Sogar sein Polit-Zwilling Donald Trump soll die Nase von Bibi Netanyahu voll haben.
Mit dem Angriff auf Katar vergraulte die Israelische Regierung die allerletzten Freunde, die sie noch auf der Welt hat(te). Selbst die ausgesprochenen Friedens-orientierten Intellektuellen des Nahen Ostens, wie Sultan Barakat*, sind völlig desillusioniert.
*Der kuwaitische Politikwissenschaftler Sultan Barakat, 55, ist Professor am College of Public Policy der Hamad Bin Khalifa University in Doha. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung kriegszerstörter Gesellschaften und deren Wiederaufbau. Barakat engagiert sich seit vielen Jahren für Friedenslösungen in Konfliktgebieten wie dem Jemen, Syrien und Afghanistan. – SPIEGEL
Überdeutlich zeigt die israelische Regierung, daß sie nicht an Frieden interessiert ist und die Konflikte maximieren will.
[….] SPIEGEL: Wie beurteilen die Menschen in Katar Israels Angriff in ihrer Hauptstadt?
Barakat: Eine solche Attacke auf Gäste des Landes beweist, dass Israel kein Interesse an einer friedlichen Lösung des Konflikts mit den Palästinensern hat. Die Freilassung der Geiseln in Gaza ist Israels Premierminister Benjamin Netanyahu ganz offensichtlich nicht wichtig. Jedes Mal, wenn die Verhandlungen kurz vor dem Erfolg stehen, macht er etwas Verrücktes, um ein Ergebnis zu verhindern. [….] Der Angriff gegen die Hamas-Delegation fand während der laufenden Verhandlung statt, gerade als die Hamas in Erwägung zog, den Vorschlag der USA anzunehmen, der eigentlich die Forderungen Israels enthielt. Ein schamloser Angriff auf alle diplomatischen Grundsätze. Mediatoren garantieren beiden Seiten einen unparteiischen Rahmen, um einen Konflikt zu lösen. Diese Attacke verletzt das Vertrauen der Katarer gegenüber Israel zutiefst, so fragil dies ohnehin war, und es zerstört das wenige Vertrauen, das die Verhandlungsparteien miteinander aufbauen konnten, so gering auch das gewesen sein mag. [….] Nun müssen sich die Katarer und die Golfländer und regionalen Partner der USA fragen, wie glaubwürdig die Vereinigten Staaten sind, wenn es darum geht, sie vor Israel zu schützen. Israel ist ein Schurkenstaat, der internationales Recht mit Füßen tritt. Der Golf sollte schnell von Europa lernen, was es bedeutet, von den USA fallen gelassen zu werden. [….] Netanyahu hat in Gaza alle roten Linien der Menschlichkeit übertreten. Außer dem Massenmord in Gaza – ich nenne es Genozid – hat er allein im vergangenen Jahr Syrien angegriffen, und auch den Libanon, dort tötete er politische Führer. Er hat Iran angegriffen, ebenfalls während Verhandlungen, mit vielen Toten, und auch dort versucht, gewählte politische Führer zu töten. Er ermordete die halbe Regierung im Jemen, er hat Irak angegriffen und jetzt Katar. Israel operiert inzwischen mehr wie eine Militärbasis denn wie ein Staat. Es ist Netanyahus Verdienst, dass Israel in der Region als extremistisches Regime und Pariastaat betrachtet wird. [….]
Die Tabu-Brüche, die aberwitzigen Grausamkeiten, das stolze Ignorieren jedes internationalen Rechtes sprechen eine deutliche Sprache. Hier wird nach Vernichtung getrachtet und nicht nach Einigung oder Koexistenz.
[….] Viel deutlicher kann man es nicht machen, dass man gar nicht an einem Waffenstillstand interessiert ist oder gar an einer Zukunft für Gaza, die auch die Palästinenser beinhaltet. Am Dienstag griff die israelische Armee ein Treffen von Hamas-Funktionären an, die sich in Katars Hauptstadt Doha gerade über einen neuen Plan der USA beugten, wie in Gaza die Waffen schweigen sollten. Nun erhielten sie die Antwort aus Jerusalem: in Form von Bomben. [….] Am Montag aber waren die Weichen schon längst auf Krieg gestellt. Die Hamas hatte in den Wochen zuvor alle Bedingungen der USA und Israels erfüllt, was einen Waffenstillstand angeht. Netanjahu hatte darauf mit dem Plan geantwortet, Gaza-Stadt zu erobern. Er will den endlosen Krieg: Seit Beginn der Woche griff die israelische Armee nicht nur Ziele in Gaza und im Westjordanland an, sondern auch in Syrien, Jemen und Libanon. Und nun eben noch Katar. Israel hat sich offenbar von dem Ziel verabschiedet, seine Beziehungen mit Staaten wie Saudi-Arabien und anderen Ländern am Golf zu normalisieren. [….]
Netanyahu sucht täglich die nächste Eskalation. Ratio spielt in seinem Denken und Handeln ganz offenkundig gar keine Rolle mehr.
[…..] Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat ein Abkommen unterzeichnet, um einen umstrittenen Siedlungsausbauplan voranzutreiben. Die Siedlung würde das Land durchschneiden, von dem die Palästinenser hoffen, dass es die Grundlage für einen künftigen Staat bildet.
"Es wird keinen palästinensischen Staat geben", sagte Netanjahu am Donnerstag bei einem Besuch in der Siedlung Maale Adumim im Westjordanland. "Dieser Ort gehört uns... Wir werden unser Erbe, unser Land und unsere Sicherheit schützen. Wir werden die Einwohnerzahl der Stadt verdoppeln." Israels höherer Planungsausschuss hatte im August die endgültige Genehmigung für das Siedlungsprojekt E1 im besetzten Westjordanland erteilt. […..]
Seit Jahrzehnten besteht in der internationalen Gemeinschaft Einigkeit, daß die radikalen israelischen Siedler auf Palästinensischem Land das größte Friedenshindernis sind. Das sah selbst der stramm rechte Falke Ariel Sharon ein und ließ daher vor 20 Jahren die israelischen Siedlungen in Gaza räumen.
Die dort klebenden ultraorthodoxen Juden konnten es nicht fassen, von ihrer eigenen erzkonservativen Regierung so behandelt zu werden. Eine Zweistaaten-Lösung rückte dennoch nicht näher, weil die Siedler in Gaza zahlenmäßig ohnehin zu vernachlässigen sind. Die Masse sitzt im Westjordanland. Diese Woche erneut demonstrativ gefördert von Bibi. Bibi will keinen Frieden. Bibi will Krieg.
Deswegen rückt auch Brüssel von Israel ab. Bibi hat nur noch sechs Freunde auf der Welt: Trump, Merz, Wadephul, Dobrindt, Döpfner und Reichelt.
[….] Bundesaußenminister Wadephul hat verhalten auf die Ankündigung von EU-Kommissionpräsidentin von der Leyen reagiert, Hilfszahlungen an Israel auszusetzen. Man habe die Rede von der Leyens zur Kenntnis genommen, sagte Wadephul in Berlin. [….] Bundesinnenminister Dobrindt reagierte mit Unverständnis. Er sehe mit äußerster Skepsis, was offensichtlich in Brüssel entschieden worden sei. Weiter sagte der CSU-Politiker, aus seiner Sicht gebe es keinen hinreichenden Grund, Gelder für Israel einzufrieren oder über die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zu beraten.
Von der Leyen hatte im Europaparlament in Straßburg erklärt, die EU werde Zahlungen an Israel wegen des Vorgehens im Gazastreifen aussetzen. Zudem werde die Kommission Sanktionen gegen extremistische israelische Minister sowie eine teilweise Aussetzung des Assoziierungsabkommens in Handelsfragen vorschlagen. [….]
Es ist nicht nur erlaubt, sondern unbedingt notwendig, Netanyahu in die Parade zu fahren, ihn mit scharfen Worten zu attackieren, alle rechtlichen und diplomatischen Mittel gegen ihn zu nutzen. Der Mann ist ein Verbrecher, der Myriaden tote Zivilisten auf dem Gewissen hat und Krieg führt. Daher ist es moralisch geboten, sich gegen Bibi zu stellen. Es ist aber auch ein Akt der Fürsorge für das Land Israel; denn die Sicherheit der eigenen Bevölkerung talibanisiert der Regierungschef erst Recht, indem er systematisch internationalen Hass auf seine Nation zieht.
Da ich in einem ausgesprochen Israel-freundlichen Haushalt aufwuchs, gruselt es mich sehr, überall in der westlichen Welt enorme Israel-Verachtung im Studenten-Milieu zu sehen. Das ist bei mir emotional mit einem riesigen „das tut man nicht!“ versehen. Aber angesichts der geschilderten politischen Lage, bin ich natürlich auch nicht verwundert, wenn die Beliebtheit Israels bei Teens und Twens, irgendwo zwischen Fußpilz und Mundfäule liegt. Natürlich ist die Bereitschaft zu Nüchternheit und Differenzierung, angesichts der seit Jahren andauernden Flut apokalyptischer Bilder, nicht mehr ausgeprägt. Es hat sich so viel Wut und Verzweiflung angesammelt, daß ein emotionales Ventil herbeigesehnt wird. Man will das Morden stoppen, dem Krieg Einhalt gebieten und die strafen, die skrupellos weitermachen.
Sanktionen, Ächtungen, Boykotte, nicht mit einem Israelischen Sänger beim ESC rumhopsen; irgendetwas, das Israel weh tut. Aber Achtung; das meiste davon ist amoralisch und trifft die Falschen.
[….] Harte, durchaus berechtigte Kritik an der israelischen Regierung ist eine Selbstverständlichkeit und kein Judenhass. Allerdings zeigt sich die sehr vitale israelische Demokratie täglich auf den Straßen Tel Avivs. Viele Israelis zeigen dort ihre kritische Haltung gegenüber ihrer Regierung, sie demonstrieren wöchentlich, und selbst die Gerichte in Israel entscheiden gegen die Regierung, und dies im Krieg. [….] In der Kultur, die es genauso wenig gibt wie die Juden, verrennen sich derweil in Deutschland vor aller Augen zahlreiche Menschen immer weiter hinein in den Antisemitismus. Schon der BDS - jene Bewegung, die alle israelische Künstlerinnen und Wissenschaftler boykottieren will, die also Individuen als Geiseln eines angenommenen Kollektivs nimmt - trägt die Fratze des Autoritären. [….]
Ganz offensichtlich genügt aber der diplomatische Druck aus Europa nicht, um Bibi zum Einhalten zu bringen. Es entwickelt sich immer mehr Frust und Wut, die sich immer ungezielter über alles mit Bibi Konnotierte gießen.(….) Den Auszug aus Michel Friedmans Buch „Judenhass“ hatte ich vor knapp drei Wochen sehr gelobt, als ich versuchte, die verschiedenen Formen des Antisemitismus zu erklären. Eigenartigerweise fällt es so vielen Menschen schwer, Kritik an Israel, an Israels Regierung oder an Israels Außenpolitik von Antisemitismus zu trennen.
Dabei ist es gar nicht so schwer, sich zu positionieren, ohne in gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit abzudriften.
Erschreckenderweise wurde Friedman inzwischen schon wieder genötigt, einen aufklärenden, aber auch sehr bitteren Text zum Thema zu schreiben, weil die Kunstschaffenden bei der Berlinale unfähig waren, sich richtig auszudrücken, das Publikum viel zu tumb war, um richtig zu reagieren und anschließend die ätzende Kritik an der Veranstaltung weit über das Ziel hinausschoss. Wer sich Frieden in Gaza wünscht und dies laut sagt, ist natürlich nicht deswegen ein Antisemit. (….)
(Pauschalisierungen sind unvermeidbar, 29. Februar 2024)
In seinem vorletzten Buch „Judenhass“ (Berlin Verlag 2024) dröselt Michel Friedman die Situation auf und erklärt in leicht verständlichen Worten, was judenfeindliche linke Akademiker und Kunstschaffende bedenken sollten.
[….] Die Documenta in Kassel hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass BDS* auch ein eliminatorisches Prinzip formuliert. Selbst die bekanntesten Wissenschaftler, Künstlerinnen, Musiker sollen nicht mehr auftreten dürfen, bekommen also ein lebenslanges Berufsverbot, nur weil sie israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind. Selbst wenn sie sich gegen die Regierung auflehnen, ihre Politik also verurteilen und für eine Zweistaatenlösung kämpfen, ändert das nichts an dem Bann. Sie sind Juden und als solche verdächtigt, angeklagt. Verurteilt. Eine Kollektivstrafe, die der Einzelne nicht aufheben kann. Diese autoritäre, größenwahnsinnige Haltung, die auch von vielen Nichtjuden aus unterschiedlichen Gründen als mutig und konsequent angesehen wird, ist Antisemitismus. Boykott ist immer undifferenziert. Wenn also wie bisher israelische Musiker, Wissenschaftlerinnen und Künstler nicht mehr auftreten dürfen, nur weil sie Israelis sind, und dies als gerecht empfunden wird, ist das für mich ein Ausdruck blinder Selbstgerechtigkeit. [….]
(M. Friedmann, zitiert aus dem SPIEGEL, 27.01.2024)
* Boycott, Divestment and Sanctions ist eine transnationale politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will.
Ich verstehe den Frust des belgischen Flanders Festival Ghent auf Israel. Daß sie sich keinen Israelischen Musiker einladen wollen, weil sie befürchten, das Gaza-Massaker zu normalisieren.
[….] Nach dem gestrichenen Auftritt der Münchner Philharmoniker mit dem israelischen Dirigenten Lahav Shani in Belgien tritt das Orchester nun kurzfristig in Berlin auf. Das Musikfest Berlin lädt die Münchner Philharmoniker und ihren künftigen Chefdirigenten am Montagabend (15. September) zu einem Gastspiel ein.
Die Einladung erfolge als gemeinsame Initiative der Berliner Festspiele und der Stiftung Berliner Philharmoniker in Zusammenarbeit mit dem Konzerthaus Berlin. Damit solle ein Zeichen gesetzt werden „für die verbindende Kraft der Kunst, die Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaften in Europa und gegen Antisemitismus, Diskriminierung und den Boykott in Kunst und Wissenschaft“.
Der Stiftungsvorstand der Berliner Philharmoniker hat zur Ausladung zudem eine geharnischte Stellungnahme verfasst.
In ihr heißt es: „Lahav Shani ist unserem Orchester seit seinem Debüt im September 2020 eng verbunden. In dieser Zeit haben wir ihn als reflektierten Künstler und einen Menschen kennengelernt, der sich – gerade im Hinblick auf den Nahost-Konflikt – immer wieder klar für Frieden, Dialog und Versöhnung ausgesprochen hat. Einen Künstler aufgrund seiner Herkunft von einem Festival auszuschließen, ist falsch und widerspricht unserem Verständnis von Musik und Kultur. Wir sind überzeugt, dass gerade in diesen Zeiten die Musik Brücken bauen sollte, anstatt Gräben zu vertiefen.“ [….]
Der Stiftungsvorstand der Berliner Philharmoniker hat RECHT; genau das geht eben nicht, daß man einen Menschen aufgrund seiner zufälligen Zugehörigkeit zu einer ethnischen, sexuellen oder religiösen Gruppe bestraft.
Auch der Pianist Igor Levit hat die Ausladung scharf kritisiert. Im Interview mit den tagesthemen sagte er, er sei "wütend und erschüttert". Die Ausladung Shanis bezeichnete er als kollektive Bestrafung für das gesamte Orchester.
Ein Auftrittsverbot, weil Shani ein Jude ist, kann man niemals rechtfertigen!
[….] Um den israelischen Dirigenten Lahav Shani reißen sich die Orchester der Welt. Doch bei einem Festival in Belgien darf er nicht auftreten. Warum ausgerechnet er und warum ausgerechnet jetzt?
[….] Jetzt ist der Musiker selbst in diesen Konflikt geraten. Weil seine Haltung gegenüber dem „genocidal regime in Tel Aviv“ nicht klar sei, so die offizielle Begründung, hat jetzt das Flanders Festival Ghent in Belgien Lahav Shanis Auftritt zusammen mit den Münchner Philharmonikern für kommende Woche überraschend abgesagt. [….] Lahav Shani selbst – er hat sich immer wieder und auch in dieser Zeitung gegen Krieg und für Frieden und Versöhnung ausgesprochen – dürfte von dieser Eskalation nicht ganz so überrascht gewesen sein. [….] Warum aber trifft es Shani und warum trifft es ihn jetzt? Die Antwort ist einfach: Der 36-jährige in Tel Aviv geborene Musiker ist Chef des dort ansässigen legendären Israel Philharmonic Orchestra (IPO). Das 1936 von dem Geiger Bronislav Huberman mit vor den Nazis geflohenen Musikern gegründete Ensemble ist das kulturelle Aushängeschild des Landes schlechthin. Es ist allerdings kein Staatsorchester und muss sich selbst und mühselig um seine Finanzierung kümmern. Das IPO ist dennoch das vielleicht weltbeste Sinfonieorchester, dessen warmen Klang, einmal erlebt, jede Hörerin und jeder Hörer auf ewig verfällt. Allein der Chefposten beim IPO macht Shani zu einer idealen Projektionsfläche, auch für Proteste gegen die derzeitige israelische Regierung: „Es gibt Menschen, die gegen die israelische Politik ihre Stimme erheben und glauben, dass ich ein Adressat bin.“ [….]
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