Der legendäre Ehrenvorsitzende Franz-Josef Strauß, der 27 Jahre unangefochten Parteivorsitzender war?
Edmund Stoiber, Strauß‘ blondes Fallbeil, das später Kanzlerkandidat und 14 Jahre Ministerpräsident war und 2003 mit 124 von 180 Sitzen das beste Landtagswahlergebnis aller Nachkriegswahlen holte?
Oder Horst Seehofer, der zehn Jahre Ministerpräsident war, elf Jahre Parteivorsitzender und die CSU aus dem Beckstein-Tief zurückholte und den unglücklichen Erwin Huber vergessen ließ?
Nein, sie alle passten nicht vollständig in die CSU-Schablone.
Strauß kam aus einer vorbundesrepublikanischen Zeit, war NSdAP-Mitglied und polyglott. Stoiber war unnahbar, fremdelte mit bayerischer Bierseligkeit und bumste nicht mit solcher Selbstverständlichkeit wie Strauß, Seehofer und Söder außerhalb seiner Ehe durch die Betten.
Seehofer schließlich ist viel zu sprunghaft, illoyal und eigenbrödlerisch, als daß ihm wirklich alle CSU-Herzen zuflögen.
Der erste echte CSU-Mann, mit 100 reiner CSU-DNA ist Markus Söder, 53.
Sein einziger minimaler Makel ist es evangelischer Franke zu sein und somit nicht zu den CSU-dominierenden katholischen Oberbayern zu gehören.
Aber dafür ist er erzkonservative und kannte schon als kleiner Junge nichts anderes als CSU. In seinem Kinderzimmer hingen Strauß-Plakate statt billiger BRAVO-Bilder von Popbands, wie bei uns anderen.
Natürlich trat er 1983, sobald es sein Alter zuließ mit 16 in die CSU und die Junge Union ein, deren Landesvorsitzender er 12 Jahre später wurde und bis 2003 blieb, als er die maximale Altersgrenze erreichte, um nahtlos für vier Jahre CSU-Generalsekretär zu werden.
Nebenher wurde er mit 27 Jahren in den bayerischen Landtag gewählt, stieg mit 28 Jahren ins CSU-Präsidium auf, wurde er schon mit 30 Jahren Chef des Kreisverbandes Nürnberg-West.
2007 gab er den Posten als CSU-Generalsekretär auf, um wieder nahtlos, als Staatsminister in die bayerische Regierung zu wechseln.
Schon als Parteigeneral hielt er sich – zu Recht – für den kommenden Ministerpräsidenten.
[…..] Wir leben in einer Mediendemokratie. Das können Sie beklagen. Sie können es sich aber auch zunutze machen. Getreu Söders Devise: "Solange es richtig scheppert, ist alles im Lot. Hauptsache, der Name ist richtig geschrieben." Forderungen, die in diesem Sinne immer funktionieren:
- Schlechten Eltern das Kindergeld streichen. - Schwarzfahrer ins Internet stellen. - Das Schulgebet wieder einführen.
Wenn einige Ihrer Parteifreunde nun finden, Ihre Aussagen seien "intellektuell erbärmlich" und Sie selbst ein "gnadenloser Populist", dann haben die die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Denn um, wie Söder formuliert, "im Nirwana der Medienwelt verlässliche Botschaften" zu setzen, muss man manchmal bis an die Grenzen gehen. Ein Fallbeispiel: Sie haben im Wahlkampf gegen ein Asylbewerberheim polemisiert (siehe Kapitel III: Politik heißt Kampf) und der politische Gegner hat Sie daraufhin als Rassisten bezeichnet. Dies erfüllt möglicherweise den Tatbestand der Verleumdung, Sie müssen ihn vor Gericht bringen. Dort gewinnen Sie und wieder sind Ihnen ein paar Schlagzeilen sicher. Dass Sie der Urheber des ganzen Ärgers waren - daran erinnert sich am Ende keiner mehr. […..]
Systematisch und ohne Pausen oder Umwege, absolvierte er alle Schritte in der Partei-, Parlaments- und Regierungshierarchie.
Einmal im Kabinett angekommen ließ er keinen Zweifel daran selbst die beiden Top-Ämter übernehmen zu wollen – CSU-Bundesvorsitz und bayerischer Ministerpräsident.
Um immer der maximalen medialen Aufmerksamkeit sicher zu sein, arbeitete er hart an seinem Ruf stets der ruppigste und den CSU-Herren zu sein – Frauen spielen bekanntlich in der Altherrenpartei bis heute keine Rolle.
Jedes aufziehende Thema kommentierte er als erster. Jede Forderung übertrumpfte er mit einer Zuspitzung und segelte stets am Rande des Rechtspopulismus; gern mit einer ordentlichen Portion Xenophobie, Europafeindlichkeit und stets voller Verachtung für die politischen Konkurrenten.
Söder hält sich selbst für den Allerbesten und Einzigen und schießt auch scharf, wenn es gilt Parteifreunde aus dem Weg zu räumen. Schon Jahre bevor er Ministerpräsident wurde, versuchte er seinen Vorgänger loszuwerden.
(….) Bayern ist unterm Strich noch schlimmer als Sachsen, weil Crazy Horst als Parteichef der CSU zwar über deutlich weniger Bundestagssitze als Linke oder Grüne verfügt, aber überproportional stark in der Bundesregierung vertreten ist.
Immer wenn es so richtig schwachsinnig, teuer, bürokratisch, xenophob, kontraproduktiv wird, steckt Horst Seehofer dahinter: Anti-Ausländer-Maut, Bildungs-Fernhalteprämie, Hotelsteuerermäßigung oder Umstellung auf Sachleistungen bei Flüchtlingen.
In den letzten Tagen vermochte es Markus Söder, der Mann mit dem Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann (Hildebrandt), noch eine Umdrehung hinzuzufügen.
In abscheulichster Matussek-Manier ging er auf die Opfer des IS los, die gerade noch ihre Haut vor dem Terror retten konnte und unterstellte ihnen auch Täter zu sein.
Ekeliger geht es kaum noch.
Man darf getrost davon ausgehen, daß diese widerlich-populistisch-xenophobe Sicht von den meisten CSU-Politikern geteilt wird und dadurch auch in die Bundesregierung getragen wird.
Das sind die Momente, in denen man an Max Liebermann und das „fressen“ und „kotzen“ denkt.
Nun passiert aber etwas unerwartet Lustiges.
Eine zweite Ebene der Bayernpolitik wird sichtbar, so sichtbar, daß sie die Flüchtlingspolitik überlagert.
Horst Seehofer, 66, befindet sich in seinem politischen Herbst und mag wie so viele andere vor ihm – man denke nur an Stoiber und Kohl – nicht rechtzeitig loslassen.
Eifersüchtig auf seine egoistischen Machtinteressen fixiert beißt Seehofer alle jüngeren Konkurrenten weg. In diesem Punkt ähnelt er seiner Schwesterparteichefin Merkel: Auch sie verhindert konsequent, daß ein möglicher Nachfolger gefunden wird.
Während man sich aber in der CDU an das Papstnachfolger-Motto hält, demzufolge jemand der öffentlich bekundet Papst werden zu wollen es niemals werden kann, geht es bei den Christsozialen rabiater zu.
Markus Söder will unbedingt Seehofer nachfolgen. Dafür geht er über Leichen. Dafür versucht er seit Jahren Crazy Horst waidwund zu schießen (…..)
(Zurücklehnen und genießen, 18.11.2015)
Söder wurde immer lauter: Homos sind bähbäh: „Natürlich haben und behalten wir feste Grundwerte, die wir auch als Idealziel festschreiben. Ehe und Familie sind das, was sich die meisten Menschen für ihr Leben wünschen und anstreben.“ Ließ er wissen.
Er verlangte die Aussetzung des Kündigungsschutzes, wetterte gegen den Mindestlohn, attackierte Hartz-IV-Empfänger, die ihm zu viel Urlaub machten und wollte mehr Leistungskürzungen als Bestrafung für Fehlverhalten.
Den Blasphemie-Paragrafen wollte Jurist Söder verschärfen lassen, niemals werde seine Partei „Gotteslästerung zulassen“.
Als 2012 der BR kritisch über die Arbeit des damaligen Umweltministers berichten wollte, ließ er sein Büro intervenieren – erfolgreich. Der brave Staatsfunkt strahlte den Beitrag nie aus.
Für Söder sind Eingriffe in die Pressefreiheit üblich; immer wieder ruft er in Talkshowredaktionen oder sogar beim Morgenmagazin an, um die Gästelisten nach seinen Vorstellungen zu gestalten.
Söder wollte die Griechenland aus der EU werfen, forderte 2015 die Entlassung Rücktritt des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis, der einen Bruchteil der Schulden zu verantworten hatte, die die CSU und Söder durch ihre dubiosen Landesbankgeschäfte verursacht hatten.
Seine Ausfälle gegen Andersgläubige, Andersaussehende, Andersdenkende und Andersliebende waren bin vor zwei Jahren so allgegenwärtig, daß er schon ein gewisses Trumpsches Niveau erreicht hatte: Nichts, womit Söder die Verfassung oder den allgemeinen Anstand angriff, konnte einen noch schockieren.
[…..] Er äußerte im April 2004, in die Schulen gehörten „Kruzifixe und keine Kopftücher“, und behauptete, „typisch deutsche Tugenden wie Leistungsbereitschaft, Pünktlichkeit und Disziplin“ seien „verloren gegangen“.[39] Söder erklärte 2007, er sei gegen einen „falsch verstandenen Dialog ohne Resultate“ mit muslimischen Zuwanderern. Er forderte, dass derjenige, der auf Dauer in Deutschland leben möchte, sich lückenlos zu hiesigen Werten bekennen müsse. Wer sich nicht dazu bekenne, habe hier keine Zukunft.[40] 2010 befürwortete Söder ein Vollverschleierungsverbot.[41] Angesichts der Flüchtlingskrise 2015 stellte Söder das Grundrecht auf Asyl in Frage. Er kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel und forderte einen besseren Schutz der Außengrenzen Europas.[42] Dazu spekulierte er über mögliche Zäune an der Grenze zu Österreich,[43] was CSU-Parteichef Horst Seehofer zurückwies.[44] Die Verknüpfung seiner Position zur Asylpolitik mit den Terroranschlägen vom 13. November 2015 in Paris brachte ihm vor allem Kritik ein, erneut von Seehofer und anderen Politikern der Union. […..]
Söder segelte stets so weit rechts in den AfD-Gewässern, daß nach seiner eigenen Lehre die AfD keine Chance mehr bei den bayerischen Landtagswahlen 2018 haben könnte. Er selbst besetzte schließlich selbst alle rechtspopulistischen Klischees der Faschisten.
(…..) Die CSU des Jahres 2018 ist zu einer ausschließlich destruktiven, debilen und dämonischen Kraft retardiert. Verglichen mit den grenzdebilen Gestalten, die derzeit die Parteiführung in München stellen, wirkt Strauß wie ein besonnener weiser Mann.
[…..] Es gab eine Zeit, da war die CSU eine große Europapartei, konservativ und weltoffen zugleich. Sie arbeitete kraftvoll an der Einigung des Kontinents, und Franz Josef Strauß, ihr bedeutendster Politiker, sagte: "Ein geeintes Europa soll die Vorstufe zu den Vereinigten Staaten von Europa sein." In diesen Tagen fordert kein Führungspolitiker der CSU mehr den europäischen Bundesstaat, jedenfalls nicht vernehmlich. Im Gegenteil. Die Partei legt unter dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Bundesinnenminister Horst Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Axt an den Baum, den sie selbst mit gepflanzt hat. Und nun verarbeitet sie den Stamm zu Schlagbäumen. Das ist Kahlschlagpolitik. [….] Multilateralismus ist ein sperriges Wort für eine einfache Idee: Probleme lassen sich eher miteinander als gegeneinander lösen. Und Konflikte bereinigt man besser durch Kompromisse als durch Konfrontation. Die Geschichte Europas gibt dieser Idee recht. [….] Seither erleben die Europäer, trotz aller Probleme im Einzelnen, die längste und reichste Friedenszeit ihrer Geschichte. Das alles wird gerade von einer Allianz der Zerstörer angegriffen, deren Paten in Moskau und Washington sitzen, deren Mitglieder aber auch bereits in Warschau, Budapest und Rom regieren. Und womöglich auch schon in München. Diese Kräfte nähren sich - so wie der Monsterclown in Stephen Kings Horrorroman "Es" - an den Ängsten der Menschen. Sie greifen diese auf und verstärken sie, um dann den starken Nationalstaat als Lösung zu präsentieren, der die vermeintlichen Interessen des Volkes kraftvoll gegen die anderen Länder durchsetzt. Das Problem ist nur: Wenn alle so handeln, gibt es am Ende wieder Krieg. [….] Noch freie Staaten wie Deutschland und die anderen EU-Länder stehen heute mit dem Rücken zur Wand. Sie werden von den USA unter Handelskrieger Trump, vom Sowjetnostalgiker Wladimir Putin und der totalitären Weltmacht China bedrängt. In dieser Lage die Bundesregierung aufs Spiel zu setzen, Europa kaputtzureden und auf nationale Alleingänge zu setzen, ist verwerflich. Markus Söder und Horst Seehofer sind zum Sicherheitsrisiko für die Zukunft Deutschlands geworden. [….]
(Stefan Ulrich, SZ vom 16.06.2018) (…..)
Es war, wie so oft, ein kapitaler Söder-Fehlschluß. Natürlich wählten, wie zu erwarten, die ganz Rechten das Original. Die AfD zog zweistellig in den bayerischen Landtag ein, Söders CSU sackte auf den blamabelsten Wert seit 1950 ab: Nur 37,2%!
Als Ministerpräsident Beckstein im Jahr 2008 erstmalig die magische 50% verfehlte und nur 43,4% für die CSU holte, jagte ihn die Partei vom Hof.
Söder aber ist die Apotheose der CSU. Mehr CSU geht nicht und gegen ihn geht auch nichts mehr, so daß er auch nach dem für CSU-Verhältnisse absolut erbärmlichen 37 Prozent unumstritten ist.
Heute ist Söder als Herr der Exekutive weiterhin erstaunlich schlecht.
Bayern weist zahlreiche Negativrekorde auf; kaum irgendwo wird die Corona-Pandemie so schlecht gemanaged.
Dennoch könnte Söder groteskerweise der nächste Bundeskanzler werden. Er hat Fans.
Und zwar bei den Grünen.
Die Grünen-Anhänger des Jahres 2020 lieben den Rechtspopulisten. Da beide grünen Parteivorsitzenden ebenfalls klar auf die Union setzen und Schwarzgrün eindeutig RRG vorziehen, steht der Fusion zu einer Oliven-Volkspartei nichts mehr i mWeg. Schließlich schmeißen sich auch die Grünen in Hessen oder Hamburg hemmungslos der CDU an den Hals und verachten die sozialen Ziele der RR-Parteien.
[….] Im SPIEGEL-Gespräch loben und necken sich Markus Söder und Robert Habeck, vor allem der CSU-Chef wirbt für Schwarz-Grün. Finden wir gut, sagt eine Mehrheit der Grünenanhänger – gern mit Söder als Kanzler. [….] Habeck hatte viel Lob für den CSU-Vorsitzenden übrig. [….] Gehen da zwei potenzielle Kanzlerkandidaten ihrer Parteien auf Tuchfühlung? Wollen Söder und Habeck den Weg für eine Zusammenarbeit nach der nächsten Wahl ebnen? [….] Die meisten Fans hat Schwarz-Grün tatsächlich bei den Grünen. Über 50 Prozent sind für eine Koalition mit CDU und CSU, ein Viertel finden, die beiden Parteien sollten diese »auf jeden Fall« anstreben. Dagegen sind lediglich etwas mehr als 20 Prozent. Im Vergleich zum Sommer hat die Zustimmung noch einmal etwas zugenommen, die Ablehnung ist kleiner geworden. Unionsanhänger sind skeptischer. Knapp über 40 Prozent sprechen sich für eine schwarz-grüne Koalition aus, der Anteil derer, die mehr oder weniger große Vorbehalte haben, ist etwas größer.[….]
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