Die Grünen geben sich als politische Vollprofis, tüfteln die Kanzlerkandidatur lehrbuchartig im Hinterzimmer aus, ohne irgendein Parteigremium oder gar die Basis damit zu befassen, alle Eingeweihten halten sich streng an die Schweigepflicht, niemand sticht auch nur eine Andeutung an die Presse durch, kein Parteimitglied, keine Delegierte muckt auch nur im Geringsten auf, weil die Obermuftis gänzlich undemokratisch um Posten feilschen.
Dann gibt Annalena Baerbock perfekt vorbereitet perfekt rundgelutschte Interviews, in denen sie wie ein CDUler nach 40 Jahren in der Regierung, noch nicht mal ansatzweise auf die Fragen eingeht, sondern völlig allgemeingültige wolkige Phrasen ablässt, die auch 90% aller anderen Politiker so verwenden. Sie mache ein „Angebot“, stehe für einen „Neuanfang“, man müsse „die Zukunft gestalten“. Welcher Kandidat von Linke bis CSU würde das nicht unterschreiben, wenn nach 16 Jahren die ewige Amtsinhaberin abtritt?
Heute Journal-Moderator Klaus Kleber konnte dementsprechend die seit Jahrzehnten eingeübte Replik „nun haben Sie lange gesprochen, aber mit keinem Wort auf meine Frage geantwortet“ anwenden.
Erstaunlich ist insbesondere die CDU-Grüne-Habitus-Rochade.
Während die Baerbock-Habeck-Partei diszipliniert wie Chinas
KP agiert und jedes Mitglied einmütig die Parteichefs unterstützt, streiten
sich die CDU-Funktionäre wie die Kesselflicker, bieten ein Bild des puren
Chaos, sind ganz offensichtlich nicht in der Lage, ihre persönlichen
Eitelkeiten zu vergessen und an einem Strang zu ziehen!
Das Allererstaunlichste aber: Heute gehe ich vollständig mit der Ansicht des
erzkonservativ-drögen Heute Journal-Redaktionsleiters Schmiese d’Accord.
Ich kann mich nicht erinnern jemals einer seiner politischen Analysen
zugestimmt zu haben.
[…..] Die Grünen zeigen der Union, wie man es richtig macht. Ihnen ist heute gelungen, was CDU und CSU haltlos versprochen hatten. […..] Vor einer Woche hätten CDU und CSU sich noch ähnlich elegant für die Bundestagswahl aufstellen können. Armin Laschet hatte - genau wie Annalena Baerbock bei den Grünen - das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Markus Söder hatte die Chance, genau wie Robert Habeck bei den Grünen, zu sagen: Grundsätzlich wäre ich zwar geeignet und bereit. Aber ich akzeptiere. […..] [Söder] hat die große Schwester vorgeführt. Sie wirkt uneinig. Und treulos gegenüber ihrem eben erst gewählten Vorsitzenden Laschet. Ausgerechnet in dem Moment, wo die Stimmung wegen der anlaufenden Impfwelle für die Union besser wurde. Laschets Abfragen an diesem Abend, wer von den Führenden zu ihm als Kandidaten steht, ist eine Warnung. Wenn die Mehrheit ihm nicht folgt, war's das mit seiner Autorität und damit im Grunde als CDU-Chef. Egal wie es ausgeht: Der Schaden ist enorm für die letzte in Umfragen große Volkspartei ganz Deutschlands. Die Grünen haben heute gezeigt, dass sie geschlossen stehen - bereit zur Bundestagswahl als Erben der Union. […..]
Die CDUCSU hat sich tatsächlich in der letzten Woche unnötigerweise in ein nahezu unlösbares Problem geritten, das nun nur noch peinlicher wirkt, nachdem sie von den zuvor als „grüne Chaoten“ geschmähten Ökos vorexerziert bekommen, wie professionelle Politik geht.
Eigentlich akzeptiere ich nicht mehr, eine Frau für den Job als Kanzlerkandidatin vorzuziehen, bloß weil sie eine Frau ist. Nachdem sogar die altbackene CDU 16 Jahre lang eine Frau amtieren ließ, eine weitere CDU-Frau als Merkels Nachfolgerin an der Parteispitze installierte und eine dritte CDU-Frau als Kommissionspräsidentin nach Brüssel schickte, kann man wohl kaum von sensationellen Neurungen sprechen, wenn sich die Grünen Jahrzehnte später auch mit einer weiblichen Spitze präsentieren.
Andererseits zeigen mir die drastisch gehässigen misogynen Reaktionen der ganz Rechten, daß Frauen an der politischen Spitze immer noch abenteuerlichen Kommentarmobbing ausgesetzt sind.
Ja, die gläserne Beförderungssperre, die Hillary Clinton auf ihrem Nominierungsparteitag 2016 mit so einem herzhaften Klirren durchbrach, wurde außerhalb der USA schon von Frauen durchbrochen; so auch in der Türkei, in Pakistan, in England und Deutschland.
Aber diese glass-ceiling kann offenbar auch wieder zuwachsen.
[…..] Die Kanzlerkandidatin aller grünen Journalisten-Herzen hat das Rennen gemacht. Endlich mal eine richtige Frau, die das Kanzleramt erobern will. Nach 16 Jahren Angela Merkel besteht also endlich die Chance auf Politik aus der Sicht einer Frau. Oh nein, sorry: Aus der Sicht einer feminstischen Karrierist*in, die versehentlich Mutter geworden ist. […..] Sind Männer ab jetzt bis zum September ins dritte oder vierte Glied degradiert? So wie der Erzeuger nach dem Geschlechtsakt mit einer lesbischen Frau, die für sich und ihre Partnerin nur noch ein Kind zum Familienglück benötigt, danach nur noch zahlen darf, falls das mit der Adoption nicht so schnell wie erhofft läuft? […..]
(M.v. Laack, Phimosis Penis, 19.04.2021)
Ich glaube, es gibt durchaus noch ein Vorurteil gegen junge Frauen in schwierigen klassischen Männerjobs. Kann so eine das überhaupt? Ist sie dafür hart genug?
Natürlich ist es leichter, wenn 16 Jahre Merkel auf dem Thron saß, deren katastrophale Politik ich abendfüllend anklagen kann. Das einzige, das ich ihr wirklich nicht vorwerfe ist, daß sie keinen Penis hat.
Merkel hatte damals zwar schon acht Jahre Erfahrung als Bundesministerin im Kabinett Kohl aufzuweisen und war an der Spitze von Partei und Fraktion etabliert, aber sie wurde nur deswegen schon ins Kanzleramt gespült, weil Gerd Schröder die CDUCSU so kalt mit seiner Neuwahl-Ankündigung erwischte, daß sich der männliche Andenpakt nicht mehr rechtzeitig in Stellung bringen konnte.
Baerbock hat gar keine Regierungserfahrung, aber Glück.
Erstens ist ihre Partei nicht der verknöcherte CDU-Haufen von 2002/2005.
Zweitens zeigt das Totalversagen der seit Dekaden
amtierender deutschen Politurgesteine in der Pandemie, daß Regierungserfahrung
allein offenbar keine Garantie für gutes Regieren ist.
Drittens zeigen die Beispiele erfolgreicher Corona-Politik junger
Regierungschefinnen wie Jacinda Ardern (Neuseeland), Mette Frederiksen
(Dänemark), Tsai Ing-wen (Taiwan) und Sanna Marin (Finnland), wie gut eine
unerfahrene enthusiastische Frau funktionieren kann.
Das Kirchenmitglied Baerbock tritt allerdings in einem strukturkonservativen veränderungsunwilligen großen Deutschland an; da vertraut man lieber alten, grauhaarigen Männern in der Krise.
Für die SPD dürfte die Grüne Entscheidung pro Baerbock ein Glücksfall sein. Umso mehr kann Scholz seine Stärken als extrem verlässlicher, beständiger und krisenerprobter Vollprofi, der sich nicht erst in irgendetwas einlesen muss, ausspielen
Sofern sich Söder und Laschet weiterhin so vorbildlich bemühen die CDU zu zerstören, sieht es heute wieder ein Stück mehr nach RGR, als nach GRR aus.
[…..] Die Grünen haben sich mit der Nominierung von Annalena Baerbock für ihre Prinzipien entschieden – und dagegen, im September wirklich auf Sieg zu spielen. Bei gleicher Qualifikation erhält die Frau den Job. Das ist einer der Grundsätze der Öko-Partei. […..] Möglicherweise entscheiden wenige Prozentpunkte darüber, wer am Ende ins Kanzleramt einziehen darf. Laut Umfragen ist Habeck seit Jahr und Tag beliebter als Baerbock, auch wenn diese zuletzt aufholte. Er scheint also eine breitere Wählerschicht anzusprechen. Wahlforscher wissen, dass die Spitzenkandidaten die Stimmabgabe für eine Partei maßgeblich beeinflussen. In manchen Fällen deutlich stärker als inhaltliche Fragen. Die Grünen haben sich mit der Nominierung Baerbocks von dem Grundsatz verabschiedet, dass der Köder vor allem dem Fisch (also den Wählern) schmecken muss und weniger dem Angler. […..]
RGR mit einer Vizekanzlerin und Superministerin Barbock
unter Bundeskanzler Scholz?
Finde ich gut!
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