Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe
Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.
Kurz und schmerzlos; heute trifft es Saskia Esken und
Norbert Walter-Borjans, die seit dem 6. Dezember 2019 Bundesvorsitzende der SPD
sind und nach dem turbulenten Dezember mit den vielen Feiertagen nun einen
vollen Arbeitsmonat hatten, um all ihre Ideen in den Koalitionsausschuss und
die Partei einzubringen.
Sie hatten sich im Kampf um die SPD-Spitze nie von der
lästigen Realität einschränken lassen und Großes versprochen:
[…….] Das Bewerberduo [Walter-Borjans und Esken] fordert ein 500-Milliarden-Euro-Programm bis 2030 für Städte und
Gemeinden.
Den Fortbestand der GroKo
knüpfen die beiden an die Zustimmung der Union zu dieser Investitionsoffensive.
[…..]
[……] Vorwaerts: Was sind denn die
Ziele, die Sie bis Ende 2020 erreichen wollen?
Esken: Zustimmungswerte für
die SPD von 30 Prozent und vielleicht mehr. Wir haben allen Grund dazu, stolz
auf unsere Partei zu sein. Aber dieser Stolz soll sich nicht nur aus der
Historie speisen, sondern auch aus dem Gefühl, dass wir die richtige Vision für
die Zukunft haben.
Vorwaerts: Wie wollen Sie
diese Zustimmung denn erreichen?
Walter-Borjans: Wir müssen in
der Regierung wichtige Projekte sichtbar umsetzen und nicht verschweigen, dass
echte sozialdemokratische Politik über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag
hinausgeht. Zweitens dürfen wir die Dinge, die neu auf die Tagesordnung
gekommen sind, nicht kleinmütig angehen. Mit dem Klimapaket haben wir einen
ersten wichtigen Schritt getan. Es würde aber keiner hinnehmen, wenn wir jetzt
einen Haken dran machen und uns nicht mehr drum kümmern. […..]
Dann gucken wir doch mal, wie es nach zwei Monaten aussieht.
Gestartet waren Nawabo und Eskia bei etwa 15% in den Umfragen.
Nach zwei Monaten unter neuer Führung ist die Bundes-SPD bei etwa 13% angekommen.
Nun ist „Verbesserung der Umfrage-Werte“ die politische
Königsdisziplin, an der eigentlich alle SPD-Spitzenkandidaten und Vorsitzenden
gescheitert sind – bis auf ganz wenige Ausnahmen, die allesamt von ausdrücklich
nicht linken Kandidaten geholt wurden.
Gerd Schröders aus heutiger Sicht unfassbare 40,9% bei einer Bundestagswahl, Peer Steinbrück konnte bei der Bundestagswahl 2013 zulegen, Olaf Scholz holte sensationelle Ergebnisse in Hamburg 2011 (48,4%!) und 2015 (45,6%) und auch Stefan Weil holte mit fast 37% bei der Niedersächsischen Landtagswahl am 15.10.2017 kurz nach dem Bundestagswahldesaster ein sehr gutes Ergebnis.
Es bleibt rätselhaft wieso sich immer noch hartnäckig der
Irrglaube hält besonders linke Kandidaten könnten der SPD wieder zu alter
Stärke verhelfen. Denn ganz offensichtlich ist das Gegenteil der Fall, wie wir seit Ypsilanti wissen.
In Hamburg verbat sich SPD-Spitzenkandidat, Ober-Realo,
Scholz-Freund und Esken-Kritiker Tschentscher die Wahlkampfhilfe durch Esken
und Walter-Borjans. Das Ergebnis ist offensichtlich, die Hamburger SPD steht gut doppelt so stark da, wie die
Bundes-SPD.
Man kann Umfragetrends sehr schnell sehr deutlich ändern.
Die Grünen haben unter neuer Realo-Führung seit 2017 ihr 8-Komma-Tal
verlassen und befinden sich in den Mittzwanzigern.
Das zeigt aber auch das Beispiel des 100%-Seeheimers Martin
Schulz Anfang 2017, der die SPD auf 33, 34% hochschraubte und die Partei schon
vom Kanzleramt träumen ließ, bevor er durch eine unheimliche Kette
Fehlleistungen und eine bornierte Führung im Willy-Brandt-Haus alles selbst
wieder zerstörte.
Inzwischen hat sich die schlechte Laune in der SPD, die maßgeblich von dem zutiefst negativ wirkenden Kevin Kühnert geprägt wird allerdings derart verfestigt, daß ich niemand sehe, der die Karre schnell aus dem Dreck holen könnte. Insofern wäre es unfair Esken und Walter-Borjans die noch mieseren Umfragewerte vorzuhalten.
Aber ich werfe ihnen ihre sagenhafte Unkenntnis und Ignoranz
bezüglich der Fortführung der Groko auf. Offenbar fällt ihnen erst nach einigen
Wochen des Parteivorsitzes auf, daß man mit sechs Ministern in der Regierung, die sehr viel Geld zur Verfügung haben
sehr viel mehr „für die einfachen Menschen“ bewirken kann, als wenn man als
13-Prozent-Opposition schmollend am Rand steht und zusieht wie Typen des
Schlages Lindner und Scheuer allein entscheiden.
Offenbar mussten die eigenen Minister der eigenen
Parteiführung erst erklären welche enormen Summen sie unter das Volk bringen
und wie wichtig es in Zeiten des finanziellen Überschusses Sozialdemokraten
mitentscheiden zu lassen. Anderenfalls wären die Milliardenüberschüsse des
Haushaltes auf CDUCSU-Wunsch ausschließlich in Form von Spitzen- und Unternehmenssteuersenkungen
an die Reichsten 10% der Bevölkerung verprasst worden.
[…..] Und sie regiert doch. Sie quält sich, ringt und hadert. Sie arbeitet
langsam und wenig elegant. Aber am Ende kommt diese große Koalition zu
Ergebnissen. […..] Union und SPD üben
sich in Pflicht statt Kür – aber die bekommen sie hin. Das ist mehr als nichts.
[…..]
Nun wollen offenbar auch Saskia Esken und Norbert
Walter-Borjans lieber in der Groko bleiben. Damit haben
sie vollkommen Recht angesichts der noch sehr viel schrecklicheren
Alternativen. Zum Glück haben sie ihren Irrtum eingesehen.
Aber sie sehen dabei sehr schlecht aus.
Entweder sie waren unfassbar verblödet, weil sie das
Offensichtliche vorher nicht begriffen.
Oder sie haben aus Machtgier bewußt gelogen, um genügend
Stimmen aus dem linken Totalverweigerer-Lager gegen Olaf Scholz zusammen zu
bekommen.
Das sind beides keine Ruhmesblätter.
Tatsächlich wirkt insbesondere Saskia Esken weiterhin
kontraproduktiv und tut alles dafür, um ihrer eigenen Partei keine Erfolge zu
gönnen. Die Parteichefs arbeiten immer noch gegen die eigenen Minister.
[….] Im Dezember sollen beide Seiten sich vorsichtig angenähert haben, es
habe mehrere Friedensangebote gegeben, heißt es aus der Fraktion. Viele
Parlamentarier beäugen die neue Spitze aber weiter skeptisch. Dazu trug auch
die Kommunikation von Esken und Walter-Borjans um den Jahreswechsel bei. Ihr
Interview-Dauerfeuer löste bei Parteifreunden Irritationen aus – vor allem weil
die einzelnen Forderungen offenbar nicht koordiniert waren.
Tempolimit, Bodenwertzuwachssteuer, höhere Rentenbeiträge für
Gutverdiener, weniger Rüstungsexporte: Alles eigentlich Konsens in der SPD, die
Bodenwertzuwachssteuer etwa wurde Anfang Dezember beim Parteitag beschlossen.
Doch weil die Vorstöße wenig konkret und nicht abgestimmt waren, verpufften die
Ideen schnell wieder. Was Esken und Walter-Borjans eigentlich wollen, welche
Strategie sie verfolgen, ist nicht erkennbar. […..]
Aber auch ohne Strategie und mit viel Missmut verstehen sie
inzwischen immerhin den Unterschied zwischen regieren und NICHT regieren.
[…..] Der großen Koalition kommt zugute, dass ihre Macht mit der Möglichkeit
einhergeht, Geld mit vollen Händen auszugeben. Das weiß auch die neue
SPD-Spitze zu schätzen. […..] Die
dritte große Koalition Merkels wird kritisiert von so viel Opposition wie noch
nie, ihr Personal sieht nach Meinung des CSU-Chefs zu alt aus, und die neuen
SPD-Vorsitzenden spielten mit dem Gedanken an einen Ausstieg, zumindest solange
sie noch nicht SPD-Vorsitzende waren.
[…..] In der Summe ergibt das, dass diese Koalition unter schlechten
Alternativen die beste ist - jedenfalls aus Sicht der drei Koalitionsparteien.
[…..] Macht allein ist nicht der wichtigste Kitt. Dieser Regierung kommt
zugute, dass ihre Macht mit der Möglichkeit einhergeht, Geld mit vollen Händen
auszugeben. Der jüngste Koalitionsausschuss ist ein gutes Beispiel. Aus dem
Nichts steht plötzlich eine Milliarde Euro für die Bauern auf dem Zettel.
Zuschüsse für Kurzarbeiter könnten dazukommen. Steuersenkungen stehen in Rede.
Diese Koalition hat nie überlegen müssen, wo Geld herkommen, sondern immer nur,
wo es hinfließen soll. Wer da rausdrängt, überlässt anderen die Knete.
Das weiß auch die SPD, deren neue Chefs unter dem größten
Rechtfertigungsdruck stehen. […..] Wer
nun mitreden kann im Koalitionsausschuss, fragt sich vielleicht auch still und
leise: Warum darauf verzichten, nur um öffentlich unbeachtet in Stuhlkreisen
eine 13-Prozent-Partei in der Opposition aufzumöbeln? […..]
Bravo Saskia Esken für die Erkenntnis.
Allerdings hätte das ein Grundschüler schon lange vor ihr
verstanden.
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