Montag, 4. Juli 2022

Kindergartenmentalität

Heute war ich als Begleitung auf einer Eigentümerversammlung.

Problem 1: Der 50.000-Liter Öltank erfüllt nicht mehr alle Auflagen und müsste von innen neu beschichtet werden. Problem 2: Da im Moment alle Immobilienbesitzer in Panik auf die Energiepreise glotzen und möglichst schnell die Heizungen modernisieren wollen, sind keine Handwerker für Wartungsarbeiten zu bekommen, zumal die Heizungsfirmen auch alle unter drastischer Personalknappheit leiden. Problem 3: Es befinden sich noch 20.000 Liter Öl im Tank, die man erst mal loswerden muss, aber im Juli heizt natürlich niemand. Im letzten Winter verbrauchte die Wohnungsgemeinschaft aus 102 Einheiten gute 18.000 Liter Öl.

Vorschlag des Eigentümerbeirats: Da man die Neubeschichtung derzeit nicht sinnvoll durchführen kann, sollten wir das um zwei Jahre verschieben und jetzt lieber ein bis zwei Laster voll Öl (rund 7.000 Liter) dazu kaufen, um den nächsten Winter locker zu überstehen. Da Heizöl erstens wegen der geopolitischen Lage garantiert grundsätzlich teurer wird und ganz bestimmt zu Beginn der Heizperiode der Preis noch mal steigt, sollte man nicht warten.

Dieser Antrag wurde mit überwältigender Mehrheit abgeschmettert. Bloß nicht so viel Geld ausgeben. Es werde gerade sowieso alles teurer, nun wolle man sich ganz bestimmt nicht noch zusätzliche Kosten für Heizöl aufhalsen.

Da die Verwaltung nicht ohne Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft einkaufen darf, wurde das Problem also auf die nächste Eigentümerversammlung im Sommer 2023 verschoben. Möglicherweise wäre dann inzwischen die Weltlage ganz anders und das Öl wieder viel billiger. Daher wurde auch gleich noch der Antrag abgeschmettert, das Wohngeld moderat anzuheben, um etwas mehr Geld der Instandhaltungsrücklage zuzuführen.

Während ich noch über diese Vogelstrauß-Strategie staunte und diese ultrakurzsichtigen ETV-Entscheidungen als Metapher für die gesamte deutsche Wählerschaft betrachtete, brach ein allgemeiner Entrüstungssturm los: Schuld an den hohen Energiepreisen wäre die Bundesregierung und da gäbe es nun mal niemanden, der bereit sei uns Eigentümern zu helfen.

Ach was? Ich war ganz erstaunt und wußte bisher gar nicht, daß es Olaf Scholz war, der in die Ukraine einmarschiert war und damit den Gaspreis hochtrieb. Ich Dummerle hielt eigentlich Wladimir Putin für den Schuldigen. Mir war auch nicht klar, wie sozialistisch und Reichen-feindlich der Finanzminister ist.

Selbstverständlich muss die Bundesregierung Hilfspakete schnüren, wenn die Inflation rast und die Lebenserhaltungskosten für Millionen Bürger nicht mehr zu stemmen sind.

Aber ausgerechnet die Immobilienbesitzer sollten nicht die ersten sein, in deren Taschen die Hilfsgelder fließen. Die Ampel muss erstens an diejenigen mit den geringsten Einkommen und zweitens an die Mieter denken.

Die Deutschen sind in ihrer Fähigkeit voraus zu sehen und rational zu entscheiden weitgehend retardiert.

Meine Lieblingsbischöfin, Margot - ich kann nie tiefer fallen als in Gottes Arme – Käßmann, beklagte am Wochenende in ihrem angemessenen intellektuellen Periodikum BILD, die Deutschen dürften von der bösen Bundesregierung beim Energiesparen nicht überfordert werden.

Offenbar ist eine Person mit Käßmann-IQ schon damit überfordert, für ihre Kurzhaarfrisur eine Spülung anzuwenden, wenn sie dabei auch noch an den Energieverbrauch denken müsse.

[…]  Mit Blick auf die Aufrufe zum kürzeren Duschen schrieb Käßmann: "Wenn ich Tempo mache, schaffe ich es in drei Minuten mit Haarspülung. Aber ein Vergnügen ist es so nicht. Und was wird im Winter mit Warmduschen und Heizen?" [….]

(Sonntagsblatt, 04.07.2022)

Arme Kässi. Da sie es nicht verstanden hat, helfe ich mit meiner naturwissenschaftlichen Expertise nach:

LANGE Wasser laufen lassen = teuer.

KURZ Wasser laufen lassen = billig.

Wasser sehr heiß aufdrehen  = viel Energieverbrauch.

Wasser kühler einstellen = weniger Energieverbrauch.

Ich weiß, diese komplizierten Zusammenhänge mögen eine Theologin überfordern, aber zur Not kann sie ja bevor sie sich kochendes Wasser über die Runzelrübe gießt, einen Atheisten fragen, ob bei kaltem oder warmen Wasser mehr Energie verbraucht wird.

Käßmann fühlt sich allerdings geistig abgehängt, mahnt dringend an, auf die Grenzdebilen Rücksicht zu nehmen.

[…]  Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat davor gewarnt, die Bürger mit Appellen zum Energiesparen zu überfordern. Zwar sei es "gut, wenn wir unser Konsumverhalten bei Wasser, Gas, Lebensmitteln bewusst gestalten", schrieb Käßmann in ihrer Kolumne in der "Bild am Sonntag". Doch könne es "auch mal Grenzen geben, ein Genug". Zuallererst sei "der Staat in der Pflicht. Wir zahlen Steuern, damit er dafür sorgt, dass das Land funktioniert". [….]

(Sonntagsblatt, 04.07.2022)

Na klar, der liebe Gott fängt sie auf, wenn sie stolpert, der Strom kommt aus der Steckdose und den Rest soll Olaf Scholz regeln, weil die Deutschen nun einmal einen Nannystaat brauchen, der ihnen jede Entscheidung abnimmt.

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