Gestern erhielt ich ein
Schreiben einer Hausverwaltungsfirma, mit der ich seit zehn Wochen den größten
Ärger habe. Korrekterweise müßte ich sagen, mit der ich gerne wenigstens Ärger
hätte.
Eigentlich ignorieren sie
mich, weigern sich auf meine Anfragen via Fax, Telefon, Brief oder Email zu
reagieren.
Umso mehr erstaunte es mich
gestern einen dicken Brief mit lauter Faltblättern, Visitenkarten und
freundlichsten Anschreiben von eben dieser Firma vorzufinden.
Der Grund war aber nicht
plötzliche Einsicht, sondern daß sie in einer anderen Angelegenheit unerwartet auf
meine Hilfe und Mitarbeit angewiesen waren.
Ha!
Die Arschgeigen haben ja
wohl gar kein Schamgefühl, wetterte ich.
Flugs setzte ich mich hin
und formulierte ein geharnischtes Antwortschreiben. Ich empfände es als
reichlich bizarr nun überaus freundlich an mich heran zu treten, als ob nie
etwas gewesen wäre. Das mindeste, das ich erwartete bevor ich einen Finger für
sie rührte, wäre meine in den letzten beiden Monaten monierten Angelegenheiten
unverzüglich zu meiner Zufriedenheit in Ordnung zu bringen. Penibel listete ich
auf wie ich mir bisher an ihnen die Zähne ausgebissen hätte.
Ich stellte mir vor, wie
der Empfänger beim Lesen meines Briefes vor Scham rot anliefe und dann auf
Knien zu mir gekrochen käme.
Schließlich fiel mir dann
aber ein, daß ich erwachsen bin. Ich löschte meinen Text und formulierte neu. Diesmal kurz, sachlich und höflich.
Rache und Rumzicken sind
keine Optionen in einer professionellen Arbeitsbeziehung. Insbesondere dann
nicht, wenn man in einer Angelegenheit ein gemeinsames Interesse verfolgt. Geht
es um das Wohl Dritter, hat man hinunter zu schlucken, daß man den Menschen,
mit dem man zusammen arbeitet nicht ausstehen kann.
Deswegen ging Bono einst
ins Weiße Haus und sprach mit George W. Bush.
Was der friedensbewegte
Ire von dem Texaner mit Mikro-Intellekt hielt, können wir uns alle sehr gut
vorstellen. Außerdem wird ihn mit Sicherheit gestört haben, daß GWB die Bilder
mit Bono zur Imagepflege missbrauchte.
Aber der U2-Chef leierte
dem potus erfolgreich mehrere Milliarden Dollar für den Kampf gegen Aids in
Afrika aus dem Kreuz.
Damit konnten viele Leben
gerettet werden. Was bedeutet dagegen schon einmal in die Kamera
grinsen/posieren/Schulter klopfen?
Wenn einem im Sandkasten
der Sandkuchen zerkloppt wird, tritt man auch auf den Sandkasten des
Hosenscheißers nebenan.
Wenn einem in der Schule
das Pausenbrot geklaut wird, spannt man dem Dieb aus Rache seine Freundin aus.
Aber dann sollte das wie
du mir-so ich dir-Verhalten auch langsam auslaufen.
Wenn mir heute auf einer
großen Kreuzung die Vorfahrt genommen wird, rase ich dem Übeltäter eben nicht hupend
mit Bleifuß hinterher.
Das würde niemanden helfen
und die Verkehrssicherheit insgesamt klar herabsetzen, wenn zwei Irre aus Wut
zwischen Omen und Open umherrasen.
Wenn man erwachsen ist,
lernt man spontane Wutreaktionen zu unterdrücken, Ärger gar nicht erst im Hirn
die Synapsen stimulieren zu lassen. Man blickt weiter und erkennt die
übergeordneten Prioritäten.
Reife Menschen lassen sich
nicht von ihren persönlichen Eitelkeiten treiben und wenn sie die Verantwortung
für andere, Schwächere tragen, schon gar nicht. Zu Gunsten seiner Haustiere,
seiner Kinder, oder des bettlägerigen Opas, stellt man seine aufschaukelnden
Emotionen hintan.
Das gilt allerdings nicht,
wenn man CSU-Mitglied ist.
CSU-Hirne erreichen nie
das Niveau eines ausgeglichenen Kindes.
Ihnen ist ihr Ego
wichtiger als die 81 Millionen Menschen, für die da zu sein, sie geschworen hatten.
Sie sind nie über die Sandkuchenebene heraus gewachsen.
CSU sinnt auf Rache
[….] Die
Linie der CSU ist in etwa diese: Friedrich hat sich mit seinem Verhalten loyal
gegenüber dem sozialdemokratischen Partner verhalten. Die SPD müsse nun
Aufklärungsarbeit leisten. [….] Man
muss nicht viel zwischen den Zeilen lesen, um die Erwartung der CSU an den
sozialdemokratischen Koalitionspartner zu deuten: Sie wollen den Rücktritt von
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.
[….] CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zeigt,
wie das geht: Oppermann trage aus Sicht der CSU die "politische
Verantwortung", sagt er vor Journalisten. Der SPD-Mann habe "durch
seine Widersprüche, durch seine Wichtigtuerei, durch seinen
Vertrauensmissbrauch und seine verschiedenen Varianten der Darstellung die
Große Koalition in eine schwere Krise gestürzt." Es könnte nicht sein,
dass Friedrich die alleinige Verantwortung übernehme und dass "auf der
anderen Seite sich andere einen schlanken Fuß machen".
[….]
Auch Alexander Dobrindt ist empört. Der
Verkehrsminister klingt an diesem Montag mehr wie in seiner Zeit als
CSU-Generalsekretär: Dobrindt spricht von einem "erheblichen
Vertrauensmissbrauch". [….]
Seehofer und seine
CSU-Epigonen haben noch lange nicht das politische Erwachsenenalter erreicht.
Sie befinden sich noch in der fetalen Phase des Berufsstandes und taugen kaum
für ernsthafte Angelegenheiten wie eine Bundesregierung. Ihre nicht
zweckdienlichen Privatempfindungen hintan zu stellen, käme ihnen gar nicht in
den Sinn.
Merkwürdige Rachegelüste der Union
Ginge es jetzt nach manchen in CDU und
CSU, in der SPD dürfte ab sofort niemand mehr auch nur den Mund aufmachen.
Jedes kritisches Wort über die Politik der großen Koalition würde als Vertrags-
und Vertrauensbruch ausgelegt. So ist das, seit einer der ihren, nämlich
Hans-Peter Friedrich von der CSU, vor eineinhalb Wochen als Minister
zurücktreten musste.
Wegen eines offenbar pädophilen
Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten in der SPD hatte ein CSU-Mann seinen Hut zu
nehmen. So denken sie in der Union. Und fordern nun reihum alle möglichen Arten
von Vertrauensbeweisen von der SPD.
Am liebsten hätten sie, wenn auch auf
SPD-Seite jemand zurücktreten würde. Fraktionschef Thomas Oppermann zum
Beispiel. Der sei schließlich Schuld am ganzen Schlamassel. Weil er - mit
Friedrichs Einverständnis übrigens - öffentlich gemacht hat, dass dieser
womöglich Amtsgeheimnisse über den Fall Edathy an die SPD-Spitze ausgeplaudert
hat. [….] CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer etwa, selbst wegen seines
seltsamen Doktortitels in der Kritik, wirft der SPD jetzt
"Vertragsuntreue" vor, weil es dort andere Meinungen gibt als die im
Koalitionsvertrag festgeschriebenen. Damit "schafft man kein neues
Vertrauen", sagt Scheuer. Was jetzt gelte, will er wissen. "Ihre
Unterschrift unter den Koalitionsvertrag oder die Trickserei Ihrer
SPD-Ministerpräsidenten über die Hintertür bei der doppelten
Staatsbürgerschaft?" Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Thomas
Strobl wirft der SPD sogar "klaren Vertragsbruch" vor.
Was Scheuer und Strobl vergessen: Den
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD haben die Parteien ausschließlich
für die Zusammenarbeit in der Bundesregierung beschlossen. Die Länder waren
zwar eingebunden in die Verhandlungen. Aber sie müssen sich nicht gebunden
fühlen.
[….] Was
die CSU will, ist schlicht: Rache für Friedrich. [….] Oppermann mag die Angelegenheit ans Licht gebracht haben. Verursacht
aber hat sie Friedrich, rausgeschmissen haben ihn die Parteichefs von CDU und
CSU. Und bluten soll dafür die SPD? Das verstehe wer will.
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