Donald Trump etablierte durch seine grenzenlose Borniertheit „Antifa“ als Metapher für alles Böse. Böse = Links. So sehen es die Konservativen bis heute. Die politische Bildung des Durchschnittsamerikaners ist blamabel schlecht und noch erbärmlicher, wenn es um politische Themen außerhalb der USA geht. Selbst wenn es um den zweiten Weltkrieg geht, also ein Mega-Ereignis, in das die US-Amerikaner wesentlich eingebunden waren und immerhin 420.000 GIs mit ihrem Leben dafür bezahlten, sind die konservativen Politiker und erst Recht die 75 Millionen einfachen Trump-Wähler völlig ahnungslos.
In ihrer Wahnwelt sind „liberal, left, intellectual, communism, voting rights, queer, antifa, socialism, activists, climate change, BLM, woke, civil rights, feminism” alles Synonyme für das Böse schlechthin. Nicht etwa eine konkurrierende politische Überzeugung, sondern das wahrhaft satanische Gründübel, Sauron-schlimmes Übel, das es mit allen Mitteln zu vernichten gilt.
Aus dieser Geisteshaltung heraus, waren die WKII-Gegner alle links. Daß die Sowjet-Union in den 1940er Jahren ein Alliierter der USA war, wird dabei ebenso ignoriert, wie die Tatsache, daß Putin-Russland und Xi-China natürlich turbokapitalistische Wirtschaftsordnungen etabliert haben und damit keine linken/kommunistischen Mächte mehr sind.
Leider wird diese Grundhaltung, daß „links“ immer irgendwie unpatriotisch, schlecht und gefährlich sei, auch bei deutschen Konservativen kultiviert. Über Jahrzehnte haben Unions-Innenpolitiker und Staatsschützer sich dem Kampf gegen die Linke verschrieben und das rechte Auge zugedrückt.
(….) Man könnte meinen, in der deutschen Nachkriegsdemokratie wäre Antifaschismus ein Minimalkonsens, den alle Parlamentarier nicht nur missmutig akzeptieren, sondern offensiv verteidigen. Es ist ein schweres Versagen der Konservativen und Nationalliberalen zuzulassen, daß die parlamentarische Rechte den Begriff „Antifa“ negativ umdeuten konnte. CDU-geführte Innenministerien und Staatskanzleien fielen weder Landes- noch Bundesverfassungsschützern in den Arm, wenn sie mit fest zugeklebten rechten Augen Antifa-Gruppen unter Generalverdacht stellten.
Der ehemalige oberste Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen, Großzampano der CDU-Werteunion, AfD-Freund am äußersten rechten Rand der Demokratie, hält ganz offensichtlich Gruppen wie „Antifa Zeckenbiss“ und die „Antilopengang“ für wesentlich gefährlicher, als Rassisten und Faschisten des Schlages Höcke. Unglücklicherweise schmust nicht nur der rechte Rand der CDU mit den Rechtsextremen, sondern nahezu das gesamte CDU/CSU/FDP-Spektrum hält die Linke für genauso schlimm wie die AfD. Annegret Kramp-Karenbauer vertritt noch heute diese Ansicht.
Bodo Ramelow, der bodenständige Christ, der Thüringen fünf Jahre erfolgreich regierte und so bösartige Dinge wie kostenfreie Kitaplätze einführte auf einer Stufe mit Holocaustleugner, gewaltbereiten Antisemiten, Revanchisten, Hitler-Verehrern und Rassisten?
Den Konservativen ist offenbar ihr gesamtes Koordinatensystem verrutscht. Die RAF-Zeit wirkt bis heute nach; sie hat den Staat verändert. Von 1971 bis 1993 wurden von RAF-Mitgliedern 34 Menschen getötet. Seit der Selbstauflösung der RAF wurden fast 200 Menschen durch rechtsextreme und rassistische Gewalt umgebracht. Obwohl die rechtsextreme Gewalt eine viel höhere Quantität hat – jeden Tag gibt es ein halbes Dutzend rechtsextremer Übergriffe – können deutsche Innenminister, Verfassungsschutzbehörden und Medien kein wirkliches Interesse aufbringen. Das liegt an der Auswahl der Opfer.
Eher die Schwachen der Gesellschaft, keine Promis. Die interessieren uns offenbar weniger.
(….) Für mich ist der Unterschied zwischen links und rechts die generelle Stoßrichtung. Links kämpft für die Schwachen, Rechts kämpft für die Starken. Das gilt nicht nur politisch, sondern beispielsweise auch für den Terrorismus. Rechte Terroristen ermorden die Schwächsten der Gesellschaft, rechte Hetzer pöbeln gegen Minderheiten: Schwule, Flüchtlinge, Behinderte, Obdachlose.Linke Terroristen legen sich mit den Stärksten der Gesellschaft an, dem Militär, Bankdirektoren, Toppolitiker. Von einer linken Partei wie der SPD erwarte ich, daß sie sich im Zweifelsfall immer für die Schwächsten einsetzt und mit ihnen gegen die Mächtigsten kämpft. (….)
(Frau, gläubig, rechts, 17.02.2018)
(……) Der rechte Terrorismus hat neben der schon genannten größeren Quantität aber auch eine andere Qualität. Es sind Hass-Verbrechen, die niedersten Instinkten entspringen. Begangen von zutiefst sadistischen Personen, die sich daran erfreuen Schwache zu quälen, niederzuringen, zu demütigen, ihnen Leid zuzufügen. Während die RAF tötete in dem Wahn damit etwas Gutes zu erreichen, wollen Rechtsextremisten etwas Böses erreichen, um dann nach Herzenslust zu töten. Allein die von Mordphantasien besessene Mecklenburg-Vorpommersche Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ plante Myriaden Menschen zu töten, erstelle eine Liste mit 25.000 Namen. (…..)
(Massenmord aus Leidenschaft, 08.07.2019)
Es gibt dennoch keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung für linke Gewalt. Wer aber hartnäckig nur nach links guckt und verschweigt, daß rechts ganz offensichtlich die viel größere Gefahr lauert; wer darüber hinaus 31 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch die Linke pauschal als „SED/PDS/Kommunisten“ bezeichnet, ist nicht ernst zu nehmen.
Diese Vorwürfe kommen interessanterweise aus den beiden Parteien – CDU und FDP – die anders als die SED-Nachfolger überhaupt keine Auseinandersetzung mit der Geschichte der vier von ihnen wegfusionierten SED-Blockparteien führten. (….)
(Rechtsblink Marsch!, 08.02.2020)
Offensichtlich ist es immer noch notwendig, zu erklären
was Faschismus ist:
Er entstand als politische Bewegung im Italien der 1920er Jahre und etablierte
sich in nahezu allen europäischen und südamerikanischen Staaten.
[….] Die italienische Entwicklung diente teilweise den dt. Nationalsozialisten als Vorbild, sodass F. und Nationalsozialismus (schwarze und braune Faschisten) teilweise gleichbedeutend verwendet werden. Gemeinsam ist ihnen a) eine charismatische, autoritäre Führerfigur, b) die strikte Unterwerfung unter das Führerprinzip und c) der hierarchische Aufbau der politischen Organisation; weiterhin d) das rechtsextreme, offen rassistische und fremdenfeindliche Gedankengut und e) die (in Bezug auf andere politische Überzeugungen) negative Eigendefinition (als antidemokratisch, antiparlamentarisch, antiliberal, antihumanistisch etc.) […]
(bpb 2020)
Der Faschismus ist in jeder Hinsicht das diametrale Gegenteil von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten und führte allein im WKII zu über 60 Millionen Toten. Man kann nur staunen, daß in Demokratien überhaupt noch der geringste Zweifel daran besteht, wie man Faschismus zu begegnen hat: Er ist mit allen Mitteln zu bekämpfen! Antifaschismus muss Staatsraison sein; nicht nur in Europa, sondern auch gerade in den USA. Mehr als 400.000 GIs starben im Kampf gegen den Faschismus.
Faschismus schlecht, Antifa gut.
Die deutsche rechts-publizistische Szene hatte in den wenigen 77 Jahren seit Ende des zweiten Weltkrieges offenbar noch nicht genügend Zeit, sich dieser simplen Erkenntnis anzuschließend und wittert nun einen Megaskandal, weil die SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser es 2021 gewagt hatte, einem „antifa-Magazin“ ein Interview zu geben.
Zuerst regte sich die AfD-Postille „Junge Freiheit“ darüber auf, dann schwang sich David Bergers rechtsradikale Hetzplattform „PP“ auf den Anti-Faeser-Zug und schließlich sprangen alle Braunen und Schwarzen brav über das Stöckchen: Tichys Einblick, HG Maaßen, die CSU, die WELT, Springer, Poschardt, die CDU.
[….] Interessantes Wochenende.
#Bild schreibt bei "Junge Freiheit" ab, um #Fraeser zu diffamieren. #CDU und #Welt springen auf und dabei stellt sich heraus, wie nahe #Union's-Innenexperte #Mayer doch der "Junge Freiheit" steht und #Poschardt beleidigt Holocaust-Überlebende. [….]
Unglaublich, aber auch deutschen Konservativen skandalisieren den Antifaschismus. Bevor Faeser Innenministerin wurde, hatte sie als hessische SPD-Vorsitzende rechtsradikale mit „NSU 2.0“ unterschriebene Drohbriefe erhalten. Dabei handelt es sich um eine hochgefährliche rechte – faschistische – Terroristengruppe, die schon ein Dutzend Morde beging – unter anderem 2019 an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke. Faeser tat das einzig Richtige, indem sie darüber aufklärte und sich wehrte.
Es gehört schon außerordentlich moralische Schäbigkeit dazu, um sich wie Union, BILD oder Poschardt bei rechtsterroristischen Morden nicht bedingungslos an die Seite der Opfer zu stellen.
[….] FDP und Linke springen Nancy Faeser [….] Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wird von Politikern aus CDU und CSU kritisiert, weil sie – damals noch als Vorsitzende der SPD Hessen – einen Text in »Antifa« veröffentlicht hat, dem Magazin der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten). Zuerst hatten die neurechte »JF« und im Anschluss die »Bild« darüber berichtet. Anlass für Faesers Text waren rechtsextreme Drohbriefe, deren Adressatin unter anderem auch die SPD-Politikerin selbst war. Die Briefe waren mit »NSU 2.0« unterzeichnet und wurden von 2018 bis 2021 an Politiker und Privatpersonen verschickt. [….] Faeser schrieb über Einschüchterungsversuche und »Fantasien von der Vernichtung Andersdenkender« und ferner, dass Einzelne im Internet einander »in faschistischen Fantasien bestärken« können. [….] Der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries behauptete in »Bild« hinsichtlich Faesers Text in »Antifa«: »Die SPD ist auf dem linken Auge weitgehend blind.« Stephan Mayer (CSU) verlangte »eine rasche Entschuldigung« und die »Rücknahme des Beitrags«.
Der Koalitionspartner FDP dagegen stärkt der Innenministerin den Rücken. Der »Welt am Sonntag« sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle: »Der Text eignet sich hervorragend als Lektüre für CDU- und CSU-Innenpolitiker, die die Gefahr des Rechtsextremismus jahrelang unterschätzt haben.« Außerdem habe die Union »dem Treiben eines gefährlichen Verschwörungsideologen an der Spitze des deutschen Inlandsnachrichtendienstes keinen Einhalt geboten«. Damit spielt Kuhle auf den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, an. [….] Auch aus SPD und Grünen erhielt Faeser viel Zuspruch. »Gut, dass wir jetzt eine Innenministerin haben, die den Kampf gegen Rechts ernst nimmt«, twitterte SPD-Chef Lars Klingbeil. Der Grünenpolitiker Sven Kindler schrieb: »Die CDU/CSU-Innenminister vor Faeser haben jahrelang Hans-Georg Maaßen und seine Machenschaften als Präsident des Verfassungsschutzes gedeckt.« [….]
Springers Groß-Zampano und WELT-Chefredakteur Poschardt schaffte es beim Thema Faschismus vs Faeser noch eine deutliche Umdrehung peinlicher zu werden, indem er von „Super-Holocaustüberlebenden und ihren PR-Abteilungen“ faselt, die Formulierung nach dem zu erwartenden Shitstorm aber einer Assistentin in die Schuhe schiebt.
[….] Die Zeitung Die Welt aus dem Axel-Springer-Verlag hat sich am Sonntag für einen bei Twitter heftig diskutierten "schlimmen Fehler" entschuldigt, "den wir zutiefst bedauern und umgehend korrigiert haben". Es geht um einen Meinungsbeitrag für die Welt am Sonntag von Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt mit der Überschrift "Faeser sollte sich schnell erklären - und klar abgrenzen". Dort stand in einer früheren digitalen Version bei Welt.de, "unbescholtene Bundeswehroffiziere wie Marcel Bohnert" müssten sich "von super Holocaust-Überlebenden und deren PR-Abteilungen in der ARD" in die braune Ecke treiben lassen. [….] Auf Twitter veröffentlichte die Welt am Sonntag eine ausführliche Erklärung. Demnach sei es bei der digitalen Bearbeitung des Textes während der Verlinkung eines Begriffs zu dem Fehler gekommen. [….]
Ja, man kann natürlich die Ampelregierung kritisieren. Das tue ich auch.
Aber daß nach all den Unions-Appeasementjahren mit dem Rechtsradikalismus nun endlich eine moralisch anständige Person Amtsinhaberin ist, die sich klar gegen den Faschismus engagiert, empfinde ich als enormen Fortschritt! Danke SPD! Wer von Tichys Einblick, HG Maaßen, CSU, PP, JF, WELT, Springer, Poschardt, CDU und BILD derartig angegriffen wird, macht offensichtlich alles richtig.
Danke Nancy Faeser und weiter so.
Wenn hier einer zurücktreten muss, dann Ulf Poschardt als WELT-Chef.
Ulf Poschardt war vor der Wahl bei Lanz. Ich erinnere mich gut, weil er seinen Ekel über das Grüne Bürgertum auskotzte. Das tat er in einer herablassenden, verächtlichen Weise, die jenseits von annehmbarer Kritik war. Ich denke, der hat ordentlich einen Schaden, die Formulierung ist sicher von ihm.
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