Nach über einem halben Jahrhundert in Deutschland und dreieinhalb Jahre nach meinem Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft, stehe ich mit nichts da.
(….)
Es herrscht immer noch das Ius Sanguinis („Recht des Blutes“, Abstammungsprinzip) und nicht das Ius Soli („Geburtsortsprinzip“) wie in den USA.
Bekanntlich ist seitdem ein halbes Jahrhundert vergangen, aber ich bin und bleibe nach wie vor US-Amerikaner, obwohl ich inzwischen versucht habe Deutscher zu werden.
Das ist das zweite Problem, das in der veröffentlichten Meinung nicht vorkommt:
Die letzte Mitteilung vom Amt für Migration Hamburg erhielt ich am 04.10.2021.
Um über meinen Einbürgerungsantrag „abschließend zu entscheiden“ müsse geklärt
werden, wo meine Mutter am 01.01.1950 (sic!) wohnhaft gewesen wäre. (…)
(Tiefsitzende europäische Xenophobie – Teil II, 30.11.2022)
Der deutsche Staat versagt nach wie vor dabei, deutsche Menschen wie mich willkommen zu heißen.
Das liegt an antiquierten Gesetzen aus der Nazizeit, an denen Schwarz, Gelb und Braun eisern festklammern. Die wiederum frönen ihren eigenen dumpfen völkischen Maßstäben, oder wollen, mindestens genauso schlimm, in den braunen Sümpfen nach Wählern fischen.
Allerdings könnte die Behörde auch bei der gegenwärtigen Rechtslage solche Anträge in größerer Geschwindigkeit, als einen Brief alle zwei Jahre, bearbeiten.
Das funktioniert aber auch nicht, weil die Schwarzen in 16 Jahren Dauerregierung mit sprudelnden Einnahmen komplett dabei versagten, ihre Hausaufgaben zu machen und Deutschland auf die Zukunft vorzubereiten. 16 Jahre Merkel, CDU und CSU: Deutschland befindet sich im Niedergang, kann die staatlichen Grundfunktionen nicht mehr leisten. Eine verheerende Bilanz, für die aber auch das tiefsitzende Phlegma des Urnenpöbels verantwortlich ist. In allen Umfragen liegt die CDU weit an der Spitze. Die Neuerungen durch die Ampel gefallen nicht, man sehnt sich schon wieder nach bräsigem Nichtstun, nach Scheuer, Spahn, Altmaier und AKK zurück.
Mein Antrag auf Einbürgerung versandet offensichtlich auch wegen der katastrophalen personellen Unterversorgung und die nicht vorhandene Digitalisierung. Nach 12 Jahren unterbrochen zuständigen CSU-Bundesministern, die sich das Volk nun so dringend zurückwünscht.
[….] Mehrere Monate Wartezeit, 15.000 unbearbeitete E-Mails: Die Ausländerbehörde in Frankfurt am Main kommt nicht mehr hinterher. Hier erklärt die Sachgebietsleiterin Annika Allendorff, woran das liegt.
»Man muss das klar sagen: Wir sind in einer desolaten Situation. Mit dem Bearbeiten der Aufenthaltserlaubnisse kommen wir nicht mehr nach. Ich kann verstehen, dass sich die Menschen darüber beschweren. Für sie geht es um die Existenz. [….] Es dauert im Moment eben drei oder vier Monate, bevor wir überhaupt antworten können. [….] Für uns Mitarbeiter ist diese Situation alles andere als schön. Manche Kolleginnen und Kollegen werden im Internet beschimpft. Es gibt Antragsteller, die reichen Untätigkeitsklagen oder Dienstaufsichtsbeschwerden ein. Das kostet uns noch mehr Zeit, weil wir solche Fälle außer der Reihe bearbeiten müssen. Darunter leiden alle, die sich keinen Anwalt leisten können. [….] Gleichzeitig fehlt Personal. 32 der 136 Kolleginnen und Kollegen sind in Elternzeit oder langzeiterkrankt, zum Teil wohl auch durch die hohe Belastung. Im Moment betreut jeder Sachbearbeiter bei uns ungefähr 2500 Menschen. Das ist nicht zu schaffen. [….]
(DER SPIEGEL Nr.51, 17.12.2022, s.11)
Selbst in einer für Zuzügler so attraktiven Stadt wie Hamburg, in der überdurchschnittliche Löhne gezahlt werden, sind wir an das Personalmangel-bedingte Nichtfunktionieren gewöhnt.
Geschäfte sind geschlossen, weil es keine Verkäufer gibt, das Amtsgericht meines Bezirks hat eine einzige Stunde pro Woche Telefonsprechzeiten, Feuerwehr und Sanitäter, sogar der Polizeinotruf sind notorisch überlastet. Krankenhausnotaufnahmen weisen Patienten ab, ein Postbote kommt nur noch alle paar Tage und Pakete sollte man gar nicht erst bestellen. Händeringend wird nach Altenpflegern, Ärzten, Physio- und Psychotherapeuten, sowie Kindergärtnern gesucht.
Natürlich kann Klara Geywitz keine 400.000 Wohnungen im Jahr bauen lassen. Selbst, wenn in dieser Krise die Baumaterialien aufzutreiben wären: Es gibt dafür schlicht und ergreifend keine Handwerker.
Auch nach 10 Monaten Krieg und Energiekrise, nach Wirtschaftseinbruch und Inflation, müssen die Hamburger Handwerksbetriebe neue Aufträge abschmettern.
Wärmepumpen? Gibt es nicht. Im Jahr 2018 berichtete das Abendblatt von der drastischen „Wachstumsbremse durch Fachkräftemangel“ im Handwerk. 13 Wochen Wartezeit im Schnitt müssten Hamburger einkalkulieren, wenn sie einen Klempner oder Elektriker brauchten.
Die Lösungen liegen auf der Hand. Weg mit dem Meisterzwang, Arbeitserlaubnis für alle Flüchtlinge, Willkommensprogramme für Einwanderer. Passiert ist stattdessen: NICHTS! Vier Jahre später sitzen wir in derselben Misere und harren der Verrentung der Boomer entgegen. Dann wird spätestens alles zusammenbrechen.
[….] Der Präsident der Handwerkskammer Hamburg, Hjalmar Stemmann, macht wenig Hoffnung auf schnellere Termine bei Handwerksbetrieben. „Im Moment sind wir nach wie vor in einer angespannten Situation“, sagte der 59-Jährige in einem Interview des „Hamburger Abendblatts“ (Donnerstag). Wartezeiten von neun Wochen seien bei vielen Gewerken verbreitet. „Mit am größten ist die Wartezeit bei der Installation von Wärmepumpen. Aber nicht wegen der Handwerker, sondern wegen der Lieferzeiten der Geräte, das kann schon mal bis zu neun Monate dauern.“ [….]
(Hamburger Abendblatt, 29.12.2022)
Scholz hat das natürlich erkannt und möchte trotz der irren Dauerkrisenpolitik auch langfristig Lösungen finden. Erleichterte Einwanderung ist aber offenbar nicht möglich, da CDUCSU, sowie AFDP jede vernunftorientierte Politik aus völkischer Verbohrtheit blockieren.
Dem Urnenpöbel gefällt die braune Blockade. AfD und CDUCSU legen in Umfragen zu. Die Parteien, die Abhilfe bei den deutschen Megakrisen schaffen wollen, werden abgestraft. Man will lieber untergehen und auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückschrumpfen, statt sich eine moderne Migrationspolitik zu geben.
Lieber homogen deutsch und weiß im Slum, als prosperierend und modern als Multikultigesellschaft.
[…] Deutschland braucht Zuwanderer dringender als umgekehrt [….] Ohne einen Anstieg der Zuwanderung steht Deutschland vor einer wirtschaftlich existenzbedrohenden Krise. Viele Unternehmen könnten ohne ausreichend Fachkräfte nicht überleben und Deutschland würde langfristig große Teile seines Wohlstands einbüßen. Und ohne eine Gesellschaft, die offen für Zuwanderung aus allen Regionen der Welt ist, werden Deutschland und Europa die gegenwärtigen Krisen nicht lösen und bei der wichtigen ökologischen und digitalen Transformation scheitern.
Es gibt erheblichen politischen Widerstand gegen eine deutlich stärkere Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturkreisen und mit anderen Religionen. Die gegenwärtige Diskussion erinnert sehr an die Forderung eines konservativen Politikers vor 20 Jahren: »Kinder statt Inder«. [….] Wir sollten uns die harten Zahlen und Fakten über die Entwicklungen der Demografie und Fachkräfte in Deutschland bewusst machen, und was dies für unseren Wohlstand in Zukunft bedeuten wird. Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands der vergangenen 70 Jahre wäre ohne eine massive Zuwanderung nicht möglich gewesen. Deutschland litt bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren unter einem Fachkräftemangel, welcher sich seit den 2010ern deutlich verschärft hat.
Ohne die massive Zuwanderung von jungen, hochmotivierten und qualifizierten Europäer*innen – in manchen Jahren mehr als 300.000 Menschen netto – hätte Deutschland sich seit 2005 nicht von seinem Zustand als »kranker Mann Europas« erholen können.
Selbst eine so starke Zuwanderung wird in den kommenden 20 Jahren bei Weitem nicht ausreichen, um die riesige Fachkräftelücke zu füllen. Bereits heute gibt es trotz Wirtschaftsflaute knapp zwei Millionen offene Jobs in Deutschland. In den kommenden zehn Jahren werden weitere fünf Millionen Menschen mehr in Rente gehen, als junge Menschen in den Arbeitsmarkt nachkommen. Die Lücke von sieben Millionen bei insgesamt 45 Millionen Erwerbstätigen beträgt knapp 16 Prozent. [….]
und mehr Offenheit für Zuwanderung aus allen Teilen der Welt werden essenziell für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands und die Frage sein, ob wir als Gesellschaft in der Lage sind, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Die Hoffnung ist, dass Gesellschaft und Wirtschaft sich dieser Realität bewusst werden, bevor es zu spät ist. [….]
(Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. 29.12.2022)
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