Samstag, 22. Oktober 2022

Truss, Trump und die Wirtschaft.

So viel Enthusiasmus können die konservativen US-Wirtschaftsjournalisten sonst nur für ihren orangen Messias persönlich aufbringen: Liz Truss verkörpert ihren feuchten ökonomischen Traum von der Zukunft:

„Laid out a terrific economic growth-plan – a lot like Kevin McCarthy’s “commitment to America plan” – wouldn’t it be wonderful, if she were pointing the way for America? – I love what Liz Truss is doing in any way – that is exactly what the US should be doing right now – now we’re going to see how Britain will outperform the rest of the world – the US should learn from her leadership, that is fantastic – Liz Truss is doing economic policy absolutely  right, Joe Biden is doing it absolutely wrong – she has been a superstar – she is my kind of girl – Liz Truss has the Reagan/Thatcher-formula – the Thatcher/Trump-economic policy”

(FOX BUSINESS)

Es ist wie so oft bei den Konservativen des 21. Jahrhunderts: Sie sind entweder nicht mehr von Satire zu unterscheiden oder klingen sogar irrer als „the Onion“ oder „Postillion“. Man muss es also immer extra dazu schreiben: Dies sind echte Zitate. Gebannt auf Video. Die meinen das wirklich so.

Genau deswegen gibt es auch in den westlichen Parlamenten immer drastischere Spaltungen. Große Koalitionen, Cohabitation, Checks and Balance sind aufgrund der Dysfunktionalität der Rechten unmöglich geworden.

Konservative Parteien haben sich weitgehend von der Realität entkoppelt und agieren nur noch durch Verächtlichmachung des Gegners, durch populistische Hetze auf Minderheiten. Sie setzen sich lediglich für diejenigen ein, die ihnen die dicksten Schecks schreiben.

Es ist beeindruckend, wie hartnäckig sich unter angelsächsischen Konservativen das Märchen von der Trickle-Down-Ökonomie hält. Man müsse nur den Reichsten die Steuern streichen, diese investierten dann ihr gesamtes Vermögen in die heimische Wirtschaft zum Wohl der Arbeiter, generierten enormes Wachstum, welches wiederrum auch bei den niedrigen Steuersätzen die Staatskassen fülle. Natürlich hat das nie funktioniert. Die Superreichen wurden einfach immer superreicher, schafften ihr Geld in Steueroasen und der Staat rutschte jedes Mal (George H. Bush, George W. Bush, Trump) in eine heftige Rezession mit einem Trillionen-Staatsdefizit.

Es ist unklar, ob deutsche Trickle-Down-Apologeten wie Merz und Lindner intellektuell so minderbemittelt sind, den Schwachsinn tatsächlich immer noch zu glauben, oder ob sie den ökonomischen Niedergang einkalkulieren, weil ihnen der Vermögenszuwachs der superreichen 1% wichtiger ist.

[….] Truss versprach Großbritannien nicht weniger als "Wachstum, Wachstum, Wachstum". Mit ihrem "Growth Plan" wollte sie das Vereinigte Königreich zu einem Wirtschaftswunderland machen. [….] Nun, sie versprach nichts weniger als endlich die ökonomischen Früchte des britischen EU-Austritts zu ernten. [….]  Vor zehn Jahren schrieb sie mit anderen Tories ein Buch, in dem die ökonomischen Probleme Großbritanniens mit ziemlich drastischen Worten analysiert werden. [….] Am häufigsten wurde daraus die Feststellung zitiert, dass Briten am Arbeitsplatz die "schlimmsten Faulenzer der Welt" seien. Aus Sicht der Autoren einer der Gründe, warum die Produktivität des Landes so fatal niedrig ist. Um das zu ändern, forderten die Verfasser der Streitschrift vor allem eines: Deregulierung und Steuersenkungen im großen Stil. Als vorbildlich galten radikale Reformen, die in anderen Teilen der Welt für Wachstum sorgten. [….] Trussonomics. [….] Was folgte, war ein Chaos an den Finanzmärkten. Der Kurs des britischen Pfunds stürzte gegenüber dem US-Dollar auf den tiefsten Stand seit 1985 ab. [….] Die Folge der Truss'schen Politik war offensichtlich: Die Zinsen für Kredite schossen noch mehr in die Höhe als sie es zuvor schon getan hatten. [….] Genau das hatte Truss' Gegenkandidat Rishi Sunak im Sommer vorhergesagt. Und nicht nur das. Sunak hatte Truss vorgeworfen, ökonomische Märchen zu erzählen.[….] 

(Alexander Mühlauer, SZ, 21.10.2022)

Unterdessen gelange ich bei dem Versuch einer angemessenen  Beschreibung dieser konservativen Politik an meine sprachlichen Grenzen.

Wie soll man Orbán, Bolsonaro, Trump, Truss, Johnson, May, Berlusconi, Meloni noch in Worte fassen?

Jonathan Pie hilft mit einer endlich mal klaren und nüchternen Analyse des britischen Konservatismus weiter.


Als höflicher Brite drückt sich Pie zwar etwas euphemistisch aus, aber man soll ja immer freundlich bleiben!

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