Montag, 22. Juli 2024

OK, dann also Harris.

Bisher schien der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf 2024 zu einem Referendum über Bidens kognitive und physische Kräfte zu mutieren. Eine entsetzliche Situation für die Demokraten, die zwar auf eine enorme Erfolgsliste der Biden-Präsidentschaft verweisen konnten, damit aber überhaupt kein Gehör fanden, weil alle nur auf seinen nächsten Versprecher am Rednerpult und den nächsten Stolperer auf einer Gangway fokussiert waren.

[…..]  in den vergangen dreieinhalb Jahren haben wir große Fortschritte in diesem Land erzielt. Heute hat Amerika die stärkste Wirtschaft der Welt. Wir haben historische Investitionen getätigt, in den Wiederaufbau unser Nation, in Preissenkungen für verschreibungspflichtige Medikamente für Rentnerinnen und Rentner, und in eine bezahlbare Gesundheitsversorgung für eine Rekordzahl von Amerikanerinnen und Amerikanern. Wir haben einer Millionen Veteranen, die mit giftigen Substanzen in Kontakt kamen, dringend benötigte Hilfe zukommen lassen. Haben erstmals in dreißig Jahren das Waffenrecht für mehr Sicherheit angepasst. Und die erste afroamerikanische Frau in den Obersten Gerichtshof berufen. Außerdem haben wir die bedeutendste Klimagesetzgebung der Welt verabschiedet. Amerika war noch nie in einer besseren Verfassung für eine Führungsrolle in der Welt.

Niemals hätten wir das ohne Sie, das amerikanische Volk, schaffen können, das weiß ich. Zusammen haben wir eine Jahrhundert-Pandemie und die schlimmste Wirtschaftskrise seit der großen Depression überwunden. Wir haben unsere Demokratie verteidigt und gesichert. Und wir haben das Verhältnis zu unseren Verbündeten weltweit revitalisiert und gestärkt.  […..]

(Joe Biden, 21.07.2024)

Das Tattergreis-Thema wurde von eben auf jetzt begraben. Biden tritt nicht mehr an.

Worüber sich die QTrumpliKKKans eben noch so köstlich amüsierten, sucht sie nun selbst heim: Der Wahlkampf wird zu einem Referendum über Trumps mentalen Verfall.

24 Stunden nach Joe Bidens unausweichlichem, aber dann doch überraschenden Rückzug, haben sich die Demokraten erstaunlich konsolidiert

Anders, als gestern, glaube ich nicht mehr an eine „open convention“ oder die alternativen Kandidaten, wie Newsom, Whitmer oder Buttigieg. Alle haben sich bereits hinter Harris versammelt.

Glücklicherweise scheint auch das Thema „Dolchstoßlegende“ einigermaßen vom Tisch zu sein. Biden beugte sich nicht dem zunehmenden Druck durch Megapromis wie Pelosi und Obama, um endlich Platz zu machen. Es war nicht seine Partei, die ihm in den Rücken fiel.

Ihm fiel niemand in den Rücken. Es waren seine engsten langjährigen Berater Mike Donilon und Steve Ricchetti, die seit den frühen 1980ern für ihn arbeiten und denen er grenzenlos vertraut, die ihm in der Covidschen Abgeschiedenheit von Delaware Daten präsentierten, welche die Erosion seiner Zustimmung in den Swingstates so klar belegten, daß es keine Möglichkeit mehr für eine Mehrheit im Electoral College gibt. Donilon und Ricchetti, an deren absoluter Unterstützung Bidens keinerlei Zweifel besteht, erklärten ihm, er werde definitiv am 20.01.2025 nicht mehr Präsident sein. Die Frage sei nur noch, ob er dann an Donald Trump übergebe, oder an eine/n Demokrate(i)n. Offenbar ist Biden aber durchaus noch fähig, rationale Entscheidungen zu treffen und zog aus diesen Datensätzen die einzig mögliche Konsequenz: Rückzug und volle Unterstützung für seine Stellvertreterin.

Ganz gegen meine Natur, bin ich leicht optimistisch. Die meisten Demokraten vermochten es nicht, Biden direkt zu attackieren, weil sie ihn wirklich schätzen und verehren. Umso unerträglicher war der Geronto-Mehltau, den der Präsident über den Wahlkampf ausbreitete. Von dieser Fessel sind sie nun befreit und zwar ohne das schlechte Gewissen, einen politischen Meuchelmord begangen zu haben.

Enthusiasmus macht sich breit, Spenden sprudeln wieder und alle demokratischen Aktivisten, die bisher ihre Energie für eine deprimierende „lesser of two evils“-Argumentation verbrauchten, um widerwillig Biden schön zu reden, können jetzt auf eine positive Botschaft umschwenken und Harris preisen.

Das Megathema „Roe v. Wade, das für die GOPer bei den 2022er Zwischenwahlen bereits katastrophal wirkte, scheint anders als für den alten Mann Biden, für Harris maßgeschneidert.

Über Harris bricht nun eine gewaltige Welle der Unterstützung ein.

Zudem passt er bisheriger Karriereweg als Anklägerin ideal als Gegenentwurf zum notorisch kriminellen Trump.

1989 Promotion Jura, 1990 Anwältin. Von 1990 bis 1998 Assistentin des District Attorneys von Alameda County, 1998 Mitarbeiterin des Bezirksstaatsanwalts von San Francisco. 2003 Bezirksstaatsanwältin in San Francisco. 2007 Wiederwahl. 2010 Attorney General/Justizministerin in Kalifornien. 2015 Wiederwahl in ihre zweite Amtszeit. 2016 Wahl zur US-Senatorin, 2021 US-Vizepräsidentin.

Damit käme es bei ihrer Kandidatur für die US-Präsidentschaft zu dem  interessanten Duell PROSECUTER gegen CONVICTED FELLON.

Sexualstraftäter gegen Staatsanwältin.

Sie betrat immer voller Stolz mit dem Satz "Kamala Harris for the people" den Gerichtssaal. Das diametrale Gegenteil zu Trump, der nur an sich denkt und immer auf der Anklagebank saß. Das gibt für die Organisatoren der demokratischen Wahlkampfkampagne enorme Vorlagen, um gegen den kriminellen und mit 78 Jahren ältesten Menschen, der je zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde.

Wie verzweifelt die Republikaner über die neue Lage sind, zeigt sich daran, wie sie sofort in die unterste Schublade der persönlichen und rassistischen Beleidigungen greifen.

Hulk Hogan, der weiße Wüterich, der für die Verwendung des Wortes „Nigger“ 2015 bei "World Wrestling Entertainment" (WWE) rausflog, wurde auf dem Trump-Nominierungsparteitag 2024 zum Star der Republikaner.

Statt „Nigger“ setzt FOX-News auf die drei Buchstaben „DEI“ (Diversity, Equity and Inclusion), die immer mit dem Namen Harris verwendet werden, um auf ihre Hautfarbe hinzuweisen.

[….]  “Cackling,” “ho,” “ditzy,” “bimbo,” “DEI Vice President.”

These are the classy terms right-wing media has used to caricature Kamala Harris over the last four years. Following President Joe Biden’s disastrous debate performance, the possibility of a Kamala takeover has jumped from a fever-dream conspiracy theory on right-wing airwaves to a real possibility, leaving right-wing media scrambling. [….] Yes, Harris endures an enormous amount of racist, sexist bullshit from Fox News and the far-right noise machine. And if there’s one thing to be said about right-wing media, it’s that it can adapt, and adapt fast. But after Harris’ four years as vice president, the right’s attacks on her as a so-called “DEI Vice President” are still falling short of the toxic misogyny that helped Donald Trump win the 2016 election. In this video, Kat outlines right-wing media’s favorite jabs against Harris, how they differ from their endless campaign against Hillary, and why they are now firing on all cylinders to reinvent the Kamala narrative for their viewers before it’s too late.  [….]

(Mother Jones, 12.07.2024)

Besonders perfide: Dazu wird ihr Vorname „Kamala“ stets absichtlich falsch, um sie als unamerikanisch zu diskreditieren.

[…..] Kuh-MAL-a. Kuh-MEL-a. Camel-a.

Nearly half of the speakers who used Vice President Harris’s first name at this week’s Republican National Convention pronounced it incorrectly.

Whether by mistake or intentionally, some of Harris’s political opponents have repeatedly mispronounced her name. Among the speakers at the convention who did so are members of Congress and a governor.

For the record, it’s Comma-la.

Harris has drawn attention from the Republican speakers amid calls from within the Democratic Party for President Biden to drop out of the 2024 race. While nearly all mentioned Biden in their speeches, more than four in 10 spoke about Harris, whom Republicans have tied to immigration by deeming her the “border czar.”

Bob Unanue, CEO of Goya Foods, went a step further Monday night, mocking her name as “‘Que-mala,’ which means ‘so bad’” in Spanish. (Kamala means lotus in Sanskrit.) [….]

(Washington Post, 19.07.2024)

So gefällt es ihrem misogynen sexistischen Messias, der Kamala als „fucking Kumalla“, „nuts“, „crazy“ und vieles anderes mehr bezeichnet.

Das ist das Intellektuelle Niveau der konservativen Christen.

Die Republikaner sind der unterste und mieseste Dreck, der sich je politisch in den USA tummelte.

Aber sie haben nun ein Problem.

[….] Die ersten Reaktionen kamen schnell. Wenige Minuten nachdem Joe Biden am Sonntag erklärt hatte, dass er sich aus dem Wahlkampf um die US-Präsidentschaft zurückzieht, gingen die Republikaner bereits zum Angriff über. Biden müsse nun auch als Präsident zurücktreten, hieß es von den einen. Kamala Harris einfach als Ersatzkandidatin zu installieren, sei undemokratisch, von anderen. Auch Donald Trump selbst meldete sich umgehend zu Wort, trat gegen Biden nach und verkündete, dass Harris bei der Wahl im November noch einfacher zu schlagen sei. [….] Auch für das Trump-Lager ist der Wechsel ein Problem. Die Kampagne hatte sich voll auf die Gebrechlichkeit des amtierenden Präsidenten als Thema eingeschossen. Nun ist es wahrscheinlich, dass die deutlich jüngere Kamala Harris übernimmt , auch alle sonstigen Alternativen der Demokraten ließen den 78-jährigen Trump alt aussehen. Die »Grand Old Party« braucht eine neue Strategie, um ihre Gegner zu diskreditieren – und sie fängt damit bereits an. [….] Trump und seine Leute nennen sie »Grenz-Zarin« und »Abtreibungs-Zarin« – Themen, die von Harris im Laufe ihrer Vizepräsidentschaft besetzt worden waren, werden als ihr persönliches Versagen ausgelegt. Kurz nachdem Biden seinen Rückzug verkündet hatte, ging ein Anti-Harris-Video online. Darin erzählt eine Sprecherin zu düsteren Bildern, nicht nur habe Harris das US-amerikanische Volk über die Gesundheit des Präsidenten belogen, sie habe auch die Grenzen für Migrantenströme geöffnet und den amerikanischen Traum zerstört. Sollte die Vizepräsidentin tatsächlich auf dem Wahlzettel nach oben rutschen, dürften noch ganz andere Attacken auf sie warten. Die Republikaner bringen sich in Stellung.  […..]

(Muriel Kalisch, SPON, 22.07.2024)

[…..]  Heftig, aber so wird es weitergehen in den kommenden Wochen. Wobei die Demokraten gerne daran erinnern, dass Trump sogar einmal eine schöne Wahlkampfspende an Kamala Harris überweisen ließ: 6000 Dollar, 2011 und 2013 vor ihrer Wahl zur Generalstaatsanwältin in Kalifornien. Die Republikaner hätten „Angst, gegen Kamala Harris zu kandidieren“, spottete die Wahlkampfmannschaft „Harris for President“, die bis Sonntag noch „Biden for President“ hieß: „Donald Trump ist nicht der erste Verbrecher, den Kamala Harris zur Rechenschaft zieht.“  [……]

(Peter Burghardt, 22.07.2024)

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