Freitag, 3. Oktober 2014

Populistische Bayern



Es gab in Deutschland schon Richter, die bei Familienstreitigkeiten den kulturellen Hintergrund als „mildernde Umstände“ anerkannten.

Ein aus Afghanistan stammender Mann wurde milder beurteilt, nachdem er seine Frau und Tochter krankenhausreif geschlagen hatte, weil das nun einmal in seiner Kultur üblich sei.
Das ist natürlich genau falsch verstandene Toleranz.
Genauso wie der große Unsinn der CDU-Leitkultur, ist es Unsinn, daß am Strafrecht je nach Herkunft Abstriche gemacht werden können.
Kein Flüchtling in Deutschland braucht seine Kultur aufgeben; im Gegenteil, ich begreife den Einfluss möglichst vieler anderer Kulturen als riesengroßen Vorteil.
Migranten sind weit überdurchschnittlich oft Unternehmensgründer.
Was für ein Segen für Deutschland, daß mit den ersten Gastarbeitern vor einem halben Jahrhundert auch kontinuierlich der kulinarische Horizont erweitert wurde.
Schwule zu verhauen oder Ehefrauen vergewaltigen ist aber eine Straftat. An dieses Verbot muß sich jeder halten, der hier lebt; auch wenn er/sie/es eine andere persönliche Überzeugung hat.
Das Vermitteln der hiesigen ethischen Werte durch staatliche Erziehung in Kita und Schulen klappt offenbar nicht immer, wie die terroristischen Umtriebe der Mördergruppen à la „Uwe – Beate –Uwe“ zeigen.
Hunderte Menschen sind in Deutschland durch rechten Terrorismus getötet worden; also erheblich mehr als durch Linksterrorismus.
Bis heute können Schwarze in vielen Gegenden Deutschlands ebenso wenig wie Menschen mit Kippa auf die Straße gehen, ohne verprügelt zu werden.
Alle jüdischen Einrichtungen müssen Polizeischutz haben.

Daß diese unerträglichen Zustände durch offensichtliches Versagen deutscher Schul- und Sozialpolitik verursacht  werden, wird anlässlich von Gedenktagen zwar gelegentlich erwähnt, aber politische Konsequenzen folgen nie.

Wer in Deutschland Kind ist, hier Kindergarten, Schule und vielleicht sogar Universität durchläuft, sollte eigentlich gelernt haben, daß man keine Kinder schlägt oder Ungläubigen den Kopf abhackt.

Verdienstvollerweise gelang es WDR und Süddeutscher Zeitung mit gewaltigen Rechercheaufwand ein Interview mit einem jungen Bayern zu führen, der tief in der IS-Kämpferszene steckt und bereits einen Versuch unternahm sich bis Syrien durchzuschlagen.
Es handelt sich um einen gebildeten 22-Jährigen Mann, Erhan A., der in Bayern studiert.

Seine Antworten fallen angesichts der allgemein bekannten Köpf-Videos in den Bereich des dessen, das man erwarten kann; verstören aber dennoch.

[….] SZ: Sie wurden von heute auf morgen ein strenggläubiger Muslim, einer, der den Koran wörtlich auslegt. Wie haben Ihre Mitschüler reagiert?

Erhan: Die haben nur einmal gefragt, warum ich das mache. Ich habe ihnen vom Koran erzählt. Damit war die Sache erledigt. Von diesen Andersgläubigen hätte ich mehr Kritik erwartet. Aber die waren toleranter als die Muslime. Aus allein drei Moscheegemeinden in Kempten haben sie mich und meine Freunde rausgeschmissen. Die wollten uns nicht dort haben. [….]

SZ: Was haben Ihre Eltern gesagt?

Erhan: Die sind wie alle anderen, die sind gegen mich.  [….]

SZ: Es vergeht kein Tag ohne Horrornachrichten aus dem Irak und Syrien. Die Welt hat Angst. Ausgerechnet dieser Gruppe wollten Sie sich anschließen. Warum?

Erhan: Der Islam ist die einzig wahre Religion. [….] Ich weiß nicht, wo da die Brutalität wäre.

SZ: Leute, die sich dem IS nicht beugen, werden gekreuzigt, gesteinigt und geköpft. [….] Ist es in Ihren Augen auch legitim, Journalisten zu köpfen?

Erhan: Ich habe gehört, das waren Spione. Also Feinde. Und die darf man töten. Wenn Allah sagt, es ist erlaubt, solche Menschen zu töten, dann würde ich das auch machen. [….] Es gibt sicher immer wieder Einzelne, die Fehler machen. Aber wenn sich Zivilisten dem Islamischen Staat beugen, wird ihnen nichts passieren. Auch Christen und Juden können übrigens weiterleben. Sie müssen sich halt an die islamischen Gesetze halten und Steuern zahlen, quasi ein Schutzgeld. Wenn sie dazu aber nicht bereit sind, dann werden sie auch getötet. Ich würde sogar meine Familie töten, wenn sie sich gegen den Islamischen Staat stellt. [….]

SZ: Warum schneiden die Kämpfer des IS ihren Gegnern die Köpfe ab?

Erhan: Ich glaub, das steht irgendwo im Koran. Und ob man die Feinde abknallt oder köpft, ist doch egal. Tot ist tot. Es geht nur darum, dass sie nicht leiden. Selbst die schlimmsten Feinde dürfen wir nicht quälen, so will es der Koran.[….]

Erhan lernte seine Einstellung in Deutschland – und zwar weder in seinem Elternhaus noch in Moscheen. Dort lehnte man seine Radikalisierung einmütig ab.

Es handelt sich hier um einen eklatanten Fall staatlichen Versagens.
Einer der Gründe ist offensichtlich, daß die debilen deutschen Kultuspolitiker nach wie vor den Religionsunterricht Religionslobbyisten überlassen, statt für alle Kinder einen verbindlichen Ethikunterricht zu gestalten.

Meine Schulbildung erhielt ich in den 1970er und 1980er Jahren in Deutschland und bedauere es sehr keinen Religionsunterricht gehabt zu haben.
Bei uns gab es das erst ab der Oberstufe auf dem Gymnasium und dort nur als Wahlpflichtfach.
Man mußte sich für Religion oder Philosophie entscheiden; die Kurse liefen aber gleichzeitig, so daß man nicht beides belegen konnte.
Also habe ich Philosophie genommen.

In meiner Schullaufbahn wurde ich darum betrogen zu lernen, was es eigentlich auf sich hat mit dem Christentum.
Das mußte ich mir alles autodidaktisch aneignen.
Und bei vielen Ritualen aus den Gottesdiensten ist das gar nicht so leicht zu verstehen, was die da eigentlich genau machen und welche Bedeutung das haben soll, wenn man nie selbst dabei war.

Also: Ich plädiere dringend für staatlichen Religionsunterricht.
Religion ist nun einmal auch unsere Kultur.
Natürlich darf man da nicht den Bock zum Gärtner machen und die ohnehin staatliche bezahlten Religionsvertreter auf die Kinder loslassen, ohne daß das relativiert wird.

Genau das was bei der Berliner „Pro Reli“-Initiative gewollt und von Steinbrück, Merkel, Gauck, Nahles, Thierse, allen Bischöfen unterstützt wurde, ist FALSCH:
Kinder separieren und sie nur mit 100% einer Sicht zu indoktrinieren.

Der richtige Weg ist natürlich ein neutraler Ethikunterricht, der staatlich finanziert wird und in dem als Unterrichtsgegenstand alle Religionen einmal behandelt werden.
Da sollten dann alle Kinder lernen was ein katholischer Gottesdienst ist, ihn gerne auch einmal besuchen. Ebenso sollten sie einmal in eine Moschee und eine Synagoge und einen Hindutempel gehen.
Sie sollten da die Grundzüge des Buddhismus kennenlernen, ebenso wie die Aufklärer und Humanisten, die sich von den Religionen abwendeten.
Das stelle ich mich durchaus als interessanten Unterricht vor Kindern beizubringen welche Gründe es für welche Religion oder eben auch dagegen gibt.
Wenn insbesondere Christen nicht so die Hosen voll hätten, daß ihr Verein im Vergleich mit anderen Anbietern hoffnungslos unattraktiv wäre, würden sie sich auch nicht dagegen sperren.
Ich halte das für denselben Mechanismus weswegen Juden und Moslems ihre Jungs als Baby oder Kleinkind beschneiden: Wenn man sie nämlich erst aufklären würde und wartete bis sie als Erwachsene selbst für oder wider Beschneidung votieren, würden es viele gar nicht machen.
Daher wenden Religionen lieber Zwang an, bevor man sich wehren kann. Genau wie die christliche Taufe, Erstkommunion und Beichte.
Der Staat sollte verpflichtend alle Bürger aufklären und ihnen die Optionen darlegen.
Wer dann anschließend sagt, er ist mit Überzeugung Katholik, kann das ja gerne sein.
Aber man lasse nicht Propagandisten einer nicht demokratischen und nicht Menschenrecht-konforme Ideologie unbeobachtet auf Kinder los.
Aber man lasse auch nicht Kinder wie mich in Deutschland Abitur machen und studieren, ohne daß sie überhaupt jemals Religionen auf dem Lehrplan hatten!

[…]  Ich liebe andere Kulturen – aber Radikalisierung und Unterwanderung ist mir unheimlich. Und ich frage mich: Wie kommen wir zu einem gemeinsamen Werteverständnis? Wie gehen wir mit diesen Fragen „politisch korrekt“ um? Wie schaffen wir es, das Beste aus unterschiedlichen Kulturen in Österreich und Europa Realität werden zu lassen und Rückwärtsgewandtheit die Stirn zu bieten.
Je öfter ich darüber nachdenke, umso klarer ist die Antwort: Ohne einen gemeinsamen und verpflichtenden Werte- und Ethikunterricht in den Schulen wird es nicht gehen. Jede und jeder sollte wissen, was bei uns geht und was nicht – und warum. Wenn jemand zusätzlich noch Religionsunterricht will: gut. Aber alle – ob Christ, Moslem oder Jude, ob gläubig oder nichtgläubig – sollten ein gemeinsames Verständnis für Ethik, Werte und grundlegende Rechte vermittelt bekommen.
Das kann nur mit einem Ethikunterricht funktionieren, der nicht von Religionslehrern gemacht wird, sondern von Ethiklehrern mit Äquidistanz zu allen Religionen. Denn ein gemeinsames Wertefundament kann nur diesseits einer religiösen Überzeugung liegen – im aufgeklärten Humanismus, der auf sich ständig weiterentwickelndem Wissen beruht…[…]

Die Bayerische Landesregierung hat nicht nur bei der Wertvermittlung versagt, sondern sie duckt sich jetzt auch weg, indem sie nun plötzlich „Erhan“ abschieben will.

Ich staune aber immer noch wie tief die rassische Sicht vom reinen Blut in den Köpfen der Deutschen verankert ist.
Es herrscht nach wie vor das Ius Sanguinis und im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern der Welt wird man zwischen Flensburg und Bodensee eben nicht durch Geburt zum Deutschen.

 Eins der gemeinsamen Übel von Religion und Patriotismus ist die arrogante Haltung, die beiden zu Grunde liegt.
Ein „Wir sind besser als die“-Denken, aus dem sich relativ leicht auch „wir dürfen mehr als die“ und „die sind nicht so viel wert wie wir“ ableiten lässt.
Diese Grundhaltung, die von oben herab erst mal den anderen etwas abverlangt, was man selbst nicht tun muß, kam exemplarisch in dem Leitartikel wider die doppelte Staatsbürgerschaft an Licht, den ich vor drei Tagen kritisierte. [….]

Die CSU sieht einen Mann, der sein ganzes Leben in Deutschland verbracht hat offenbar immer noch als Fremdkörper, für den sie keine Verantwortung trägt.
Seehofer gibt den klassischen Polit-underachiever.
Erhan soll weg und keine weiteren Fragen bitte.

Die bayerische Justiz geht gegen den Salafisten Erhan A. aus Kempten vor. Gegen den 22-jährigen Mann wurde Haftbefehl erlassen. Er werde schnellstmöglich in die Türkei ausgewiesen, teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitag mit. Erhan A. hatte sich zuvor in einem Interview mit dem SZ-Magazin zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt. Darin sagte er unter anderem, er würde sogar seine Familie umbringen, wenn sie sich gegen den IS stelle.  Nach Ansicht von Herrmann ist Erhan A. damit einer erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands: "Jemand, der in aller Öffentlichkeit die Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat gutheißt, das Köpfen von Journalisten rechtfertigt und nicht davor zurückschreckt, seine eigene Familie zu töten, wenn sie sich nicht an die islamischen Gesetze hält, hat bei uns nichts zu suchen. Es gibt keinen anderen Weg, als ihn in sein Heimatland abzuschieben."
[…] Der Mann stammt aus der Türkei, lebt aber bereits seit 20 Jahren mit seinen Eltern im Allgäu, wo er das Abitur machte und ein Studium der Wirtschaftsinformatik anfing. Er gilt als Kopf der örtlichen Salafisten-Szene, die aus schätzungsweise zehn Mitgliedern besteht. […]
Kemptener Lokalpolitiker reagierten ratlos auf die Nachricht von der Verhaftung: "Ich kann diese Szene nicht einschätzen, das ist ein Polizei-Thema", sagte Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU). In seinen regelmäßigen Treffen mit der Polizei sei das Thema bisher noch nicht angesprochen worden. Es gebe auch keinen Anlass, das Thema im Stadtrat zu diskutieren, sagte Kiechle: "Das ist nicht unsere Aufgabe, sondern der Sicherheitsbehörden." […]

Bayerns Innenmister erfüllt Erhan nun seinen größten Wunsch und bringt ihn schon mal direkt an die Grenze zum IS, während sich die auf kommunaler und Landesebene regierende CSU die Hände in Unschuld wäscht.


Man sei ja nicht zuständig.

Der Bericht, wonach die deutschen Behörden die Ausreise von Islamisten offenbar lange Zeit gebilligt hatten, löste Empörung bei der Opposition im Bundestag aus. "Die Praxis, Dschihadisten zur Ausreise zu ermutigen, käme einem Terror-Export gleich", sagte die Grünen-Sprecherin für innere Sicherheit, Irene Mihalic.
Der Grundsatz, gewaltbereite Islamisten an der Ausreise zu hindern, sei nicht neu, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. […]
Bis nach München scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben.

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