(Heute leider nur zehn Minuten Zeit)
Ich
hasse, verabscheue und verachte Hitler- und Auschwitz-Witze; dasselbe gilt
eigentlich für NS-Vergleiche aller Art.
Dabei
ist die höchste Form der Perfidie, wenn Nachkömmlinge der Täter-Seite sich
selbst, oder gar die ehemaligen Nazi-Opfer mit NS-Vergleichen überziehen.
Es
stellt sich ja generell immer mehr die Frage, ob es überhaupt noch Tabus gibt,
oder ob man alles darf.
Geht es
um eine Form der Kunst, wenn also beispielsweise in einer Plastik oder einer
Installation ein Hakenkreuz benutzt wird, bin ich schon offener für eine
Verwendung von NS-Metaphorik.
Benutzt
man aber Nazi-Vergleich ohne doppelten Boden, nämlich tatsächlich als
politische Aussage,
hat man sich
selbst disqualifiziert.
Das
fällt für mich in die Kategorie „Das tut man nicht!“
Es gibt Dinge, die rutschen einem anständigen Menschen
eben NICHT raus - weder heimlich, noch am Stammtisch,
noch öffentlich, noch auf dem Klo.
Die menschliche Selbstdisqualifikation zeigen
die Beispiele Stoiber (Warnung vor „durchmischter und durchrasster
Gesellschaft“), Martin Hohmann (Juden seien “Tätervolk” ), Oettinger (Hans
Filbinger “war Gegner des NS-Regimes”) Rüttgers („Kinder statt Inder“, „faule
Rumänen“), Koch (Bsirskes Reichenkritik sei “eine neue Form des Sterns auf der
Brust”), Jenninger (“Faszinosum” des Nationalsozialismus ), Laschet (über
Kinderkrippen: „Das erinnert mich wirklich an jemanden, der bei einer anderen
deutschen Diktatur gesagt hat: Das war alles gar nicht so schlimm, die haben
wenigstens die Autobahnen gebaut“), FJ Strauß (über Jusos: “schlimmsten
Nazi-Typen in der Endzeit der Weimarer Republik”), Kohl
(Goebbels-Gorbatschow-Vergleich, über Thierse: “schlimmster Präsident seit
Hermann Göring”) und Hans Werner Sinn (“In jeder Krise wird nach Schuldigen
gesucht, nach Sündenböcken. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 “hat es in
Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager“)
Nun ja, es gibt
auch Nazisprüche, die nicht zwingend die häßliche braune eigene Seele zeigen,
sondern womöglich nur überbordender Doofheit geschuldet sind.
Schäuble über
die Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung: “Wir hatten den größten Feldherrn
aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde
aller Zeiten.”)
Christian Wulff über Managergehälter: "Ich
finde, wenn jemand zehntausend Jobs sichert und Millionen an Steuern zahlt, gegen
den darf man keine Pogromstimmung verbreiten")
Aber Stoiber
Multi-Warnung vor einer „durchmischten und durchrassten Gesellschaft“ ist eben
nicht zu entschuldigen.
Nach so einem
Klopfer kann man nur zurücktreten und von der politischen Bühne verschwinden.
Das gilt auch
für den Piraten.
Martin Delius,
Abgeordneter der Berliner Piratenpartei, ist einer der inzwischen ziemlich
vielen „Einzelfälle“, der etwas raugehauen hat, das einem eben NICHT
rausrutscht.
Martin Delius
hatte in einem Spiegel-Interview gesagt,
der Aufstieg der Piratenpartei verlaufe "so
rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933".
Keine Toleranz
der Intoleranz. Kein Kleinreden des Rechtsextremismus.
Was sich
heute Schäuble geleistet hat, gehört für mich zu den schlimmsten Entgleisungen,
die ich in meinem politischen Leben erlebt habe.
Das Vorgehen Russlands
gegenüber der Ukraine erinnert Wolfgang Schäuble offenbar an den
Expansionsdrang Nazi-Deutschlands. "Solche Methoden hat schon der Hitler
im Sudetenland übernommen", erklärte der Finanzminister am Montag bei
einer öffentlichen Veranstaltung in seinem Ministerium. "Das kennen wir
alle aus der Geschichte."
Schäuble bezog sich
dabei auf Argumente, die die russische Regierung unter Präsident Wladimir Putin
als Rechtfertigung für die Annexion der Krim anführt. Konkret geht es um die
Behauptung, russischstämmige Bürger der Ukraine würden bedroht. Ähnlich
argumentierten 1938 die Nazis, als sie vorgaben, "Volksdeutsche" in
den tschechoslowakischen Randgebieten schützen zu müssen.
Schäubles Bemerkung
fiel vor rund 50 Schülern aus Berlin auf einer Veranstaltung des EU-Projekttags
2014 der Bundesregierung.
UN-
FASS-BAR.
Ausgerechnet
Schäuble, der aus der ganz braunschwarzen BW-CDU-Ecke kommt, in der die
NS-Größen Kiesinger und Filbinger zu höchsten Ehren gelangten und es immer
breite Überschneidungen mit rechtsextremen Gruppen gab – Stichwort „Weikersheimer
Kreis“, wo man Verbindungen zwischen CDU und Nationalsozialisten pflegt – ausgerechnet
dieser Schäuble, überzieht den Präsidenten des Landes, das mit Abstand am
meisten unter den Nazis gelitten hat – mehr als 20 Millionen Russen wurden von
Deutschen im Zweiten Weltkrieg ermordet – mit Hitler-Vergleichen.
Da
bleibt mir die Spucke weg.
Der Mann
muss SOFORT entlassen werden.
Die rückgratlose
Kanzlerin wird das wohl nicht tun, aber immerhin fühlte sie sich selbst in
dieser hochgradig antirussisch aufgeheizten Stimmung bemüßigt Putin
beizuspringen und Schäuble zu rügen.
Und selbst die
Bundeskanzlerin geht auf Distanz zu ihrem Kabinetts-Routinier. Auf Schäubles
historischen Exkurs angesprochen sagte Angela Merkel bei einer gemeinsamen
Pressekonferenz mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall im Kanzleramt:
"Ich betrachte den Fall der Annexion der Krim als einen für sich stehenden
Fall. Und da habe ich schon alle Hände voll zu tun, denn es handelt sich ganz
eindeutig um einen Verstoß gegen das internationale Recht, und das ist das, was
heute zählt, und daran halte ich mich."
WÄRE
Schäuble ein halbwegs integrer Politiker, würde er selbst zurücktreten.
Aber das
ist wohl bei einem CDU-Mann eine absurde Hoffnung.
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