Sonntag, 17. Juli 2016

Man versteht es einfach nicht.

Als ich meine erste eigene Wohnung bezog, wollte ich natürlich wie jeder Teenager (damals zog man üblicherweise gleich mit 18 oder so von zu Hause aus und klebte nicht bis man grauhaarig wird noch bei Mami und Papi) alles mögliche ein bißchen anders machen, als ich es von vorher kannte.
Dazu gehörte sich ein Konto bei einer sympathischeren Bank als den großen alten Instituten zu suchen.
Dresdner Bank und Deutsche Bank hatten schließlich eine zweifelhafte Vergangenheit in der Nazizeit, machten Geschäfte mit dem Apartheidsregime in Südafrika.

Grundsätzlich ließ mich meine Mutter alles machen, aber daß ich von der Deutschen Bank weggehen wollte, versetzte sie regelrecht in Panik.

Ich mußte mir eine Menge Geschichten über ihre Bekannten anhören, die auch dachten sie könnten bei einer anderen kleineren Bank besser fahren und dann bei der Herstatt-Pleite alles verloren.

In der Tat war das wenig lustig für diejenigen, die dort ihr Geld hatten.
Die Kölner Privatbank hatte in den 1970er Jahren fröhlich mit Devisen spekuliert und war dadurch 1974 spektakulär pleite gegangen.
Sogenannte „Goldjungs“ umgingen die damaligen Begrenzungen für Währungsspekulationen durch Strohmänner und setzten ein gewaltiges Wachstum der Bank in Gang.
Als sich der Dollar nicht so entwickelte wie die Kölner Goldjungs dachten, wuchsen die Verluste rasant an; im Juni 74 entzog die Bankenaufsicht Herstatt die Bankenlizenz; die Schalter wurden geschlossen.
Letztendlich erhielten die Privatkunden durch eine Finanzspritze Hans Gerlings, der dafür seinen halben Versicherungskonzern verkaufte, bis zu 80% ihrer Sparkonten zurück.
Aber schön ist so eine Unsicherheit nicht und natürlich würde man auch lieber 100% seines eigenen Geldes behalten.

Laut meiner Mutter sollte ich daher mein Sparbuch weiterhin bei der Deutschen Bank einrichten. Denn die Deutsche Bank könne gar nicht pleite gehen; dafür wäre sie zu groß.
Der Begriff „too big to fail“ war wohl noch nicht erfunden, aber es war in den 1980ern nicht falsch so zu denken.
Die Deutsche Bank war im Grunde dasselbe wie die „Deutschland AG“. Sie war gewaltig groß und hatte überall ihre Finger drin.
Deutsche Bank-Filialen gab es wie Sand am Meer, in jeder Nachbarschaft.
In den 90er Jahren betrieb die Deutsche Bank AG über 2.000 Filialen im Inland und betreute über 10 Millionen Privatkunden.
Es gab sogar Top-Banker wie Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher ab 1985, die ganz angenehme Menschen waren.
Herrhausen engagierte sich stark für einen Schuldenerlass der Dritte-Welt-Länder, wollte eine moralische Bankenpolitik, setzte sich für Transparenz ein.
Irgendwie absurd, daß die RAF 1989 ausgerechnet ihn ermordete.
Mit Kopper und Breuer kamen anschließend ganz andere Typen an die Macht der zeitweilig größten Bank der Welt.
Die zehn Millionen Privatkunden interessierten nicht mehr, weil sie nur kleine Spareinlagen boten und dafür relativ viel Personal gebraucht wurde.
Wer unter 100.000 DM verdiente, wurde in die „Deutsche Bank24“ ausgegliedert.
Breuer, der immer nicht nur der größte und mächtigste, sondern auch der schönste deutsche Banker sein wollte, gönnte die alte prestigeträchtige Bankleitzahl „X0070000“ nur noch den Investoren.
Seine Bank wurde zum größten Devisenhändler des Planeten.
Joe Ackermann ging im Kanzleramt ein und aus, benutze Merkels Privataufzug, feierte Geburtstagssausen im Kanzleramt, schob seinen Manager-Kollegen Millionen zu und verordnete das große Investmentbanking mit jährlich 25% Rendite.
Da konnten Oma Kalupke von nebenan und der Student mit seinem dreistelligen Beträgen auf dem Girokonto nur stören.
Wir als Privatkunden merken das und sollten das merken.
Erst die Billig-BLZ, dann wurden die Schalter verkleinert und man sollte seine Angelegenheiten draußen am Automaten selbst erledigen.
Schließlich die Filialschließungen.
Was nervte man da überhaupt rum mit seinen paarhundert, paartausend Euronen?
Soll sich die Sparkasse um den Billig-Plebs kümmern.
Die Filialschließungen begannen im großen Maßstab.

Ackermann verschob lieber 10- und elfstellige Summen über jugendliche Investmentgenies in London und New York.

Kleinsparer stören die Deutsche Bank beim Geldverdienen – die 14 Millionen der Postbank müssen als Erste gehen.
Für einen Moment gerät Anshu Jain geradezu ins Schwärmen. "Das ist ein erstklassiges Unternehmen", sagt er. "Es hat ein hervorragendes Management und eine starke Marke", ergänzt der Brite mit den indischen Wurzeln. Bloß dass der Co-Chef der Deutschen Bank nicht über sein eigenes Haus redet, sondern über dessen Tochter, die Postbank. Die will er nun bis Ende des kommenden Jahres loswerden. Jain lächelt unbeholfen, er weiß, dass er die Postbank anpreisen muss, wenn er dafür Käufer finden will, doch jedes weitere Argument wirft die Frage auf: Wenn die Tochter so hübsch ist, warum gibt die Mutter sie dann her?
(Arne Storn 29. April 2015)

Bekanntlich endete das Großmannsdenken mit Anshu Jain, Jürgen Fitschen und John Cryan, die 2015 auch die 14 Millionen Postbank-Kunden abstießen mit Megaverlusten.
Dabei hatte Ackermann im Jahr 2011 angekündigt die operativen Gewinne seiner Bank bei über 10 Milliarden Euro jährlich anzusetzen.

Im Jahr 2015 „erwirtschaftete“ die Deutsche Bank stattdessen einen Rekordverlust von 6,7 Milliarden Euro.

Ausbaden sollen es, wieder einmal, die Privatkunden.
Es werden Filialen geschlossen, Kundenbetreuer der untersten Gehaltsklassen rausgeworfen.

188 der bundesweit 723 Standorte werden geschlossen, 30 ländliche Standorte werden in "Finanzagenturen" umgewandelt.
Die Deutsche Bank will sparen und reagiert nach eigenen Angaben außerdem darauf, dass immer mehr Kunden Online-Banking nutzen.
Im Zuge ihres Sparkurses will die Deutsche Bank knapp 3000 Vollzeitstellen wegfallen. [….]

Auch „meine Filiale“ gegenüber wird nun zugemacht.


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