Dienstag, 5. Juni 2012

Das Nichts




Die Sieger schreiben Geschichte.
Daher erinnert sich jeder, der an den 2005er Wahlkampf denkt nur noch an den pampigen Gerd Schröder in der Elefantenrunde, der ganz offensichtlich ein Glas Rotwein zu viel hatte.
Das ist ungerecht, denn da waren die Würfel schon gefallen.

In Wahrheit war es so, daß Schröder zum Entsetzen seiner Partei und des Grünen Koalitionspartners am 22.05.2005 unmittelbar nach dem schockierenden Rüttgers-Durchmarsch in NRW die Reißleine gezogen hatte und in aussichtsloser Lage Neuwahlen angesetzt hatte.

Die CDU lag im Juni 2005 in der Sonntagsfrage bei der absoluten Mehrheit von ungefähr 49%. Dazu kamen rund acht Prozent für Guido. Die SPD weit abgeschlagen.

Merkel hatte in den letzten sechs Jahren die rotgrüne Regierung regelrecht zersetzt, indem sie als „Mme Njet“ im Bundesrat alles blockierte. 
Sie führte eine völlig verantwortungslose Fundamentaloppositions-Strategie durch, die selbst die vernünftigsten Dinge stoppte. 
Das Land war ihr völlig egal. Sie wollte aktiv die Wirtschaft ruinieren und Deutschlands außenpolitischen Ruf kaputt machen, weil sie hoffte, daß ein Land in Agonie sich von der Regierung abwenden würde.

Die CDU-Chefin hatte sich seit ihrer „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“ Kampagne in Hessen (Januar 1999) ohnehin moralisch diskreditiert.

Schröder erkannte, daß diese Zermürbungsmethode funktionierte. 
Zumal Merkel fast die gesamte Großpresse auf ihre Seite gebracht hatte. 
Ihre Spezies Friede Springer, Liz Mohn und Sabine Christiansen machten massiv Stimmung gegen Schröder.

Die Neuwahlentscheidung überrumpelte die destruktive Matrone des Konrad-Adenauer-Hauses aber insofern, als sie nun zur direkten Konfrontation gezwungen wurde. 
Sie mußte aus der Deckung und sich in mehrere TV-Duelle mit dem amtierenden Kanzler wagen.

Dabei machte Schröder seine Sache in auswegloser Lage geradezu brillant.
 Mit Detailwissen, Erdung an der Basis, Witz und Intelligenz schaffte er es FAST noch einmal das Blatt zu wenden. Nicht einmal dir größten Optimisten in der SPD hatten daran geglaubt.
Eine furiose Aufholmacht gelang umso besser, je mehr die Deutschen den direkten Vergleich zwischen dem charismatischen Staatsmann Schröder und der Ost-Wuchtbrumme ohne Erfahrung und Charakter vor Augen hatten.

Nur der minimal zu frühe Wahltermin rettete Merkel den nicht vorhandenen Hals.
Die SPD war auf 34,2% geklettert und die CDU auf 35,2% abgeruscht. 
Noch ein oder zwei Wochen länger und Merkel wäre tatsächlich nie Kanzlerin geworden.
Woran lag’s? Nur an Schröder. 

Als Bundeskanzler ist er einfach drei Klassen besser, als Merkel, die sich mit Nicht-Regieren durchmogelt.

Unglücklicherweise haben wir uns aber inzwischen so daran gewöhnt, daß die apolitische Mauschlerin im Kanzleramt hockt, daß wir es für völlig normal halten, wenn die offensichtlich dringend anliegenden Dinge jahrelang ignoriert werden.

Minister, die ihren eigentlich Job schon seit Jahren verschlafen, sind nach wie vor in Amt und Würden.
 Ja, Röttgen, der stoisch die „Energiewende“ verdrängte und sich nie um die Atomendlagersuche kümmerte, ist nun weg. 
Aber was heißt das schon, wenn Schavan, Rösler, Schäuble und Westerwelle weiterdösen dürfen?

Nach fast drei Jahren im Amt kam die unbestritten schlechteste Regierung, die Deutschland je hatte, gestern mal wieder zu einem Krisengipfel zusammen.
 Der Bajuwarische Donnergott hatte vernehmlich im ZDF gegrollt, so daß seinem demoskopisch kastrierten Parteichefkollegen Rösler schon vor Schreck die Frosch-Vergleiche ausgingen. Seehofer wollte es mal so richtig krachen lassen.

Und nun ist das Ergebnis so wie immer: Es gibt kein Ergebnis. 

Zwar hat die Koalition eine ganze Latte von Megabaustellen ……

    ...die Vorratsdatenspeicherung, das Dauerzoff-Thema der Koalition. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizkollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stehen sich unversöhnlich gegenüber. Inzwischen klagt die EU vor dem Europäischen Gerichtshof, weil die entsprechende Brüsseler Richtlinie nicht umgesetzt ist. Die Liberalen wollten hart bleiben und sich einer anlasslosen Speicherung von Kommunikationsdaten weiterhin verweigern.
    ...den Mindestlohn: Die CDU hofft noch immer, die FDP für allgemein verbindliche Lohnuntergrenzen in jenen Branchen zu überzeugen, in denen es keine Tarifverträge gibt. Doch die Liberalen sträuben sich.
    ...die Pkw-Maut: Die CDU will keine Maut, die FDP will keine Maut - nur die CSU bringt das Thema regelmäßig wieder auf. Die Liberalen spotteten im Vorfeld schon, mit der Maut sei es wie mit dem Ungeheuer Nessie: Es tauche immer wieder auf, obwohl jeder wisse, dass es es nicht gibt. So wird es weiter gehen.
    ...die Frauenquote: Merkel und Seehofer wollen die sogenannte Flexi-Quote, bei der sich Unternehmen verpflichten, eine selbst gesetzte Frauenquote zu erreichen. Die FDP ist gegen jede Form der Quote.
    ...die Praxisgebühr: Angesichts der Milliardenüberschüsse der Sozialkassen will die FDP die Zehn-Euro-Gebühr abschaffen, um die Versicherten zu entlasten. Die CDU will lieber Rücklagen für schlechte Zeiten bilden.

….aber Merkel macht es wie immer - auf die lange Bank schieben.

Wie immer bei brisanten Themen blockiert sich die schwarz-gelbe Schlafwagentruppe gegenseitig.

Einzig die vollkommen gagaeske Bildungsfernhalteprämie, eine Milliarden-teure Geldverschwendung, um die Jugend systematisch zu verblöden wurde „verabschiedet“. 

Natürlich durch einen Kuhhandel: Wenn schon die CSU auf Kosten der nächsten Generation Geld raus prassen darf, bekommt die FDP auch einen süßen Lutscher. Natürlich auch einen Milliarden-schweren. Den sogenannten Pflege-Bahr, bei dem die FDP-spendende Versicherungslobby mit fünf Staats-Euro subventioniert wird.
Selbst Friede Springers Blätter können kaum noch verhehlen, daß Merkels Leistungen ein Totalausfall sind.

Die Kontrahenten, die eigentlich gemeinsam Europas wichtigste Wirtschaftsnation lenken sollten, verheddern sich immer wieder zwischen Koalitionsvertrag, Parteiprogrammen, Klientelpolitik und Animositäten. Alte Beschlüsse werden infrage gestellt, neue Forderungen erhoben. Sie erwecken allzu oft den Eindruck, dass bei ihnen Eigennutz vor dem Wohl des Landes rangiert. Und so werden immer wieder Dreiergespräche der Parteivorsitzenden oder Koalitionsgipfel zu Krisentreffen. […]
Den Eindruck von Harmonie werden diese Koalitionäre in ihrer Endphase nicht mehr vermitteln können, eher Endzeitstimmung.


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