[….] Es gibt für solche Arten der gesellschaftlichen Konvention – die Kenntnis, welche Regeln für wen und besonders einen selbst gelten – einen alten, konservativen Begriff: Anstand. Das ist der große Unterschied: Echter Konservatismus beinhaltet zwingend Anstand, Populismus und Anstand schließen sich aus. Hubert Aiwanger ist Populist, das ist für Leute, die ihn schon länger beobachten, keine Riesenüberraschung. Man kann es aber gut aus seiner Kommunikation zum Flugblattskandal schließen. Aiwanger ist eine populistische Twitter-Maschine – aber der einzige Tweet, den er bisher zum Thema veröffentlicht hat, lautet: »Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los« . Populismus ist, wenn man Anstand ersetzt durch Massenbauchgefühl. Was Aiwanger tut, zeigt: Nicht einmal, wenn es um den Holocaust geht – die größte und unrelativierbarste deutsche Schuld –, ist er bereit, auch nur einen Funken Anstand walten zu lassen. Für ihn gelten nach eigener Wahrnehmung andere Regeln als für andere, die Realität wird genau so zurechtgebogen, wie es ihm in den Kram passt. [….]
Es ist sehr wichtig, den Unterschied zwischen konservativ und populistisch zu kennen; daher könnte man dankbar für Lobos einprägsame Definition sein.
Allein, sie stimmt nicht. Denn Konservative sind eben nicht anständig, wie die Flut der konservativen Dr.-Titel-Betrüger, Ehebrecher, Masken-Raffkes und xenophob Zündelnden unter CDU und CSU beweist.
Im Wochentakt folgen neue verstörend UNANSTÄNDIGE Entgleisungen der konservativen Führungsfiguren. CDU-Chef Merz verbreitet heute zutiefst ausländerfeindliche Lügen, um sich bei den AfD-Faschisten anzubiedern.
Ex-Bundesminister Ramsauer verglich Migranten noch vor einem Monat mit „Ungeziefer“.
Edmund Stoiber, von 1993 bis 2007 bayerischer Ministerpräsident und seit dem 29.9.2007 Ehrenvorsitzender der CSU, warnte vor einer durchmischten und durchrassten Gesellschaft; wurde dabei von seiner Partei noch Jahre unterstützt.
[….] Der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis hat den von Edmund Stoiber formulierten Begriff der durchrassten Gesellschaft in einer TV-Sendung verteidigt. [….] Am Dienstagabend war der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag in der TV-Sendung "Vorsicht! Friedmann" aufgetreten. Dort sagte er nach Angaben des Senders, es gehe darum, dass Deutschland auch den Deutschen gehören solle, "so wie den Franzosen Frankreich und den Italienern Italien". - "Warum lasst ihr nicht Deutschland den Deutschen?", fragte der CSU-Politiker. [….]
Nicht zu vergessen, Markus Söder selbst, der während seiner gesamten Karriere gegen Ausländer hetzte und den gegenwärtigen Wahlkampf hauptsächlich mit drastischen Diffamierungen und Lügen über die angebliche Verbotspartei die Grünen bestreitet. Nur daß nichts von dem, das Söder täglich in den Bierzelten tönt, wahr ist.
Entweder sind CDU und CSU nicht konservativ, sondern faschistisch. Oder Lobos These stimmt einfach nicht.
Damit zum Thema Aiwanger und seiner antisemitischen Geschichte als Hitler-Fan. Der stellvertretende bayerische Regierungschef ist nicht nur NICHT ANSTÄNDIG und somit auch nicht konservativ, weil er als Teenager rechtsextrem auffiel. Das war und ist in vielen Teilen Deutschlands bedauerlicherweise ganz normal, wie der Fall der Schriftstellerin Anna Rosmus („Das schreckliche Mädchen“) eindrucksvoll beweist. Große Teile Westdeutschlands sind nie richtig in der Demokratie angekommen. Das ist kein reines Ost-Phänomen.
Aiwanger, seine gesamte Partei und Millionen Anhänger lügen schlicht und ergreifend, wenn sie immer wieder behaupten, es ginge nur um 35 Jahre alte Geschichten.
Nein, die Leute stürzen nie über alte Affären, sondern immer über die Dummheit, die Salamitaktik, das Lavieren und Leugnen beim Umgang mit den früheren Taten.
Inzwischen wissen wir, daß seit 2008 Geschichten über die rechtsextreme Aiwanger-Schulzeit bis in den Landtag gelangten.
Er hätte das nur einmal ehrlich einräumen müssen und um Entschuldigung für seine Dummheiten als Schüler bitten sollen. Das tat er aber nicht, sondern versagte die nächsten 15 Jahre als Erwachsener aus Mangel an Anstand.
Stattdessen machen Aiwanger und seine rechten FW-Einpeitscher es immer schlimmer, indem sie nun ganz offen in faschistoiden Stil gegen die freie Presse hetzen, von einer Kampagne sprechen.
[….] Was passiert heute schon wieder Schlimmes in der Flugblattaffäre um Hubert Aiwanger? Welchen Irr- und Starrsinn wird der stellvertretende Ministerpräsident des größten deutschen Bundeslandes noch an den Tag legen? Was wird sein Regierungschef Markus Söder heute alles nicht sagen oder tun? Und wie viel Verharmlosung und Blindheit kann eine Partei wie die Freien Wähler noch zeigen, im Angesicht von Geschichtsvergessenheit und Geschmacklosigkeiten aus der Jugendzeit ihres Chefs? Kreisen, die sich »bürgerlich« nennen, die Arbeit der Medien, speziell die der »Süddeutschen Zeitung«, die das Flugblatt als erstes Medium publik machte, als mindestens so schlimm bewertet wird wie Aiwangers Verhalten. Von Kampagne ist die Rede. Es mag im ersten Anlauf handwerkliche Fehler der Kolleginnen und Kollegen gegeben haben. Aber wäre das Flugblatt nicht öffentlich geworden, wäre uns eine wichtige Facette des »Menschenfreundes« Aiwanger (Selbstbezeichnung) verborgen geblieben. […]
Die SZ-Recherche stellt sich als vorbildlicher Journalismus heraus und mit jedem Tag der Aiwanger-Lügen zeigt sich mehr, wie richtig und wichtig es von den Münchner Journalisten war, an dieser investigativen Story zu arbeiten.
Wäre Regierungschef Markus Söder ein anständiger Konservativer, würde er sich ohne Wenn und Aber vor diese bayerische freie Presse stellen und sie als Grundpfeiler der Demokratie vor seinem Vize in Schutz nehmen. Aber die deutschen C-Parteien sind eben nicht anständig. Genau wie die FW.
Bayern- und Söder-Kennerin Anna Clauß glaubt an eine Entlassung Aiwangers, weil Söder damit ein mieses Landtagswahlergebnis schönreden könne und sich als „anständiger Politiker“ für die nächste Kanzlerkandidatur empfehlen würde.
Ich bin da nicht so sicher, weil der massive Schaden bereits eingetreten ist und nun das Thema „Antisemitismus in der bayerischen Landesregierung“ international und bei deutschen jüdischen Organisationen nicht nur wahrgenommen, sondern scharf kritisiert wird. Wichtiger als Anstand ist Söder allemal seine Macht.
[….] Wie viele Zeugen müssen sich eigentlich noch melden, damit Hubert Aiwanger endlich eingesteht, was in seiner Schulzeit am Gymnasium Mallersdorf-Pfaffenberg allgemein bekannt war: Der heutige Chef der Freien Wähler und Stellvertretende Ministerpräsident Bayerns hing als Jugendlicher rechtsextremem Gedankengut an. Längst geht es nicht mehr um ein Flugblatt, das die Anhänger Aiwangers als lässliche Jugendsünde abtun. Es geht darum, dass er über Jahre unverfroren als Neonazi in Erscheinung getreten sein soll - und das bis heute anscheinend nicht so schlimm findet.
Aiwanger selbst hat zur Aufklärung der Vorwürfe bisher nichts beigetragen: Erst hat er sie pauschal geleugnet, dann seinen Bruder Helmut vorgeschoben und von einer Schmutzkampagne gesprochen. Nachdem sich die belastenden Aussagen häuften, verstieg er sich am Mittwoch zum Statement, seit dem Erwachsenenalter sei er kein Antisemit. Am Donnerstag gab er eine dürre Erklärung ab, in der er wieder alle Antworten schuldig blieb und beteuerte, er sei "nie" Antisemit gewesen. Er wiederholte darin unter anderem einmal mehr, er könne sich nicht daran erinnern, dass er den "Hitlergruß" gezeigt habe. Ehemalige Mitschüler von ihm haben offenbar ein besseres Gedächtnis.
Er räumt eben nur so viel ein, wie er unbedingt muss. Mit dieser Strategie wird er aber scheitern. Er hätte schlicht die Wahrheit sagen und sich dafür entschuldigen sollen - spätestens 2008, als er für den Landtag kandidierte und die ersten Gerüchte über seine braune Vergangenheit aufkamen. Schon damals interessierte Aiwanger allenfalls die Frage, ob daraus für ihn eine politische Gefahr erwachsen könnte, weshalb er bei einem ehemaligen Lehrer und sogar bei Ministerpräsident Horst Seehofer intervenierte. [….] Und Ministerpräsident Markus Söder? Er kann gar nicht mehr anders: Er muss Aiwanger noch vor der Sondersitzung des Landtags entlassen. [….]
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