Diese Machosprüche des Grundschullehrers Sigmar Gabriel aus Goslar
nerven mich aber richtig! Und den Unsinn haut er auch noch über die hetzerische
BILD-Zeitung raus:
„Die Spieltheoretiker der griechischen Regierung sind gerade dabei, die Zukunft ihres Landes zu verzocken. (…) Überall in Europa wächst die Stimmung ES REICHT“
Gabriel
und Schäuble könnten froh sein, wenn sie auch nur einen Funken des
finanzpolitischen Verstandes des international renommierten Ökonomie-Professors
Varoufakis hätten.
Das ganze
Griechenland-Drama könnte seit Jahren vorbei sein, wenn Merkel nicht so
hartnäckig von Anfang an rein ideologische und unrealistische Politik gemacht
hätte.
Ihr ging
es immer darum ihre konservative Basis zu umschmeicheln, deutsche
Waffenschmieden und steinreiche Banker zu schützen.
All das
Theater für eine vergleichsweise kleine Schuldensumme, die Merkel nicht den
Bankern überlassen wollte, die sich genau mit diesen Risiken ihre Renditen
finanzieren.
Wie
üblich sollten Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.
Durch
Merkels kontraproduktives Austeritätsdiktat wurde Athen das Genick gebrochen.
Viel sinnvoller
wäre es gewesen schon vor Jahren einmal die Schulden abzuschreiben. Die Banken,
die über Jahrzehnte prächtig mit den enormen Zinsen auf griechische
Staatsanleihen verdienten, hätten es überlebt.
Wie hieß
noch mal dieses andere Land, das einst so fürchterlich in der ökonomischen
Misere steckte, daß die anderen ihm die Schulden erließen, um wieder auf die
Beine zu kommen?
Ach ja: Deutschland. Nach 1945.
Ach ja: Deutschland. Nach 1945.
Nach Kriegsende
war Deutschland wirtschaftlich so am Boden, daß von 1948 bis 1952 das European
Recovery Program (bekannt als „Marshallplan“) in Kraft trat. In diesen Vier
Jahren pumpten allein die USA nach heutigem Wert rund 130 Milliarden Dollar
über den Atlantik.
Deutschland
wurde das gewährt, was man heute einen „Schuldenschnitt“ nennt.
Bis heute hat
die Bundesrepublik Deutschland zwangseingetriebene Kredite aus Griechenland
nicht zurückgezahlt.
Aber
durch die Gaga-Politik aus dem Kanzleramt, der EU und dem IWF wurde Athen
stattdessen gezwungen immerfort neue Kredite zu erbetteln, um damit alte Kredite
abzuzahlen.
In
dieser Merkelschen Schildbürgerspirale entwickelte sich das Grexitoklesschwert,
welches selbstverständlich dafür sorgte, daß Investoren, Banken und Privatleute
ihr Geld kontinuierlich aus Griechenland abzogen.
Könnte ja sein, daß es dort eines Tages keinen Euro mehr gibt.
Könnte ja sein, daß es dort eines Tages keinen Euro mehr gibt.
So ging
der Hellas-Wirtschaft endgültig die Luft aus.
Der
Bundeswirtschaftsminister bedient nun in Europas größtem Schmierenblatt – man erinnere
sich an die BILD-Überschrift „IHR GRIECHT NIX!“ – dumpfe ausländerfeindliche
Emotionen, während ausgerechnet Claudia Roth ihm unemotional Nachhilfe in
Ökonomie geben muß.
Es geht um die
drohende weitere Verarmung Griechenlands. Es geht aber auch um das Projekt
Europa und da muss auch die andere Verhandlungsseite doch absolut im Blick
haben. Denn was würde denn passieren, wenn tatsächlich Griechenland, wenn der
Grexit kommen würde? Es würde für Italien und Spanien eine Abwärtsspirale
bedeuten, es würden Spekulationen gegen den Euro losgehen, es wäre unklare
Folgen für das Weltfinanzsystem, ein unkalkulierbares Risiko für die
Weltwirtschaft. Und übrigens: Ein Grexit würde Deutschland am Ende viel teurer
kommen, als jetzt Griechenland zu retten.
Ich kann mich gut
erinnern, dass Frau Merkel einst 2010 gesagt hat, scheitert der Euro, scheitert
Europa. Der Euro steht für die europäische Idee und würde es jetzt scheitern,
wäre das tatsächlich der erste Schritt Richtung Scheitern des Projekts Europa
und es wäre zum ersten Mal seit 1950, dass sich Europa nicht weiter in Richtung
einer Integration entwickelt, sondern in Richtung eines Auseinanderbrechens.
Brutal gefährlich, ein verheerendes Signal in einer Zeit, wo die Welt um Europa
in Flammen steht.
Fast
wünscht man sich Helmut Kohl zurück, weil man sich einbildet noch nicht mal er hätte
sich so Ökonomie- und Europa-feindlich verhalten.
Was
reitet unsere Bundesregierung bloß?
Offenbar agieren sie völlig von den Tatsachen entrückt; nur noch der BILD-lesenden Mehrheit schielend.
Offenbar agieren sie völlig von den Tatsachen entrückt; nur noch der BILD-lesenden Mehrheit schielend.
Geht der Erste, gehen
viele
Wer Griechenland
rettet, hilft ganz Europa. Wer Griechenland aufgibt, gefährdet den Fortbestand
der Europäischen Union.
Die Europäische Union
wird seit einigen Jahren, genauer seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2009,
permanent mit immer neuen Krisen konfrontiert. […] Die EU vermag darauf meist nicht angemessen zu reagieren. […] Diese offensichtliche Unfähigkeit, die ein
Ergebnis nicht von "zu viel Europa", sondern gerade im Gegenteil von
"zu wenig Europa" ist, hat allerdings eine Konsequenz: Sie verschärft
die innere Legitimationskrise der Europäischen Union. […] Es kann in den kommenden Monaten aber noch
wesentlich härter kommen für die EU. Denn bereits heute ist absehbar, dass es
innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre zwei weitere dramatische Zuspitzungen
geben wird: das britische Referendum über die weitere Mitgliedschaft
Großbritanniens in der EU sowie die Parlamentswahlen in Spanien im kommenden
Herbst, die durchaus zu einem griechischen Ergebnis führen können. […] Damit wäre plötzlich die gesamte Existenz der
EU sehr ernsthaft bedroht. Denn sollte dieser schlimmste Fall von Ereignissen
eintreten, so wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem
sich daran anschließenden Erdrutsch zu rechnen: inklusive weiterer Austritte
aus der EU.
[…] Sechzig Jahre erfolgreiche europäische
Integrationsgeschichte könnte dadurch infrage gestellt werden, das gesamte
europäische Projekt könnte zerfallen. Denn in den meisten Mitgliedstaaten
würden alle euroskeptischen und nationalistischen Kräfte den Austritt ihres
Landes aus der EU oder gar deren Zerstörung ins Zentrum der jeweiligen
nationalen Wahlen rücken - und dies mit wachsender Aussicht auf Erfolg.
[…] Die Verhinderung des Grexits muss aus
europäischer Sicht (und nicht nur aus griechischer) eindeutig prioritär sein. […]
Wir
müssen wohl alle hoffen, daß Merkel nach zehnjähriger Kanzlerschaft wie ihr
großes Vorbild Helmut Kohl schon an ihre Rolle in den Geschichtsbüchern denkt
und hoffentlich doch nicht als diejenige dastehen will, die es hauptsächlich zu
verantworten hat, daß das größte und bedeutendste Friedensprojekt des Planeten
zertrümmert wird, weil ein paar raffgierige Banker einen so großen Einfluss auf
die Kanzlerin haben, daß sie jeden politischen Anstand fahren lässt.
Mit von
der BILD gefälschten Zahlen agieren unterdessen Top-CDU-Politiker bei Jauch und
echauffieren sich gegen Tsipras und Varoufakis.
Der CDU-Politiker
Wolfgang Bosbach empört sich bei Günther Jauch über das niedrige
Renteneintrittsalter in Griechenland, das angeblich bei 56 Jahren liegen
soll. Die […] Bild-Zeitung hatte die falsche Zahl in der vergangenen Woche in
mehreren Artikeln verbreitet. Das Watchblog Bildblog und Medienjournalist
Stefan Niggemeier deckten den Fehler auf und stellten klar, dass sich das
Renteneintrittsalter in Deutschland und Griechenland kaum unterscheidet.
Dabei
sind die so verachteten Aussagen der griechischen Spitzenpolitiker zwar
deutlich, aber vor allem auch eins: Nämlich schlicht und ergreifend völlig
richtig:
[….]
Für Griechenlands Regierungschef Alexis
Tsipras wären Rentenkürzungen aber offenbar eine Grenzüberschreitung. Er
kritisierte erneut das Beharren der internationalen Geldgeber auf weitere
Kürzungen. Hinter der Forderung könne man nur politische Absichten erkennen,
zitierte die linksgerichtete Athener Zeitung Efimerída ton Syntaktón den
Politiker. Griechenland werde dennoch "geduldig warten", bis die
Gläubiger "realistischere" Forderungen stellten, sagte Tsipras
weiter. "Wir werden geduldig warten, bis die Institutionen in der Realität
ankommen." Die Institutionen, das sind die EU-Kommission, die Europäische
Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF), früher mal
bekannt als Troika. Diesen warf er "fünf Jahre Plünderei" vor.
Ähnlich äußert sich
Finanzminister Yanis Varoufakis. Athen habe den Gläubigern mehrere alternative
Vorschläge für Sparmaßnahmen gemacht. Diese aber bestünden weiter auf
Rentenkürzungen. Sein Land werde dem nie zustimmen. Griechenland habe den
Institutionen gesagt: "bis hier und keinen Schritt weiter", hieß es.
Varoufakis brachte
erneut einen Schuldenerlass ins Gespräch. Er würde sofort Ja sagen und auf
weitere Hilfsgelder verzichten, wenn die internationalen Gläubiger einen
Schuldenschnitt anbieten würden, sagte er der Bild-Zeitung. Sein Land brauche
eine Umschuldung. "Nur so können wir die Rückzahlung von so viel Schulden
wie möglich garantieren und auch leisten."
Trotz der
festgefahrenen Gespräche könne eine Einigung "in einer Nacht
erreicht" werden, sagte Varoufakis weiter. "Aber: Die Kanzlerin muss
dabei sein", fügte er mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel hinzu.
Nach dem gescheiterten Vermittlungsversuch sieht Varoufakis die Geldgeber am
Zug: "Endlich sind wir an den Punkt gelangt, wo die Partner Entscheidungen
treffen müssen", sagte Varoufakis dem Sender der regierenden Linkspartei
Syriza Sto Kokkino.
[….]
Es wäre
ganz schön wenn Bosbach, Schäuble, Gabriel und Co endlich mal ein paar Fakten
zur Kenntnis nähmen.
Hätten
sich diese irren Chauvis nicht seit Jahren gegen eine unvermeidliche Realität
gestemmt, wäre die jetzige Misere nie so schlimm geworden.
Griechenland
wird wie so viele andere Länder seine Schulden nie zurückzahlen.
Willkommen
in der Realität! Deutschland und die USA sitzen auf noch viel gewaltigeren
Schuldenbergen und auch dieser werden garantiert nie abgezahlt werden.
Bekanntlich
hat Deutschland aber auch schon wieder weit über zwei Billionen neue Schulden
angehäuft.
Es
gibt verschiedene Berechnungen; meist wird auf die des Bundes der Steuerzahler verwiesen.
Demnach wachsen Deutschlands Schulden PRO
SEKUNDE um 175 Euro und betragen derzeit rund 2.050 Milliarden Euro = 2.050.000
Millionen Euro = 2.050.000.000.000 Euro.
Das
entspricht rund 25.000 Euro pro Kopf.
Zurückgezahlt
wird das sicherlich nie, denn Schulden sind auch etwas Gutes. Darauf werden
Zinsen gezahlt und von den Zinsen leben diejenigen, die behaupten ihr Geld
arbeite für sie. Von den Schulden leben auch diejenigen, die eine
kapitalgedeckte Rentenversicherung oder eine Lebensversicherung abgeschlossen
haben.
Die
Schuldenuhr der USA steht gegenwärtig bei etwa 18,5 Billionen Dollar, also bei
57.000 Dollar pro Kopf und wächst um 34.000 Dollar pro Sekunde.
Das
entspricht 17 Billionen Euro. 17.000 Milliarden = 17.000.000 Millionen =
17.000.000.000.000 Euro.
Griechenland
hat rund 300 Milliarden Euro Schulden.
Das
sind etwa 15% der Deutschen Schulden.
Das
sind knapp 2% der amerikanischen Schulden.
Die
Griechen werden diese vergleichsweise mickrigen 300 Milliarden vermutlich nie
zurückzahlen können. Genauso wenig wie Deutschland oder Amerika ihre Schulden
jemals loswerden.
Aber
Griechenland soll jetzt endgültig ausgequetscht werden.
Klappen
wird die im Kanzleramt ersonnene Eselei keinesfalls.
[….]
Gebärden sich die Griechen bei den
Verhandlungen mit ihren Gläubigern als rücksichtslose Zocker? Nein, im
Gegenteil, sie argumentieren bewundernswert stringent: Ohne Schuldenschnitt
kann es keine sinnvolle Einigung geben.
Aus deutscher Sicht
gibt es zwei Lösungen der Griechenland-Krise. Entweder verlieren wir die ganzen
80 Milliarden Euro an Griechenland-Krediten. Oder wir verlieren nur einen Teil
davon. Es ist die offizielle Position der Bundesregierung, dass sie unbedingt
alles verlieren will. Es verbleiben jetzt nur wenige Wochen, in der wir die
bislang größte deutsche Lebenslüge des 21. Jahrhunderts korrigieren können.
Ich finde es immer
wieder erstaunlich, wie tief diese Lebenslüge in der deutschen Gesellschaft
verankert ist. Es wundert mich nicht, dass Angela Merkel in den Jahren 2010 und
2012 die Griechenland-Krise mit unrealistischen Auflagen unter den Teppich
kehrte. Erstaunlicher ist, dass ihr heutiger Regierungspartner, die SPD, dem
nichts entgegensetzte. Merkel hat sich mit dem Griechenland-Kredit verzockt,
und keiner sagt etwas.
[….]
Wenn Schulden nicht nachhaltig sind, dann
kommt es immer und überall zum Schuldenschnitt. Genau dort stehen wir jetzt.
Griechenland bewegt sich auf den unausweichlichen Bankrott zu. [….] Vizekanzler Sigmar Gabriel hat im Übrigen
unrecht mit seiner Bemerkung, dass die griechischen Spieltheoretiker die
Zukunft des Landes verzockt hätten. Ich glaube dem griechischen Finanzminister
Giannis Varoufakis seine Aussage, dass er, der Spieltheoretiker, schon recht
früh zu dem Schluss gekommen sei, dass die Spieltheorie in diesen Verhandlungen
nicht anwendbar sei. Die Griechen spielen mit offenen Karten. Das ist es ja
gerade, was die Verhandlungspartner so irritiert. Die Griechen sagten im
Februar: keinen Deal ohne Schuldenschnitt. Und sie sagen genau dasselbe auch
jetzt noch. [….]
Wenn
Deutschland bloß einen Finanzminister mit einem Funken Anstand und ökonomischen
VERstand hätte.
Die DDR von damals ist
das Griechenland von heute. Das Land ist wirtschaftlich am Ende. Doch statt
alles daran zu setzen, unter "Solidarität zwischen ihren Völkern" die
Vereinigung Europas zu forcieren, bereitet Schäubles Ministerium Pläne für den
Grexit vor und stachelt andere EU-Partner an, das Gleiche zu tun. Der deutsche
Finanzminister gefällt sich in der Rolle des Prinzipienreiters und
Zuchtmeisters. Seine Botschaft: Griechenland muss liefern.
Ja was denn?
Griechenland kann nicht liefern. Wenn Schäuble bei der Wiedervereinigung
dieselben Maßstäbe angelegt hätte und von einem auf ganzer Linie insolventen
Land Wirtschaftswachstum, Schuldenabbau und Reformen als Voraussetzung für den
Einigungsvertrag verlangt hätte, wären wir heute noch nicht wiedervereint.
Was damals bei der
deutschen Einheit ging (Kosten bislang knapp zwei Billionen Euro), soll heute
bei der europäischen Einheit nicht gehen (Kosten ein Bruchteil davon, noch dazu
getragen von der gesamten EU, nicht nur von Deutschland), weil Schrebergärtner
Schäuble als größter Parzelleninhaber bestimmen will, dass der Rasen der
kleineren Gärten genauso akkurat geschnitten ist wie sein eigener. Die EU ist
aber keine Schrebergartenkolonie. Und Griechenland muss nicht gezüchtigt werden.
(Janko
Tietz SPON 15.06.15)
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