Zu Beginn dieser lockeren Reihe versuchte ich die Ausgangslage zu schildern. Das publizistische
Jaucheloch, in dem die Sozis stecken.
Wenn es eine Ministerin
gibt, die als absolute Fehlbesetzung feststeht, dann ist es sicherlich Kristina
Schröder.
KITAS, Quoten, Herdprämie,
Gesinnungs-TÜV bei der Rechtsextremismus-Prävention, Aufklärung des
massenhaften Kindesmissbrauchs in kirchlichen Einrichtungen – was das
Regierungs-Küken anfasst, misslingt.
Die Frau, die genauso
sicher jedes ihrer Projekte in den Sand setzt, Ursula von der Leyen, sieht es
übrigens genauso.
Sie hasst ihre Nachfolgerin als Familienministerin wie die
Pest und versucht sie bei jeder Gelegenheit bloßzustellen.
Wie so eine
offensichtliche Stümperin in die Regierung eines der wichtigsten Industriestaaten
des Planeten gelangen konnte, ist wenig geheimnisvoll.
Zu Beginn dieser Legislaturperiode
überraschte Merkel die journalistische Szene mit der Personalie Jung. Der dröge
Hesse war zuvor als Verteidigungsminister allgemein als größte Pleite der
Großen Koalition (2005-2009) angesehen worden.
Jeder Artikel, der sich mit der
zukünftigen Politik beschäftigte, sagte Jungs Ende voraus.
So einen pannenanfälligen
Totalausfall könne sich Merkel ganz bestimmt nicht länger leisten. Das ganze
Jahr 2009 über hatte es schon Rauswurf-Spekulationen gegeben. Aber die
Kanzlerin schien im Wahljahr eine Kabinettsumbildung zu fürchten und schleppte
Jung widerwillig mit durch.
Zunächst herrschte Fassungslosigkeit,
als Merkel dem stramm katholischen Ex-General der Hessen-CDU ausgerechnet den
größten Etat, nämlich den des Arbeitsministeriums anvertraute.
Offensichtlich hatte man
irrigerweise immer noch gemutmaßt es ginge der Kanzlerin um inhaltliche
Politik.
Ergebnisse sind ihr aber herzlich egal.
Wichtig ist ihr nur die
parteiinterne Arithmetik. Jung war Roland Kochs U-Boot in der Bundesregierung.
Koch war damals noch ein ernstzunehmender Konkurrent der Kanzlerin und konnte
beanspruchen im engsten Zirkel der Macht vertreten zu sein.
Er schuldete außerdem
dem Mitglied des Andenpaktes und der Tankstellenconnection Jung einen Gefallen,
nachdem dieser im Jahr 2000 als Bauernopfer für Koch während des
CDU-Megaspendenskandals als Generalsekretär und Staatskanzleichef zurück
getreten war.
Jung ist der
Connection-Mann, der alles durch tiefes Eintauchen in Roland Kochs Rektum
erreicht hatte. Seine fachlichen Qualitäten hingegen sind erbärmlich.
Nach nur 33 Tagen im neuen
Amt als Bundesarbeitsminister mußte er wegen der berühmten Kundus-Affäre doch
noch endgültig aus dem Kabinett geschmissen werden. So schnell war noch keine Bundesregierung
eines Ministers verlustig gegangen.
Mit von der Leyen fand sich zwar schnell eine Nachfolgerin, aber nun fehlte in Merkels Macht-Arithmetik
ein Hesse und ein ganz Rechter.
Diese Doppelquote erfüllte die junge Kristina Köhler, wie sie damals noch hieß.
Die kleine Kohl- und
Koch-Bewunderin hatte sich in den Jahren zuvor schon als ultrarechts profiliert und bei ihrer berühmten Suada wider die „Deutschenfeindlichkeit“, welche die
bösen Multikulti-Ausländer zu Straftaten anrege, als wahre Erbin Kochs gezeigt.
Die Quellen auf die sie sich bezog waren erlogen.
Bräunlich, auf Kriegsfuß mit der Wahrheit, Hessin, jung, weiblich – das passte perfekt ins Merkels große Austrahierung.
Die Hessen-CDU stand schon
immer für den rechtesten Rand der Union überhaupt.
Nur in den
ultrakonservativen Niederungen Hessens, wie z.B. Fulda können Typen wie Martin
Hohmann, Roland Koch, Alfred Dregger, Manfred Kanther und Volker Bouffier
entstehen.
Kristina Schröder,
geborene Köhler, ist ebenfalls in diesem braun-schwarzen Habitat geprägt
worden.
Allerdings leistet sie
sich einen Ausrutscher. Sie hasst Schwule NICHT!
Schröder würde die „Homo-Ehe“
sogar rechtlich aufwerten.
Da biegen sich der
Hessen-CDU-Basis die Fußnägel hoch vor Grauen. So eine Meinung bleibt nicht
folgenlos.
Man setzt nun lieber
wieder auf Jung.
Die hessische CDU wird Kristina Schröder voraussichtlich nicht zu ihrer Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl machen. Als Bundesfamilienministerin hätte es der 35-jährigen Wiesbadenerin zugestanden, Nummer Eins der Landesliste zu werden. Schröder hat darauf jedoch verzichtet und konzentriert sich nun auf das Direktmandat in ihrem Wahlkreis Wiesbaden. Grund für ihre Absage seien die unterschiedlichen Meinungen zur Gleichstellung homosexueller Paare gewesen, die Schröder befürwortet, die Mehrheit der Hessen-CDU aber ablehnt, hieß es.
Als Spitzenkandidaten der Landespartei wird Ministerpräsident Volker Bouffier nun Franz Josef Jung vorschlagen, meldet die Nachrichtenagentur dpa. Jung hat die Liste bereits 2009 angeführt, damals noch als Verteidigungsminister im Bundeskabinett.
Die Wiesbadener
Parteifreunde sind sauer auf die Familienministerin und kreiden ihr die
entscheidenden fehlenden Stimmen bei der OB-Wahl an, als der langjährige
CDU-Amtsinhaber völlig überraschend die Wahl gegen den jungen, schwulen Sozi Sven
Gerich verlor.
Und damit komme ich
endlich auf den großen Unterschied zwischen CDU und SPD in dieser
Angelegenheit.
Während es die CDU in sehr
konservativen Gebieten versucht sich mit noch bräunlicheren Sprüchen dem
Wählerbodensatz anzubiedern, kümmert sich die Sozialdemokratie nicht um die Ewiggestrigen und setzt erst recht auf moderne und linkere Themen. Der hessische
SPD-Landesverband gilt als besonders progressiv und hat die Ikonen des linken
Parteiflügels hervorgebracht. Heidemarie Wieczorek-Zeul, Andrea Ypsilanti und Christine
Lambrecht sind die Prominentesten Namen aus Hessen.
Statt sich also im vermeidlich
so konservativen Wiesbaden dem Wahlvolk anzupassen, zeigten die Sozis Rückgrat
und stellten den quasi unmöglichen Kandidaten Gerich bei der Bürgermeisterwahl
auf.
Und siehe da; wer wagt
gewinnt. Wiesbaden hat einen neuen Oberbürgermeister und der 60-Jährige
bisherige Amtsinhaber Helmut Müller (CDU) ist seinen Job los.
Für die im Land zusammen mit der FDP regierende CDU ist dies sechs Monate vor der Landtagswahl ein herber Rückschlag. […] Hessens Ministerpräsident und CDU-Landeschef Volker Bouffier sagte, es gebe nichts drumherumzureden: "Das ist bitter für die Union." […] Gerich schien vom Sieg über den Favoriten Müller selbst überrascht. "Ich habe knapp eher in die andere Richtung getippt", sagte er. Der gelernte Drucker und SPD-Stadtverordnetenvorsitzende kündigte an, sich von seinem Vorgänger abzusetzen. "Die Stadt ist kein Konzern, die Stadt ist ein Gemeinwesen." Man könne eine Stadt "nicht nur mit Kennziffern" führen.
Es ist höchst erfreulich,
daß die SPD nun in fast allen großen Städten den Bürgermeister stellt und sich
anschickt auch noch die letzten CDU-Amtsinhaber zu vertreiben.
Das Besondere ist aber,
daß sie sich traut auf Außenseiter zu setzen.
Sie ging in Berlin 2001
mit dem ersten offensiv geouteten Schwulen ins Rennen, schickte in Frankfurt
einen Juden in Rampenlicht und auch Pit Clausen, der SPD-Bürgermeister
Bielefelds ist mit einem Mann verheiratet.
Bei den Kommunalwahlen
2008 im Bayerischen Bodenmais gewann der erst 23-jährige schwule, evangelische
Sozi Michael Adam. Im Dezember 2011 wurde Adam gar im tiefsten Bayern zum Landrat von Regen gewählt.
Die trauen sich was, die
Sozis.
Als 25-Jähriger wurde Stefan Rottmann im März zum jüngsten Bürgermeister Bayerns gewählt. […] Tatsächlich geben sich prominente Sozialdemokraten dort die Klinke in die Hand, seit Rottmann im März als 25-Jähriger zum jüngsten Bürgermeister in Bayern gewählt wurde. Ein halbes Jahr später ist Rottmann diesen Titel nun los, aber abermals kommt der neue Rekordhalter aus Franken - und abermals ist er Sozialdemokrat: Zum neuen Bürgermeister im oberfränkischen Städtchen Bad Rodach im Kreis Coburg wurde am Sonntag der 25 Jahre alte Tobias Ehrlicher (SPD) gewählt. Mit 68,86 Prozent der Stimmen gelang es ihm, sich im ersten Wahlgang gegen zwei parteifreie Mitbewerber durchzusetzen. Ehrlicher ist zehn Tage jünger als sein künftiger Kollege Rottmann.
Der Wiesbadener Sozi-OB Gerich
hatte vermutlich die schlechtesten Voraussetzungen, um so eine Karriere zu
machen.
Aber in der SPD geht das
eben doch, weil man NICHT glattgebügelt sein muß.
Als Sven Gerich, 39, im vergangenen Jahr als SPD-Kandidat für das Oberbürgermeisteramt in Wiesbaden antrat, waren die Erfolgsaussichten bescheiden. Er ist Heimkind, homosexuell, war weitgehend unbekannt und kandidierte in der Hauptstadt jenes Landes, in dem die SPD seit dem Ypsilanti-Debakel 2009 eigentlich nichts mehr zu melden hat. […]SZ: Herr Gerich, wenn über Ihre Karriere berichtet wird, kommen oft die Worte 'trotzdem' und 'obwohl' vor.Sven Gerich: Ich habe im März die OB-Wahl in Wiesbaden gewonnen, obwohl mein CDU-Gegenkandidat seit mehr als sechs Jahren im Amt war und obwohl mich fast niemand in der Stadt kannte.[…] Ich bin kein klassischer Parteipolitiker.SZ: Sie sind gar kein klassischer Politiker: Sie sind ein später Quereinsteiger. Gelernter Tischler. Sie bekennen sich in einem konservativ geprägten Land offen zu Ihrer Homosexualität. Und Sie sind im Kinderheim aufgewachsen.Gerich: […] Ich war sechs, als ich aus der Familie geholt wurde. Aber die Betreuer haben versucht, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Und man lernt früh, dass man sich behaupten und für Dinge kämpfen muss.[…] Wenn es sein muss, kann ich auch Ellenbogen. Und vielleicht kommt durch das Heim, dass ich gruppendynamische Prozesse gut kannte, als ich in die Politik kam.SZ: Die kennen andere Jungpolitiker aber wahrscheinlich besser. Philipp Mißfelder ist in der Jungen Union, seit er 14 ist. Philipp Rösler kam mit Anfang 20 in den Vorstand der Niedersachsen-FDP.
Gerich: Solche Netzwerke sind nichts für mich. So sehr ich Sozialdemokrat bin, so sehr versuche ich, auch von außen auf die Partei zu blicken. […] Ich bin erst mit 29 zur Politik gekommen. Damals war ich so ein Stammtischtyp mit Sprüchen wie: Politiker lügen alle. Durch Zufall habe ich den früheren Wiesbadener OB Achim Exner kennengelernt. Der hat gesagt: Wenn du alles besser weißt, mach doch selbst. Drei Wochen später habe ich bei der SPD angefangen.[…] Ich bin ein Heimkind. Da lernt man früh, wie es ist, nicht dazuzugehören - das geht schon los, wenn man nicht die richtige Jeans trägt. Ich konnte mir solche Musthaves nie leisten. Aber ich habe nie zurückgesteckt, weil ich eine billige Hose trug.[…] Von Schröder ist doch das Zitat 'Ich will hier rein!' Das sagt nur, wer draußen ist. Schröder hat wahrscheinlich wirklich so viel bewegt, gerade weil er von unten kam. […] Ich bewundere ihn für den Mut, die Agenda 2010 durchzusetzen. Klar, sie hatte Fehler. Aber dass viele in der SPD heute nicht zu den Erfolgen stehen und die Reform den Bürgern nicht erklären: Das ist schade.
SZ: War es in Ihrer Partei jemals ein Thema, dass Sie homosexuell sind?Gerich: Überhaupt nicht. Die Gesellschaft ist da sehr weit. Das Thema ist durch. […](SZ vom 06.04.2013)
Nur nicht in der CDU.
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