Dienstag, 16. Juni 2015

Jetzt gibt es Ärger



Der frühere CDU-Stadtverordnete in Frankfurt und das einstige CDU-Vorstandsmitglied Michel Friedmann sagte einmal, solange er mindestens 51% des Parteiprogramms zustimme, könne er Mitglied seiner Partei sein und begreife es als seine Aufgabe den Rest der Partei von seinen abweichenden Ansichten zu überzeugen.
Dies könne er am besten im Vorstand erreichen.
Ohne ironisch zu sein: Ich halte das für eine ehrenwerte Einstellung.
Tatsächlich argumentierte Friedmann mehrfach engagiert und mutig gegen xenophobe und intolerante Ansichten in der CDU. Ab 1994 kämpfte er somit auf Augenhöhe gegen den tumben Helmut Kohl für die multikulturelle Gesellschaft, die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und das Einbürgerungsrecht. Sollte er damit auch nur ein tumbes CDU-Mitglied von homophoben oder xenophoben Gedanken abgebracht haben, gebührt Friedmann Dank!
Das gilt auch für schwule CDU-Präsidiumsmitglieder wie Jens Spahn.
Die Frage ist natürlich, ob man nicht in anderen Parteien viel mehr erreicht.
Und es gibt Grenzen.
Als im Jahr 2000 der Maximallügner und stets am ganz kackbraunen Rand agierende Roland Koch zig Millionen Schwarzgelder als „jüdische Vermächtnisse“ zu deklarieren suchte, trat Friedmann aus dem hessischen CDU-Landesverband aus und wechselte zu seinem Kumpel Peter Müller in die Saar-CDU; heute Heimat der homophoben Kramp-Karrenbauer.
Bekanntlich sank Friedmanns moralisches Ansehen rapide, als im Jahr 2003 sein Koks- und Nuttenkonsum bekannt wurde.
Seine liberaleren Ansichten behielt er allerdings und so fragt man sich beständig wie er es bei dieser ewiggestrigen Partei aushält, die immer noch so unumwunden ausländerfeindliche Stimmung verbreitet.
Sind da immer noch < 51% Übereinstimmung mit dem CDU-Programm?

Ich gehöre auch zu der winzigen Minderheit von gerade mal gut einem Prozent der in Deutschland lebenden Menschen, die einer Partei angehören.
Nach wie vor bin ich fest davon überzeugt, daß man so am besten Einfluss nehmen kann. Parteien bestimmen die Politik.
Abgesehen davon, daß ich in Deutschland nicht wählen darf und mir daher meine Parteimitgliedschaft auch als Ersatzmethode fungiert hier politischen Einfluss zu nehmen, verstehe ich gar nicht wieso überhaupt Menschen NICHT Parteimitglieder sind und auf diesen direkten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern verzichten.
Friedmanns problematische 51%-Grenze streife ich noch nicht mal – dem SPD-Parteiprogramm kann ich weitgehend zustimmen.
Das was mich gerade an der Union am meisten stört, ihre gesellschaftliche Rückständigkeit und die Lust am Diskriminieren, sind in meiner Partei ohnehin verpönt.
Solche üblen Typen wie Kauder, Steinbach oder Koch gibt es in der SPD gar nicht.
Und wenn mal einer unter 500.000 verrückt wird, wie beispielsweise Thilo Sarrazin, ist auch Schluß mit Funktionen und Pöstchen in der Partei.

Daß es unter 500.000 auch unter den Top-Vertretern einige gibt, die ich für unsympathisch (Thierse), dumm (Nahles) oder wahnsinnig (Griese) halte, liegt in der Natur der Sache einer Massenpartei.
Bedauerlicher ist schon, daß es ausgerechnet der Parteivorsitzende ist, den ich gegenwärtig so gar nicht leiden kann.

Wieso verhält er sich eigentlich so merkelesk?

Griechenlandbashing.
TTIP-Befürworter.
Vorratsdatenspeicherung.
Einknicken bei den Selektoren.
Einknicken bei Snowden.

Im K.O.alitionvertrag wurden schon einige Kröten geschluckt (Homoehe, Doppelte Staatsbürgerschaft, Vermögenssteuer, etc), aber da konnte man natürlich argumentieren, daß die CDU fast doppelt so viele Sitze hatte und ein dementsprechend großes politisches Gewicht in die Regierung einbringt.
Aber nachdem dieser Vertrag nun ausgehandelt, unterschrieben und weitgehend abgearbeitet ist, verstehe ich nicht, wieso Sigi weiter der CDU nachläuft.

Journalisten rätseln ebenfalls.
Was hat er nur, der Wirtschaftssuperminister?

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung spekuliert, der SPD-Chef wolle einen Keil zwischen Merkel und die Unions-Fraktion treiben. Doch wäre es ein kühnes Manöver, wenn der SPD-Chef versuchen sollte, die Kanzlerin gleichsam rechts zu überholen. Deutlich wahrscheinlicher sind zwei andere Motivationen: Gabriel kennt die Umfragewerte und weiß, dass eine Mehrheit der Deutschen eine Griechenland-Rettung skeptisch sieht.
Vor allem hat der SPD-Chef kein Interesse daran, dass mit der Syriza eine Partei für möglichst radikale Forderungen belohnt wird. Das nämlich wäre ein fatales Signal für die Sozialdemokraten in Spanien, Portugal und letztlich auch hierzulande. Ein Sieg von Syriza wäre „das Zeichen, dass man mit nationalen Interessen Europa erpressen kann“, warnt Gabriel in der Bild-Zeitung.

Das sind beides mögliche Erklärungen.

Ich glaube auch, daß Merkel davor zurückschrecken wird als die Kanzlerin in die Geschichte zu gehen, die erstmals in 60 Jahren ein Land aus der EU drängte, womöglich den entscheidenden Schritt zum Scheitern Europas geht.
Und all das aus kleingeistiger Furcht vor den eigenen Wählern. Denn immerhin geht es nur um überschaubare Summen.

Es könnte tatsächlich passieren, daß sich Januskopf Schäuble von seiner Arroganz und Bosheit gegenüber Griechenland übermannen läßt und dann in fürchterlichen Streit mit seiner Chefin gerät.

Es könnte tatsächlich passieren, daß sich vom griechophoben Mob gefeierte CDU-Parlamentarier wie Wolfgang Bosbach von der Kanzlerin lossagen und Merkel als CDU-Chefin dann blamiert dasteht.

Für wesentlich wahrscheinlicher halte ich allerdings, daß die Meckerfraktion im Kanzlerwahlverein wie üblich einknickt, Merkel das Problem aussitzt und die SPD am Ende noch weniger Wähler hat.

Freunde bei der Sozi-Basis macht Gabriel sich nicht.
Die CDU mit Griechenlandbashing zu überholen ist voraussichtlich sinnlos. Wer seine Wahlentscheidung davon abhängig macht, wie hart man Syriza attackiert, kann gleich AfD oder CDU wählen.

Der prinzipielle Unterschied zwischen CDU und SPD besteht darin, daß die eher phlegmatische Unionsbasis obrigkeitshörig und mindestens genauso tumb-konservativ wie ihre Parteispitze ist.
Die Sozibasis hingegen ist von Natur aus aufmüpfig und steht in der Regel klar links von ihrer Führungsriege.

Gabriel mag derzeit so gut wie unersetzlich sein und über eine ihm zu Dank verpflichtete Partei gebieten, aber wie ein Sonnenkönig herrschen kann er deswegen noch lange nicht.
Am 20.06.2015 droht ihm großes Ungemach, wenn er sich 250 Delegierten des kleinen SPD-Parteitags im Berliner Willy-Brandt-Haus stellen muß.
Rund einhundert SPD-Gliederungen haben Änderungsbedarf angemeldet.

Viele sind wütend.

Lieber Sigmar, es reicht!
Wir haben uns ja schon öfter gefragt, welche Überlegungen hinter so manchem öffentlichkeitswirksamen Auftritt unseres Parteivorsitzenden stehen. Mit deinem Gastbeitrag zum drohenden Euroaustritt Griechenlands hast du dich aber in vielerlei Hinsicht selbst übertroffen.
In Europa wachse die Stimmung „Es reicht“, erzählst du da in jener Bildzeitung, die seit Beginn der Krise mit blanker Hetze gegen „die faulen Griechen“ die Stimmung an den deutschen Stammtischen anheizt. Gemeint hast du damit die erneut stockenden Verhandlungen über Schuldenschnitte und Kredite mit der griechischen Regierung. Du redest von „Spieltheoretikern“ und „Zockern“, von „Kommunisten“ und „überzogenen Wahlversprechen“. Und, damit der sprichwörtliche deutsche Stammtisch auch brav applaudiert, müssen natürlich auch wieder die „deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien“ herhalten.
Lieber Sigmar, in der Tat: Es reicht! Es reicht ganz Europa der deutsche Chauvinismus und die süffisante Überheblichkeit, mit der du und andere VertreterInnen der deutschen Regierung gegenüber Griechenland und anderen krisengebeutelten Staaten auftreten! Es reicht den Menschen in Griechenland die aufgezwungene Sparpolitik der Troika, die jede eigenständige wirtschaftliche Entwicklung verhindert! Es reicht jedem Menschen mit einem Fünkchen internationaler Solidarität im Herzen die ewig gleiche Nummer, bei der die RentnerInnen in Deutschland gegen die RentnerInnen in Griechenland ausgespielt werden, während fröhlich die finanziellen Interessen deutscher Banken in der „Schuldenkrise“ gerettet werden.
Und es reicht uns Jusos dein blanker Populismus, mit dem du dich vor den Karren der Griechenlandhetze aus dem Haus Springer spannen lässt. Wir erwarten mehr von einem Vorsitzenden der SPD, als unreflektiert Stammtischparolen zu wiederholen und im trübbraunen Wasser zu fischen. Wir erwarten von dir als sozialdemokratischem Wirtschaftsminister, dass du Menschen Ängste vor der Krise nimmst und rechtspopulistische Kurzschlüsse enttarnst, anstatt mit ihnen zu spielen. Und wir erwarten, dass du auch die eigene Krisenpolitik kritisch hinterfragst, anstatt einfach die Schuld auf die neue griechische Regierung zu schieben.
Lieber Sigmar, die Sozialdemokratie ist eine internationalistische Bewegung, die Solidarität mit Menschen großschreibt. Das heißt für uns, dem Populismus, der Panikmache und dem nationalen Chauvinismus den Kampf anzusagen. Es wäre schön, wenn auch du dich diesen Werten verpflichtet fühltest und in Zukunft auf derart plumpe Debattenbeiträge verzichten könntest. Uns jedenfalls reicht es schon lange – und zwar mit solchen Aussagen von dir!
Mit solidarischen Grüßen

Zu den Äußerungen des Parteivorsitzenden der SPD heute in der Bildzeitung habe ich folgendes zu sagen:
1. Kein/e ernst zu nehmende/r Ökonom_in bestreitet heute noch die Tatsache, dass die Austertitätspolitik in Griechenland gescheitert ist. Dieser falsche Weg soll nun fortgesetzt werden. Warum?
2. Es war die deutsche Bundesregierung, die zusammen mit den europäischen Eliten, das Geld der Steuerzahler_innen für die Rettung der europäischen Banken eingesetzt hat. Die notleidende griechische Bevölkerung hatte davon nichts. Vor allem Deutschland profitiert von den Zinszahlungen der Anleihen.
3. Eben diese Banken haben über viele Jahre mit der korrupten Regierung Samaras gute Geschäfte gemacht.
4. Denkt jemand darüber nach, was in Griechenland passiert, wenn Syriza scheitert? Die faschistische Partei Goldene Morgenröte war immerhin drittstärkste Partei bei den Wahlen im Januar.
5. Die demokratisch gewählte Partei Syriza bringt einen unglaublichen Wert mit: sie war und ist nicht korrupt. Warum diese Diskriminierung? Warum nicht die Chance nutzen an einer Demokratisierung Europas zu arbeiten?
6. Von Sozialdemokrat_innen erwarte ich genau das.

Es gab SPD Vorsitzende, die sich für so etwas geschämt hätten.

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