Montag, 1. Oktober 2012

Langsam reicht es - Teil V





Das ist auch lästig!
Mindestens einmal pro Woche fallen mir aus irgendwelchen Zeitungen Briefe mit Giovanni di Lorenzo-Konterfeis entgegen.
Plump getarnt als „Die große Umfrage der ZEIT“ will er mir natürlich ein Abo aufschwatzen.

 Vier Wochen „ZEIT“ gratis und  - schwupps, wenn man dann nicht rechtzeitig schriftlich interveniert, hat man ein Jahres-Abo an der Backe.

Das Abo will ich natürlich schon deswegen nicht, weil ich diese Art der Abonnentenwerbung für Leserverdummung halte.
Wer ist denn so bekloppt anzunehmen es gehe um eine „Umfrage“ oder gar ein „Gratis-Geschenk“?
Ich würde eine ehrliche Anmache viel mehr schätzen.
 In etwa: „Tach auch, wir vom Holtzbrinck-Verlag wollen Dein Geld. Wir geben dir das Abo einen Tick billiger, weil es für unsere Werbeerlöse wichtig ist auf eine möglichst hohe Zahl Stammleser verweisen zu können, statt auf den Kiosk-Verkauf angewiesen zu sein“
Aber so läuft es bei der ZEIT schon deswegen nicht, weil di Lorenzo der schönste Journalist Deutschlands ist - jedenfalls nach SEINER MEINUNG - und keine Gelegenheit verstreichen läßt sein Bild drucken zu lassen.

Statt die Werbung gleich in den Papierkorb zu werfen, habe ich dämlicherweise schon mindestens ein Dutzend dieser Bettelbriefe beantwortet.

 Nein, ein Abo will ich natürlich nicht - was vor allem damit zusammenhängt, daß ich schon seit tausend Jahren Zeit-Abonnent bin! 
Die Gelegenheit nutze ich aber immer, um höflich aber bestimmt darauf hin zu weisen, daß die ZEIT auf dem besten Wege ist, statt einen neuen Abonnenten zu gewinnen, einen Alten zu verlieren, wenn sie weiterhin den stramm religiotischen pro-Kirchenkurs fährt.

 Stets erwähne ich dann die wirklich miserabel von Evelyn Finger geführte Rubrik „Glauben und Zweifeln“, die zu ca. 95% eine pure Kirchenwerbung ist. 
Ich spreche die ZEIT-Kooperation mit dem pathologischen Lügner und Religioten Bischof Huber, der in der „ZEIT-Akademie“ mit einem Ethik-Vortrag auf DVD beworben wird.
 Der dickste Hund ist natürlich die Übernahme der stramm katholischen Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“, der nun als ZEIT-Beilage „Christ und Welt“ von di Lorenzo weiter geführt wird und ebenfalls stramme Kirchen-PR betreibt.

Der nette di Lorenzo scheint mir seit seinem Totalreinfall mit dem Guttenberg-Propaganda-Buch mehr und mehr auf die schiefe Bahn zu geraten.

Zu seinem Katholentum verkündete der ZEIT-Chef erst kürzlich in der eigenen Beilage.
Kirche ist allerdings von meinem Leben nicht zu trennen, zu stark ist meine christliche, genauer gesagt: meine katholische Prägung gewesen. Insofern fühle ich mich durch ein Wort von Heinrich Böll, das er einst an seine Kollegin Christa Wolf richtete, besonders gut getroffen: „Wer einmal Katholik war und wer einmal Kommunist war, der wird das nie wieder los.“  […]  Vor knapp zwei Jahren habe ich mit meinem Freund und Kollegen Axel Hacke ein Buch über die Werte unseres Lebens veröffentlicht; es trägt den Titel „Wofür stehst Du?“. Besonders eine Passage daraus hat eine Flut von Zuschriften und Kommentaren ausgelöst. Es geht darin nicht etwa um ein sexuelles Bekenntnis, sondern um ein religiöses. Ich schreibe da, dass wir seit einigen Jahren zu Hause wieder etwas haben aufleben lassen, was lange verschüttgegangen war: Vor dem Essen wird still gebetet, auch wenn Gäste da sind. Ich habe den Satz hinzugefügt: „Sehr oft ist es der schönste Moment des Tages.“
[…]
Ein ähnlich emotionales Bedürfnis spürte ich an dem Tag, als Johannes Paul II. starb. Diese Szene schildere ich ebenfalls in unserem Buch: „Wenige Stunden vor (dem Tod des Papstes) machte ich mich mit meiner späteren Frau auf den Weg zur St.-Hedwigs-Kathedrale in der Nähe des Berliner Gendarmenmarkts. Es war schon spät, und in der Kirche waren viele junge Leute, die nicht so aussahen, als seien sie geübte Besucher von Gottesdiensten. In diesem Moment fühlte ich mich ganz und gar eins mit meiner Kirche. Das Gefühl war: Nicht wir waren ihm, dem Papst, im Sterben nahe, sondern der Papst war sterbend bei uns. Er hatte am Ende vorgelebt, was fast jeder Mensch früher oder später erfährt: Dass es nichts Wichtigeres gibt, als in der Stunde des Leids für einen anderen Menschen da zu sein – oder selbst nicht allein zu bleiben.“
[…]  Natürlich ist die Kirche nicht verstummt. Aber bisweilen wünsche ich mir, dass ihre Stimme lauter wäre, dass sie sich auch Themen widmete, die nicht zu ihrem traditionellen Kanon gehören. [….Es] könnte sich in der katholischen Kirche in Deutschland womöglich ein neues Kräftezentrum ausbilden: eine undogmatische neue Mitte, deren Vertreter sich in einzelnen Sachfragen positionieren könnten, ohne von einer kirchenpolitischen Lagerzugehörigkeit bestimmt zu werden. Ein solches Szenario hielte ich für eine positive Entwicklung. Denn das würde ich der Kirche wünschen: Dass sie sich nicht in Richtungsdebatten verheddert, sondern sich der Probleme der Menschen annimmt. Ganz so, wie es Kardinal Hengsbach vorgelebt hat.
(Giovanni die Lorenzo in Christ und Welt 18/12)
In der aktuellen Ausgabe ist es mal wieder so weit. 
Redaktionsleiterin Finger läßt „Glauben und Zweifeln“ vollständig von einer überzeugten Katholikin füllen.
Esther Maria Magnis darf aus ihrem neuen Buch zitieren.

Die redaktionelle „Arbeit“ der Evelyn-Finger-Truppe beschränkt sich auf die folgenden 50 Worte:
„Esther Maria Magnis Jahrgang 1980, katholisch, ist in Ostwestfalen aufgewachsen. Sie hat Vergleichende Religionswissenschaft und Geschichte studiert. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin, hat mit »Gott braucht dich nicht. Eine Bekehrung« gerade ihr erstes Buch geschrieben (aus dem dieser Vorabdruck stammt), und erwartet in wenigen Wochen ihr erstes Kind.“
(ZEIT, 27.09.12., s.70.)
(Das Spannendste ist eigentlich der Druckfehler beim Datum. Dort steht nämlich in der Druckversion „20. September 2012 DIE ZEIT No 40“, obwohl es korrekt  „27. September 2012 DIE ZEIT No 40“ heißen müßte. Alle anderen Seiten der ZEIT haben das richtige Datum.)

Der Magnis-Auszug ist also nichts anderes als eine Werbung für den Rowohlt-Verlag, der allerdings ein 15-Seiten-Exposee des religiösen Geschwurbels ohnehin online gestellt hat.

Warum macht die ZEIT sowas?

Vielleicht gibt ein Blick auf die Eigentümerverhältnisse Aufschluss:

Seit 1982 gehören die Rowohlt Verlage zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, der - SO EIN ZUFALL - auch „DIE ZEIT“ gehört.

Soll ich noch was zu dem Inhalt des Buches etwas sagen?

Es kann sich jeder selbst mit einem Klick auf diesen Link ein Urteil bilden.

Zusammengefasst:
Magnis ist ultrakatholisch erzogen worden, fand das aber als Kind alles grottig langweilig. Dann folgen schwere Schicksalsschläge - Vater stirbt, Bruder stirbt - und Magnus hadert irgendwie mit ihrer Kirche.
Die Schilderungen der Gottesdienste sind ermüdend, die Kinder tun einem Leid. Insbesondere, als die Eltern sie auch noch zu einem ökumenischen Gottesdienst schleppen.
Ich wäre aber auch niemals freiwillig in die Messe gegangen, um diese Combo zu hören, nein, sie war, glaube ich, nur etwas für die Kinder, die eh schon da sitzen mussten. […]  Meine Schwester schrie sofort laut auf, als sie das Wort hörte, ich sagte leise »Scheiß-Ökumene«, und meine Mutter wurde sauer.  […]  »Ökumene dauert zehn Stunden. Bitte nicht, können wir bitte zu Hause bleiben? Das ist so schrecklich.« Meine Eltern hatten irgendwann Mitleid und ließen uns daheim. Der ökumenische Gottesdienst, den wir mitgemacht hatten, hatte zwei Stunden gedauert. Zuerst laberte der evangelische Pfarrer darüber, wie toll Ökumene sei, und dann, als man gerade dankbar seufzend beobachtet hatte, wie er die Kanzel verließ, kam ein katholischer Pfarrer und sagte noch mal das Gleiche: »Es ist gut, dass wir hier sind« und so Zeug. Alle fanden es gut, dass man da war. Nur wir Kinder nicht. Man stand nicht auf, nur zum Vaterunser, das schleppend im Chor gesprochen wurde und nur an einer Stelle holperte, wenn manche Katholiken, einschließlich wir drei Kinder, nach alter Gewohnheit sagten: »Ich glaube an die heilige katholische  Kirche« anstatt »heilige christliche Kirche«. Man kniete sich nicht hin, man tat eigentlich überhaupt gar nichts und war an die Bank gefesselt. Stundenlang. Ich habe es als körperliche Qual in Erinnerung. Wir gingen zwar meistens in die katholische Sonntagsmesse, waren aber auch oft in evangelischen Kirchen, weil mein Vater evangelisch war. Ich bemerkte bei meinen Eltern jedoch schon als Kind, dass sie teilweise ganz schön befreit und erleichtert in die Autositze plumpsten, wenn der Gottesdienst rum war. Einmal, das vergesse ich nie, jauchzte meine Mutter laut, als wir zu Hause ankamen. Sie warf sich in den Ledersessel, schwang ihre Beine über die Lehne, nachdem sie einen alten Schwarzweißfilm in den Videorekorder geschoben hatte, und sagte etwas wie: «Gell, Kinder, manchmal ist es doch schön, wenn man etwas geschafft hat.» Ich mochte Gott. In der Kirche war er mir oft langweilig, aber ich fand ihn grundsätzlich sehr interessant. Er schien etwas Wahnsinniges zu haben und etwas sehr Zartes.


Gottesdienste sind also öde?
Ach was?

Von einem Menschen zum Beispiel, der deswegen zum Atheisten wurde.

Gottesdienste sind eine todernste Sache, bei der man sich bei Vergegenwärtigung „der Leiden Jesu“ zumindest ganz heftig die Knie kaputt machen soll, indem man dauernd auf den harten Kirchenbänken niederfällt.
Gottesdienst ist harte psychische Arbeit - wie schon Jürgen Becker über seine Erfahrungen als Kind beim lateinischen Hochamt sagte -


 „das war so ungeheuer öde! Wer das überstanden hat, langweilt sich nie wieder im Leben. Ich kann jetzt stundenlang eine weiße Wand ansehen und finde es spannend!“


Magnis‘ Stil erinnert  ein bißchen an Agota-Kristof für Arme. Blutleer und trocken.
nur daß dadurch kein Effekt erzielt wird - es ist einfach banal:
Auf meinem Tier- und Naturkalender entdeckte ich in giftgrünen Blättern einen roten Frosch. Ich konnte nicht glauben, dass er echt war. Ich fragte Mama, und sie sagte ja. Es gäbe tolle Farben in der Natur, und sie las mir vor, was da hinten auf dem Kalenderblatt stand, und erzählte mir von den Krebsen in Afrika, die in roten Panzerkolonien über die Straßen wanderten, als sie meinen Vater kennenlernte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es große rote Dinge in der Natur gibt. Blutbäder, wenn Wale im Wasser mit weißen Bäuchen oben schwimmen, aber das will ich nicht Natur nennen. Es ist aber wohl doch vielleicht Natur, ich weiß es nicht. Kommt drauf an, wie man den Menschen sieht mit dem, was er tut. Wir hatten zuerst die Welpen gestreichelt, mein kleiner Bruder und ich. Die Eltern unserer Babysitterin hatten einen Bauernhof, und in dem unbenutzten, grün gekachelten Badezimmer hatte der Hund vor drei Wochen geworfen. Seit wir Kinder davon wussten, bettelten wir jeden Tag, die Hundebabys sehen zu dürfen. 

Man versteht es als Leser sehr gut; Gott im real existierenden Kirchismus ist eine Qual für die Kinder.

Als ich in die Pubertät kam, bestanden sie hauptsächlich aus Rumsülzen. Na ja, nicht nur. Vor Mathe-, Chemie-, Physik-, Latein-, Französisch- und Englischklausuren habe ich sehr intensiv gebettelt. Wenn ich dann eine Vier plus hatte, habe ich gejubelt und »Geil! Danke« gesagt, wenn ich eine Fünf hatte, war ich stumm und hatte dieses ätzende Gefühl, das jeder kennt, der schon mal gebetet und sich das dazu nötige Vertrauen abgerungen hat und der dann vor dem gegenteiligen Ergebnis seiner Bitte saß. Es war in diesem Alter, so mit dreizehn, vierzehn, als ich begann, mich leise von Gott zu trennen. […] Je mehr Predigten ich hörte, umso mehr bekam ich das Gefühl, dass ich nicht in seinem Sinn handeln und bestehen konnte, dass wir nicht viel miteinander zu tun hatten. Dieses Gefühl wurde durch den durchgeknallten Anspruch mancher Predigten erzeugt. […] »Der Mensch ist der Zerstörer, weg mit Tetrapack!«, konnte man in den Predigten genau das Gleiche lernen. Das nehme ich der Kirche übel. Dass sie mir das Gefühl gab, das Leben eines engagierten, durchschnittsgrünen Gymnasiallehrers führen zu müssen oder das eines adretten Backfischs aus den siebziger Jahren, der anfängt zu kichern, wenn er das Wort »schmusen« hört, und dessen einzige gerngesehene rebellische Jugendlichkeit darin besteht, Kumbaya, my Lord an Lagerfeuern zu singen.
(ZEIT, 27.09.12., s.70.)

Tja, die Kirche macht alles falsch, schreckt die jungen Leute durch Langweile ab und Religionswissenschaftlerin Esther M. erklärt uns nun, daß Gott doch ganz super ist.

Man findet Empfehlungen für dieses Holtzbrinck-Rowohlt-Zeit-Werk auf beinahe allen christlichen Webseiten.  

 Und zwar in genau der Sprache, die es mir a priori unmöglich macht die Autorin ernst zu nehmen:

Doch dieser schweigende Gott, den sie nicht kennen wollte, dieser Gott "kennt auch dich". Diese drei Wörter veränderten ihr Leben und waren der Beginn eines neuen Glaubens. Sie musste für sich feststellen: Gott ist weit weg, und oft verstehe ich ihn nicht. Genau wie der biblische Hiob erkannte sie aber: Gott ist Gott, er ist Wirklichkeit und Wahrheit. Nicht wir, sondern er habe das Recht zu schweigen. Doch dieser Gott als die einzig wahre Realität wurde Mensch in Jesus. Am Ende dieser Wende stand für Magnis das Ergebnis fest: "Der einzige Grund, sich davor zu fürchten, Gott das eigene Leben zu geben, ist, wenn man glaubt, man habe einen besseren Plan. Man habe die Wahrheit und wisse, warum man hier ist. Ich weiß es nicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen." "Gott braucht dich nicht" ist ein packender Roman, in dem die Autorin unzensiert ihren Weg mit Gott schildert und auf emotionale Weise die großen Fragen des Lebens beantwortet.

Weswegen ich für mein ZEIT-Abo bezahle ist mir allerdings noch ein Stück unklarer geworden.

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