Dienstag, 4. Juli 2023

Selbstmord.

Das Leben an sich zu schützen, ist ein Satz für Sonntagsreden. Insbesondere Christen und Konservative tragen diesen Satz wie eine Monstranz vor sich her, nennen sich gar selbst maximal plakativ „Lebensschützer“.

Mit der Realität hat das allerdings wenig zu tun.

Das beginnt schon damit, daß ausschließlich Homo Sapiens gemeint sind. Alle anderen Leben sind gerade den konservativen Fleischessern vollkommen egal. Selbst wenn es nicht um die eigene Ernährung geht, wird getötet – 45 Millionen männliche Küken werden nach der Geburt „geschreddert“, bloß weil es etwas teurer wäre, sie leben zu lassen.

Philosophisch betrachtet ist Lebensschutz ohnehin zum Scheitern verurteilt, weil mit jeder Geburt der Tod schon sicher ist. Jedes Wesen stirbt und in der Natur dient der Tod stets als Grundlage für anderes Leben. Es ist ein ewiger Kreislauf, der mit christlichen Vorstellungen rein gar nichts zu tun hat.

Sich auf einige wenige, ganz bestimmte Leben, die uns ähnlich sind und in der Nähe leben, zu konzentrieren ist so absurd, wie der Sternendeuter, der mit seinem Feldstecher auf einen Schemel steigt, um dem Himmel näher zu sein.

Menschliche Leben etwas weiter weg, hält die deutsche Gesellschaft offenkundig für irrelevant. Schließlich wäre es finanziell durchaus möglich, die 10.000-20.000 jeden Tag verhungernden Kinder zu ernähren. Aber das sind weitgehend dunkelhäutige und nicht christliche Homo Sapiens. Daran haben US-ProLife-Aktivisten und CDU-Lebensschützer grundsätzlich kein Interesse.

Im Gegenteil, der konservative CDU-Mann Thomas de Maizière, amtierender, gewählter Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2023, verhinderte aktiv die Rettung von ertrinkenden Kindern im Mittelmeer, da nur durch mehr Tote der gewünschte abschreckende Effekt erzielt werden könne. Es ist schon bezeichnend, daß die EKD sich demonstrativ einen derartig charakterlich verdorbenen pathologischen Lügner als Chef wählt.

(….) Nicht nur, daß er gegen Menschen mit anderer Hautfarbe und anderer Religion hetzte, indem er immer wieder diskriminierende Lügen über sie verbreitete, nein, er trieb es auf die Spitze, indem er aktiv die Flüchtlingsrettung im Mittelmeer bekämpfte. Er begründe dies damit, daß nur möglichst viele Tote – am Strand angespülte tote Kleinkinder beispielsweise – die (unter anderem durch deutsche Waffen beschossenen) Menschen aus Bürgerkriegsgebieten, davon abhalten könnten, nach Deutschland zu migrieren.

De Maizière war es, der maßgeblich in der EU die Massenmord-Politik durchsetzte.  Es müßten nach der MARE NOSTRUM-Operation, die Menschenleben rettete, nur wieder genug Unschuldige elend krepieren, um einen abschreckenden Effekt auszuüben. Die Konsequenzen sind verheerend, es ist erschütternd Berichte der wenigen Hilfsorganisationen zu lesen.

Bundesinnenminister Thomas der Maizière hatte noch vor kurzem gesagt, Seenotrettungsprogramme würden Schlepperbanden anregen, ihr Geschäft fortzusetzen. [Wie kann man nur so moralisch verkommen sein wie de Maizière???? – T.]  […] Scharfe Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik war zuvor vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, gekommen. Die Hunderten von Toten seien das Ergebnis eines anhaltenden Politikversagens und eines "monumentalen Mangels an Mitgefühl". Statt nach sinnlosen strengeren Abschottungsmaßnahmen zu rufen, müsse die EU endlich legale Fluchtwege und mehr Rettungskapazitäten für das Mittelmeer bereitstellen, so der Hochkommissar.

(Tagesschau 21.04.15)

(….) De Maizière ist aus humanistischer Perspektive ein absoluter Minusmann. In seiner Person vereint sich all das was man moralisch niemals sein will.

Die EU tötet Flüchtlinge: Fähren statt Frontex!

[… ] Die EU ist mit ihrem Beschluss vom 27. August 2014, die Seenotrettung  im Mittelmeer  herunterzufahren, verantwortlich  für dieses Massensterben. Die EU hätte die Mittel und die Möglichkeiten, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. Aber sie lässt die Menschen ertrinken. In den letzten Wochen wurden wir als Alarm-Telefon von Watch the Med direkte ZeugInnen, wenn Flüchtlinge  auf  Booten um das Überleben kämpften und Angehörige um sie  bangten. Wir wurden zudem ZeugInnen, wie sich die Küstenwachen Italiens und Maltas sowie immer mehr Besatzungen kommerzieller Schiffe um Rettung bemühten, das Sterben aber oftmals nicht verhindern konnten, weil sie zur Rettung nicht ausreichend ausgerüstet waren. Hintergrund sind politische Entscheidungen der Europäischen Union. Die Festung Europa hat in den letzten 25 Jahren zu zehntausenden Toten im Mittelmeer geführt. [… ]

 (watchthemed.net – alarm call 19.04.2015) (….)

 (Der Minusmann Teil III – 21.04.2015)

Ganz offensichtlich sind menschliche Leben gerade Konservativen und Christen kaum etwas wert.

Sonst wären sie nicht diejenigen, die am stärksten für Waffenexporte in Krisengebiete lobbyieren.

Würde man jedes menschliche Leben schützen wollen, hätten wir bundesweit Tempo 30, weil es damit unter Garantie Tausende Verkehrstote weniger gäbe.

Würde man jedes menschliche Leben schützen wollen, hätten wir andere Drogengesetze, die Süchtige nicht mehr zu Beschaffungskriminalität zwingen und sie an gestreckten und gepanschten Suchtmitteln krepieren ließen.

Würde man jedes menschliche Leben schützen wollen, hätten wir längst etwas unternommen, um die über 200 rechtsradikalen Morde zu verhindern.

Würde man jedes menschliche Leben schützen wollen, hätten wir keine Frontex-Pushbacks.

Würde man jedes menschliche Leben schützen wollen, wäre die Bundesmarine im Einsatz, um den Tod der (seit 2014) 27.000 Flüchtlinge im Mittelmeer zu verhindern.

Würde man jedes menschliche Leben schützen wollen, hätten wir keine 400.000-600.000 Infektionen mit dem Krankenhauskeim MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und 20.000 MRSA-Todesfälle im Jahr in Deutschland. Es ist bloß eine Frage der Hygiene und der Kosten. So konnten die Niederlande MRSA besiegen. In Deutschland ist uns das zu teuer, also nehmen die Damen und Herren Lebensschützer 20.000 vermeidbare Tote achselzuckend hin.

Würde man jedes menschliche Leben schützen wollen, würden wir genug Geld investieren, um den Menschen in Pflegeheimen genug zu trinken zu geben, um nicht an Exsikkose zu sterben.

Diese Liste ließe sich fortsetzen. Es ist offensichtlich; auch das menschliche Leben von deutschen hellhäutigen Christen, ist uns in vielen Fällen vollkommen egal.

Nur bei einem selbstbestimmten Tod, dem Selbstmord, verfällt die politische und mediale Welt sofort in einen hysterischen Hühnerhaufenmodus und ordnet alles dem ganz oben prangenden Phantomziel „Suizidprävention“ unter.

Auch das ist pure Verlogenheit, denn die meisten Suizide finden im Zusammenhang mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen statt, die durchaus heilbar sind, für die aber weder Therapieplätze geschaffen werden, noch in der Medizinerausbildung gesorgt wird.

Möglicherweise entscheidet der Bundestag am Freitag über eine Neuregelung der „Sterbehilfe“; das Verfassungsgericht verlangte es.

[…..] Die jahrelange Debatte um ein neues Sterbehilfe-Gesetz ist ein Stück weiter. […..] Bislang lagen drei Vorschläge vor. Jetzt haben sich zwei Gruppen von Bundestagsabgeordneten aus SPD, Grüne, FDP und Linke zusammengetan. "Monatelang", so Renate Künast (Grüne), habe es gedauert, "beide Gesetze zusammenzuweben". Damit steigen die Chancen, dass der Bundestag drei Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Sterbehilfe neu regelt.

Doch sicher ist das nicht. Noch ist unklar, wie viele Unterstützer über die Parteigrenzen hinweg der neue Entwurf bekommen kann. Und ob sich Teile der Union anschließt. […..] Setzt sich der Entwurf der Parlamentariergruppe durch, dann wäre es in Deutschland künftig möglich, tödlich wirkende Medikamente zu bekommen. Zumindest für alle, die älter als 18 Jahre alt sind. Dabei wird prinzipiell nicht unterschieden, ob jemand sterbensrank oder lebenssatt ist. […..] Ein weiterer Gesetzentwurf rund um Lars Castelucci (SPD) will wie vor dem Karlsruher Urteil strafrechtlich regeln und grundsätzlich die organisierte Sterbehilfe verbieten. Wenn allerdings bestimmte Beratungspflichten und Wartezeiten eingehalten werden, soll Hilfe zum Suizid möglich sein. Bislang hatten sich mehr als 100 Abgeordnete hinter den Gesetzentwurf gestellt. […..]

(ZDF, 13.06.2023)

Aber selbst die SZ-Redakteurin Christina Berndt, der ich normalerweise sehr gewogen bin, warnt vor den Risiken des Künast-Antrags. Der sei zu weitgehend.

 […..] Viel zu lange wurde eine solche Erlösung Menschen in diesem Land verwehrt. Viel zu lange verneinten konservative Strömungen vor allem unter dem Einfluss der Kirchen das freiwillige Aus-dem-Leben-Scheiden mit der Hilfe von Medikamenten und Menschen, die etwas vom Sterben verstehen. Dabei schwang die Überzeugung mit, dass ein von Gott geschenktes Leben nicht wegzuwerfen sei. Dass Suizid etwas Unredliches sei. Dieser Überzeugung hat das Bundesverfassungsgericht vor gut drei Jahren glücklicherweise eine klare Absage erteilt. Es stellte fest, dass Menschen ein Recht auf Sterben haben, dass ihre Autonomie auch in dieser letzten Entscheidung zu achten ist. […..] Tatsächlich haben beide Gesetzesvorschläge ihre Probleme, der zweite ist eher zu liberal, der erste zu verhalten. So soll nach dem Willen von Castellucci und Heveling der organisierte assistierte Suizid grundsätzlich unter Strafe gestellt werden […..] Schwierig ist in manchen Punkten aber auch der andere Gesetzesvorschlag, der sehr weitreichende Möglichkeiten bietet. Hier soll eine Beratung vor einer assistierten Selbsttötung "ergebnisoffen" erfolgen. So verständlich diese Haltung angesichts der zum Teil unsäglichen Pflichtberatung zum Paragrafen 218 ist: Es sollte, anders als bei der Abtreibung, ein grundsätzliches Ziel sein, Suizide zu verhindern. Die Regelung könnte sonst im schlechtesten Fall besonders vulnerable Menschen gefährden. […..] Jeder Suizid, den man durch Gespräche, Zuwendung oder Therapie hätte verhindern können, ist ein nicht wiedergutzumachender Fehler. […..]

(Christina Berndt, 04.07.2023)

Nein. Der Künast-Antrag ist bereits ein Kompromiss. Das Selbstbestimmungsrecht steht über allem. Wer für sich entscheidet, seinen Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen, trifft die intimste Entscheidung, die überhaupt möglich ist und da hat sich der Staat nicht als Verhinderer einzumischen.

Jeder Christ, der meint, ihm sei das Leben von Gott geschenkt worden und der deswegen Suizid für eine Sünde hält, kann sich schließlich auch frei dagegen entscheiden, seine Lebenszeit zu verkürzen und mit maximalen Schmerzen, maximal gedemütigt, maximal lange an Dutzenden lebenserhaltenden Schläuchen auf der Intensivstation liegen.

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