Angesichts
des zunehmend vergifteten Klimas in der GroKo, insbesondere zwischen den C-Schwestern,
kommt ein gemeinsamer Gegner wie gerufen.
Die
Methode funktionierte schon im 19. Jahrhundert. Gab es zu Hause
Unzufriedenheit, drohten gar Unruhen, zettelte man einfach einen Krieg an und
alles stürzte sich auf den „äußeren Feind“.
„Ich kenne keine
Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!“
(Kaiser
Wilhelm II., 04.08.1914)
Heute
stürzen sich die verschiedensten Gegner der Merkelschen Flüchtlingspolitik auf
den türkischen Präsidenten.
Seehofer,
Schulz und de Maizière ein Herz und eine Seele, wenn es gegen die Türken geht.
Die
wollen wir nicht und die können es sich abschminken ungehindert in der EU
umherzureisen.
Dabei
sah es Ende April noch so gut aus.
Noch vor zwei Wochen
schien alles auf bestem Wege zu sein. Der türkische Ministerpräsident Ahmet
Davutoglu, der den Deal im März mit der EU ausgehandelt hatte, machte im
Parlament von Ankara Druck, um die Kriterien der Europäer für die zugesagte
Visafreiheit im Juni zu erfüllen. Im Gegenzug für die Mitarbeit der Türkei bei
der Reduzierung der Flüchtlingszahlen hatte die EU die Reisefreiheit für Türken
im Schengen-Raum in Aussicht gestellt. Visafreies Reisen ist ein Traum für
viele türkische Normalbürger, die derzeit viel Zeit, Geld und Nerven für eine
europäische Reiseerlaubnis investieren müssen.
Alles
vorbei.
Zum
Entsetzen der deutschen Kanzlerin droht ihre gesamte Migrantenstrategie wie ein
Kartenhaus zusammen zu fallen – und Vertreter aller drei GroKo-Parteien
schwingen die Abrissbirne.
EU-Parlamentspräsident
Martin Schulz macht der Türkei keine Hoffnung, die geplante Visafreiheit für
Türken bis Juli umzusetzen. "Sie ist zumindest bis Juli nicht im Parlament
verabschiedet", sagte Schulz im Deutschlandfunk. Es sei "absolut
außerhalb jeder Diskussion", dass die Abgeordneten Beratungen über ein
Vorhaben beginnen würden, für das die Voraussetzungen fehlten.
[…]
Auch de Maizière skeptisch
Dieser sei offenbar
"nicht bereit, die Kriterien zu erfüllen", sagte de Maizière einem
Medienbericht zufolge. "Wenn nicht, dann wird es keine Visafreiheit
geben".[…]
Warum
sind auf einmal alle so garstig?
Menschenrechtsgruppen
und die deutsche Oppositionen kritisieren den schmutzigen Erdogan-Deal ohnehin
extrem scharf.
Aber die
„Bürgerlichen“ in der Groko haben keine anderen Pfeile mehr im Köcher.
Wieso
riskieren sie die Implosion ihrer Politik?
Ich sehe
dafür drei Gründe.
Die
generelle Türkenphobie und die Antipathie gegenüber des Präsidenten.
Das
wohlige Gefühl gemeinsam auf einen anderen eindreschen zu können.
Erdogans täglich schriller werdende Tonlage, die in der Tat außerordentlich
abstoßend ist.
Für kritische Stimmen
aus Europa halten Erdogan und seine Gefolgsleute eine Antwort parat: Sollte die
Visafreiheit ausbleiben, „dann schicken wir die Flüchtlinge los“, warnte
Erdogans Berater Burhan Kuzu auf Twitter.
Es ist
also gut nachzuvollziehen, wenn sich deutsche Politiker von ganz links (Sevim Dağdelen) über Mitte (Martin Schulz)
bis rechts (de Maiziére) auf einmal einig sind im Ankara-Antagonismus.
Allein,
sie haben alle Unrecht.
Erdogan ist
nun einmal der rechtmäßige Präsident der Türkei. Er ist der
Verhandlungspartner.
Ob es in
das Freund-Feind-Schema passt oder nicht; die Türkei leistete bisher viel mehr
bei der Aufnahme Syrischer Flüchtlinge als alle anderen 28 EU-Nationen
zusammen.
Die
Großherzigkeit der Türkei, des Libanons und Jordaniens sollte alle
EU-Regierungen in Sack und Asche gehen lassen.
Stattdessen
drohen sie mit erhobenen Fingern gen ihres NATO-Partners Türkei.
Erdogan ist mir
ungefähr so sympathisch wie Fußpilz, aber dennoch hat er bezüglich der
Flüchtlinge RECHT!
Dass die Türkei 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe, "das interessiert niemanden", sagte der Staatspräsident in Anspielung auf die Spekulationen aus der vorigen Woche, Merkel könnte wegen ihres Engagements in der Flüchtlingskrise den Friedensnobelpreis bekommen.
Erdogan - den das Magazin "Foreign Policy"
kürzlich als "anatolische Version des russischen Präsidenten Wladimir
Putin" beschrieb - ist sehr bewusst, dass sein Land in der
Flüchtlingskrise eine Schlüsselrolle spielt. Und aus den zahlreichen Bitten der
Europäischen Union könnte er nun auch innenpolitisch Kapital schlagen
Denn ganz ohne Gegenleistung dürfte die Türkei der EU
kaum entgegenkommen. Hohe Priorität hat für Ankara insbesondere ein Wegfall der
Visapflicht für ihre Bürger für den Schengen-Raum. Sollte Merkel bei ihrem
Besuch Signale in diese Richtung aussenden, dürften Erdogan und
Ministerpräsident Ahmet Davutoglu das auch direkt in politisches Kapital im heimischen
Wahlkampf ummünzen.
(dpa, afp,
16.10.15)
Die Türkei hat
allen Grund wütend auf die EU zu sein.
Über Jahre
mußte der Staat am Bosporus die westliche Nahost-Politik ausbaden, wurde völlig
allein gelassen mit Millionen Flüchtlingen aus Syrien.
Und
schließlich, was ist das für ein Menschenbild; Visa-Zwang für Türken,
während alle EU-Bürger natürlich VISAFREI in der Türkei Urlaub machen?
Sind
Westeuropäer etwa Menschen erster Klasse, die sich frei in der Türkei bewegen
dürfen, während die zweitklassigen Türken nur unter Auflagen Urlaub machen
dürfen?
In der
Türkei leben 75 Millionen unterschiedliche Menschen, nicht 75 Millionen
Erdogans, die für ihren Präsidenten bestraft gehören.
Es war ein Fehler, den
Flüchtlings-Deal mit der Visumfrage zu verknüpfen
[…] Erdoğan
ist einer, der von Meinungs- und Pressefreiheit nicht viel hält. Er ist einer,
der Demonstranten einsperren und seine Gegner als Terroristen verurteilen
lässt. Aber: Soll man die Türken für die Politik ihres Staatschefs strafen -
und ihnen deswegen die Visumfreiheit verweigern? Can Dündar, der Chefredakteur
der Zeitung Cumhuriyet, den Erdoğan wegen "Spionage" zu fünf Jahren
und zehn Monaten Gefängnis verurteilen ließ, hat in der Visumfreiheit eine
starke Klammer zwischen der Türkei und Europa gesehen. Will man das
konterkarieren? Sollen die Europagegner in der Türkei noch mehr Oberwasser
kriegen?
Die Visumfreiheit ist
genau genommen keine Belohnung für Erdoğan; sie ist eine Geste der Anerkennung
für die Menschen in der Türkei: Es geht um Augenhöhe. Die Visumfreiheit wird
ihnen seit Jahren versprochen. Deutsche haben alle Freiheiten bei der Einreise
in die Türkei; Türken bei der Einreise nach Deutschland nicht. Üblicherweise
gilt das Prinzip der Reziprozität: Wenn Reisefreiheit in die eine Richtung
gilt, dann gilt sie auch in die andere.
Im Verhältnis zur
Türkei ist das Prinzip außer Kraft gesetzt; das ist Schikane. Diese Schikane
trifft drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland; sie
trifft auch die deutsche Wirtschaft, weil sie Joint Ventures erschwert. […]
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