert?
Tatsächlich
passt #fedidwgugl als perfekter
Resonanzbogen zum Gedankenphlegma des Urnenpöbels, der schon ungern wählt, aber
noch viel weniger gern eine Parteimitgliedschaft bezahlt und am wenigsten gern
selbst für ein Amt kandidiert.
Nichtwählen
ist das einfachste.
Desinteresse
ist kommod.
Unwissen
ist bequem.
Nicht
beurteilen ist faul.
Kritik
ist wohlfeil.
Moralisieren
ist billig.
Dagegen-sein
ist wirklich kein Problem. Dafür-sein erfordert Mut und Widerstandskraft.
Wer
sich wie ich halbanonym im Internet vor Wahlen zu einer Partei bekennt,
kassiert schon reichlich Häme.
Als
reale Person in der Öffentlichkeit mit einem SPD-Abzeichen am Sakko und einem
SPD-Aufkleber am Auto sein Bekenntnis abzugeben, ist noch viel seltener und
führt zu noch unangenehmeren Attacken.
Den
nächsten Schritt, nämlich im Straßenwahlkampf einen SPD-Stand aufzubauen, gehe
ich schon nicht mehr mit, schiebe es vor mir selbst auf meine Sozialphobie.
An
den übernächsten Schritt, nämlich selbst kandidieren, sein eigenes Gesicht
plakatieren zu lassen, um sich zur Zielscheibe zu machen, kann ich noch nicht
mal denken. In dem Fall rechtfertige ich mich damit, ohnehin in Deutschland
kein aktives und passives Wahlrecht zu haben.
Es
braucht aber die Klasse der parteipolitischen Rampensäue, um die Demokratie zu
erhalten, um die Millionen im Phlegma Verharrenden zur Stimmabgabe zu
animieren.
Das
ist umso schwieriger, wenn man nicht zu den „Schönen“, wie Lindner und Suding
gehört, die neben ihrem Aussehen auch noch Inhalte transportieren müssen.
Martin
Schulz spielt nicht in der Beau-Liga Guttenbergs mit und muss daher auch
Konzepte präsentieren, die Gegenwart analysieren und allgemein verständliche
Lösungen kommunizieren.
Allein
steht er dabei nicht, sondern baut auf die Hilfe aus dem Willy-Brand-Haus.
Unglücklicherweise
sitzen dort scheinbar keine begnadeten Wahlkampfgestalter.
Man
kann dort keine Themen setzen und, schlimmer noch, nicht einmal überzeugende Argumente für die gesetzten Themen präsentieren.
Das
(bisher) schlechteste SPD-Bundestagswahlergebnis von 2009 verantwortete als
Generalsekretär Hubertus Heil.
Es
bleibt ein Würselener Geheimnis, weshalb Schulz auf den Gedanken verfiel, genau
diesen Mann, der seine völlige Unfähigkeit als Wahlkampfleiter bereits bewiesen
hatte, zum Chef seiner 2017ner Kampagne zu berufen.
(….) Hier verließ die Genossen leider das
Händchen. Ausgerechnet während ihr „Schulzzug“ auf das Abstellgleis rattert,
holt sich Herr Schulz dreieinhalb Monate vor der Bundestagswahl den denkbar ödesten
Kandidaten, der zudem auch noch bewiesenermaßen Wahlkampf nicht kann.
Hubertus
Heil, der niedersächsische Phlegmat, der schon für die trüben Bärtigen (Beck
und Platzeck) Wahlen verlor, wird jetzt die neue Barely.
[….]
Als Generalsekretär kehrt Heil zurück ins
Willy-Brandt-Haus. In die Parteizentrale hatte ihn 2005 der SPD-Chef Matthias
Platzeck schon einmal geholt. [….] Die Aufregung war bis zum Parteitag nicht
verflogen: Heil hielt eine denkwürdig schlechte Rede und fuhr mit 61,7 Prozent
ein ebenso denkwürdig mieses Ergebnis ein.
[….]
Nach Gabriels Wechsel ins Auswärtige Amt
wäre Heil ein möglicher Nachfolger im Wirtschaftsministerium gewesen - und
wurde wieder nichts.
[….]
Immerhin ist jetzt überhaupt mal jemand
an führender Stelle in der SPD, der Erfahrung mit einem Bundestagswahlkampf
hat. Auch wenn es bei Heil der von 2009 war. An dessen Ende landete die SPD bei
23 Prozent. […]
23%
also. Offensichtlich ist das die Zielmarke, die #Chulz anstrebt.
So
ist das als SPD-Mitglied. Kaum macht die Partei mal etwas halbwegs
Vernünftiges, haut irgendein Spitzengenosse was richtig Kontraproduktives raus.
(…..)
Als
er berufen wurde, erklärte Heil, er habe aus seinen 2009er Fehlern gelernt und
werde es besser machen.
Seitdem
habe ich nie wieder was vom ihm gehört. Offensichtlich suchte er sich im
Willy-Brandt-Haus ein gemütliches Plätzchen und schlummerte in einen tiefen
vorgezogenen Winterschlaf – wohlwissend, daß er als Sündenbock nach der Wahl
ohnehin gefeuert wird. Aber das macht nichts, denn über einen sicheren Listenplatz
wird er weiterhin Bundestagsabgeordneter sein und mutmaßlich
SPD-Wahlkampfmanager 2021 oder 2025 werden.
Es
sind jetzt nur noch gut sechs Tage bis zur Bundestagswahl und Herr Heil scheint
immer noch friedlich zu dösen. Ein Generalsekretär soll eigentlich zu den Mitgliedern
sprechen, aber als SPD-Mitglied habe ich nie etwas von ihm gehört. Sein zweiter
Job ist die Abteilung Attacke gegen die anderen Parteien, aber auch das ist
noch nicht zu ihm durchgedrungen.
Schließlich
ist er noch für Programmatik und Themensetzung zuständig.
Und
auch hier präsentiert er sich als Totalausfall.
Schulz
stolpert durch den Wahlkampf und seine Parteimanager Heil bekommt es gar nicht mit.
[….] Schulz
konnte sich nie erkennbar von der Kanzlerin absetzen, die mit seiner SPD vier
Jahre in einer großen Koalition verbunden war.
Die Linken-Politikerin
Sahra Wagenknecht kanzelte ihn auf dem Parteitag der Linken ab. Schulz hatte
keinen Kommentar dazu. Im sogenannten Kanzlerduell wollte Schulz Merkel vor
lauter Anständigkeit nicht angreifen und hatte keine Chance gegen die
gusseiserne Kanzlerin. Hatte er doch, meint ein langjähriger Wahlhelfer der
Partei. "Schulz hätte seine Kompetenz nach vorne spielen, einen großen
Plan für Europa vorlegen müssen." Was wird aus dem Euro, wie weiter mit
Griechenland, mit dem Brexit, mit Russland? Mit dem Schulz-Plan wäre er durch
Europa gereist und hätte ihn den Regierenden von Frankreich, Italien, Spanien
vorgestellt. "Er wäre jeden Tag in der 'Tagesschau' gewesen!"
Stattdessen habe er
sich auf die Innenpolitik festlegen lassen und sich mit einer wenig kleidsamen
Hygienehaube in der Fischfabrik in Rendsburg gezeigt. "Willy Brandt,
Helmut Schmidt und Gerhard Schröder hätten das nie gemacht", sagt der
Sympathisant. "Schulz kämpft nicht, er hat keinen Ehrgeiz." [….]
(Willy
Winkler, SZ vom 16.09.2017)
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