Wenn ein chinesischer Arbeiter nach einer gemütlichen
14-Stunden-Schicht auf dem Bau nach Hause gehen kann, hat er Glück. Ein paar
Hundert Millionen von ihnen sind nur Wanderarbeiter und müssen neben den
Baustellen im Dreck übernachten.
Aber an der Haustür kann ein Zettel hängen, auf dem ihm
lapidar mitgeteilt wird, er habe sechs Tage Zeit auszuziehen; dann werde an
der Stelle wo sein Haus steht eine Schnellstraße gebaut.
Aus europäischer Sicht ist die Fatalität, mit der solche
Enteignungen hingenommen werden verblüffend.
Aber die Idee persönlicher Rechte gegenüber des Staates gab
es lange Zeit gar nicht und keimt erst langsam auf.
Die Schnellstraße komme ja auch allen zu Gute und nicht nur
einem wie das alte Haus der Familie.
So eine marktradikale kommunistische Zentraldiktatur ist
natürlich ein Traum für Wachstumsfetischisten.
Da geht es voran.
Wenn eine ZK-Provinzgröße gern ein neues Hochhaus, ein Sperrwerk,
einen Flughafen oder auch eine neue Stadt haben möchte, wird das eben gemacht.
In Windeseile.
Bauzeiten in China sind schon beendet, bevor man in
Deutschland einen Termin bei der Genehmigungsbehörde hätte.
Die innovative Firma Broad Group in China stellte im Jahr
2012 ein Hochhaus mit 57 Stockwerken in unter drei Wochen fertig. Drei Stockwerke an einem Tag. Am 20. Tag
konnten die Menschen einziehen.
[…..] Das jüngst auf diese Art und Weise entstandene Hochhaus in Changsha,
Hauptstadt der chinesischen Provinz Hunan sowie die Stadt, in der Mao Tse Tung
seine Karriere begann, hat viel Aufmerksamkeit erregt. Ein auf YouTube
eingestelltes Video wurde mehr als drei Millionen Mal aufgerufen. Zeitungen in
allen Kontinenten berichteten über die revolutionäre Leistung:
Höchstgeschwindigkeit par excellence, 57 Stockwerke nebst Inneneinrichtung in
19 Tagen. 19 Atriums, 800 Apartments und 4.000 neue Arbeitsplätze verteilen
sich auf 180.000 Quadratmetern Fläche. [….]
Ein 15-Stöckiges Wohnhaus war schon zuvor in 90 Stunden komplett erbaut worden.
Mit deutschen Arbeits- und Umweltschutzgesetzen, mit
Bauvorschriften und Klimaschutzregeln dauern Großprojekte wie Stuttgart 21, der
BER, die Elbphilharmonie statt 19 Tagen eher 19 Jahre.
Seit Jahren ist eine der wichtigsten Elbquerungen Hamburgs,
das Wahrzeichen Köhlbrandbrücke marode und überlastet. Die 1974 für schlappe
160 Millionen gebaute 3618 m lange Brücke lohnt keine Reparatur mehr.
Ein Neubau kostet zwei bis vier Milliarden. Daher wird
überlegt lieber gleich einen Tunnel zu bauen. Der wäre zwar noch teurer, hält
aber deutlich länger als eine Brücke.
[…..] Für einen Ersatz der maroden Köhlbrandbrücke rechnet die Hamburger
Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) mit deutlich höheren Kosten als
bisher bekannt. Nach Informationen von NDR 90,3 würde schon eine neue Brücke
mehr als 2,5 Milliarden Euro kosten. Die Kosten für einen Tunnel, wie ihn viele
im Hafen für sinnvoll halten, übersteigen sogar die Grenze von drei Milliarden
Euro. Nach einer Berechnung der HPA, die bereits seit mehr als einem Jahr in
den Schubladen schlummern, liegen die Kosten bei rund 3,2 Milliarden. Diese
Summen beinhalten nicht nur den eigentlichen Tunnel beziehungsweise die Brücke,
sondern auch den Anschluss an die Autobahn sowie den Abriss der alten
Köhlbrandbrücke. [….]
In Hamburg plant man schon seit Jahren, aber so einfach ist
das nicht zu entscheiden. Zur Finanzierung sind auch Bauexperten wie die
bayerische Blitzbirne Andi Scheuer notwendig; denn der sitzt auf den
Milliarden-Fördertöpfen des Bundes.
Die Zeit wird knapp, denn schon im Jahr 2030, spätestens
2035 wird die alte Köhlbrandbrücke kaum noch zu benutzen sein. Ob man so ein
Projekt in 15 Jahren fertig bekommt, steht in den Sternen. Die Fertigstellung
der Elbphilharmonie – ein wesentlich einfacherer und kleinerer Bau – dauerte von
2007 bis 2017. Ob der Berliner Flughafen jemals in Betrieb geht, weiß niemand.
Dort war 2006 der Spatenstich. Die Pläne für Stuttgart21
waren 1995 fertig. Baubeginn war 2010 und mit der Fertigstellung rechnet man
frühestens 2025.
Vielleicht lohnt sich die Planung eines Tunnels unter dem
Köhlbrand auch gar nicht mehr. Bei dem Tempo der gegenwärtigen
Weltwirtschaftsentwicklung und der unfassbaren finanziellen Potenz Chinas ist
es gut möglich, daß bis 2030 oder 2035 der Hamburger Hafen längst einem
Pekinger Staatskonzern gehört.
Seit Jahren kaufen Xis Jungs Hochseehäfen in aller Welt und
nebenher noch das halbe Ackerland Afrikas.
Wenn der chinesische Präsident eine neue Elbquerung
anordnet, wäre das vermutlich in einem Monat erledigt.
Die asiatischen Großbaufähigkeiten ernsthaft zu bewundern –
das tue ich – bedeutet allerdings nicht, sich das System auch für Westeuropa zu
wünschen.
Es lässt sich trefflich lästern, wenn wieder einmal eine
seltene Schneckenart oder dubiose Wasserpflanze endlose Bauverzögerungen in
Deutschland verursachen.
Aber Umwelt- und Naturschutz sind Werte, die nachhaltiger
als Wachstum sind.
Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der individuelle
Rechte irrelevant sind? In der Menschenleben bloß nachgeordnete Rechengrößen
sind?
Und was ist eigentlich der Vorteil für die Gesellschaft,
wenn man einen Bahnhof 100 mal so schnell baut?
Solange man es sich aussuchen kann, präferiere ich
allerdings das westeuropäische Demokratiemodell. Ich präferiere auch deutsche
Arbeitsschutzregeln statt der nicht vorhandenen Japanischen, die zu einer
derartigen chronischen Erschöpfung führen, daß kein Privatleben mehr existiert
und immer mehr Angestellte ihren einzigen Ausweg im Suizid sehen.
Blöderweise können wird nicht wie in der primitiven Gedankenwelt
eines Donald Trumps Mauern hochziehen und abgeschottet vom Rest der Welt sein.
Die Globalisierung ist Realität und mehr als jedes andere
Land ist Deutschland vom Außenhandel abhängig.
Also muss sich Berlin schon ein wenig anstrengen.
Deutschland kann garantiert nicht in jeder Hinsicht mit
Asien konkurrieren, sollte aber durch Bildung und Infrastruktur die Bedingungen
für Innovationen und Spezialistentum schaffen.
Wenn wir dabei nicht frühzeitig die Umwelt endgültig
zerstören, wäre es auch ganz schön.
Da können wir uns keine Lahmarschigkeit mehr leisten und
müssen chinesischer werden. Einst der
wirtschaftlich stärksten Bundesländer, Hessen, hat ausgerechnet unter der
Regentschaft superstarker Grüner im letzten Jahr gerade mal vier Windräder
fertiggestellt.
Das geht nicht! Die Individualrechte,
Einspruchsmöglichkeiten und Baurechtsexzesse dürfen nicht dazu führen, daß eine
entscheidenden Branche wie die der regenerativen Energie gestoppt wird.
[…..] In einem kleinen Ort in Hessen zeigt sich, warum der Ausbau der
Windkraft in Deutschland ins Stocken geraten ist. Der neue Windpark wird
bekämpft - von Naturschützern, von AfD-Politikern und mit Angstmacherei. [….]
Das ist Grünes Totalversagen an der Regierung. Wie in
Hamburg, so auch in Hessen.
[…..] Ganze vier Windräder sind 2019 in Hessen aufgestellt worden, was
Wirtschaftsminister Al-Wazir auf die windradfeindlichen Bundesregelungen
zurückführt - andere Länder kommen aber mit ihnen deutlich besser zurecht.
Überhaupt sind die hessischen Anstrengungen gegen die Erderwärmung zwar
ordentlich, aber auch nicht ehrgeiziger als die des bayerischen
CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder.
Dass es in der hessischen Polizei rechtsradikale Vorfälle gab, müsste
die Grünen zutiefst regierungskritisch werden lassen - nur sind sie halt selber
in der Regierung. Beim Skandal um die keimbelastete Wurst des nordhessischen
Herstellers Wilke machte ausgerechnet die grüne Verbraucher- und
Umweltministerin Priska Hinz keine gute Figur. Ein Gesetzentwurf zur
Neustrukturierung der Ausländerbeiräte bringt viele Migrationsfachleute gegen
die Grünen auf; im Rhein-Main-Gebiet drängen Wohnungsnot und Verkehrskrise, auf
dem Land herrscht digitale Steppe. […..]
Finanzminister Olaf Scholz weiß als ehemaliger Landesregierungschef
wie man Projekte zügig umsetzt. Nach dem totalen Wohnungsbaustopp unter
Schwarzgrün bis zum Jahr 2011 begann er mit seinem Amtsantritt 2011 eine
massive Bautätigkeit. Seither sind in Hamburg 89.000 Wohnungen, viele davon
sozial gefördert, fertiggestellt worden, die zu einem klaren Rückgang des
Mietanstieges führten. Scholz trat auch allen Elphi-Verantwortlichen so in den
Hintern, daß der Bau endlich fertiggestellt wurde.
Und so müht er sich nun verzweifelt darum seinerseits
Fördermittel unter die Bundesländer zu bringen, so daß diese auch Bauprojekte,
Investitionen in die Infrastruktur und Schulsanierungen durchführen.
Allein, die Mittel werden nicht abgerufen. Am Ende des Jahres behält er immer viele Milliarden übrig,
die niemand will.
[…..] Im September 2019 hatte Scholz von 15 Milliarden Euro nicht abgerufenem
Fördergeld gesprochen, Mittel für Klimaschutz, Schulen, Straßen und sozialen
Wohnungsbau, die ungenutzt liegen blieben, was Scholz zu einer für einen
Finanzminister sehr ungewöhnlichen und natürlich öffentlichkeitswirksamen Bitte
an Städte und Gemeinden inspirierte: "Bitte nehmt das Geld." […..]
Die Gründe sind komplex. Oft sind es gerade die
finanzschwachen Gemeinden, die Fördermittel nicht ausgeben, weil sie den
Eigenanteil nicht aufbringen können.
Außerdem kranken Projekte an Langsamkeit und komplizierten
Bauvorschriften.
Richtig zu planen bindet viel Personal in Ämtern und
Rathäusern. Personal, das nicht da ist, da um die Jahrtausendwende alle
deutschen Gliederungen im McKinsey- und Roland-Berger-Wahn ihre Mitarbeiter
gefeuert haben. Verschlankung und Entbürokratisierungen lauteten die
Zauberworte, mit denen CDU und FDP getrieben von Springer und INSM auf
Wählerjagd gingen.
Herzlichen Glückwunsch. Das hat geklappt. Nun sind wir so
schlank, daß keine Innovationen mehr möglich sind.
Und wenn sich doch mal findige städtische Angestellte
finden, um einen Bau auszuschreiben, winken die Bauunternehmer ab, die gar
keine Lust haben mit komplizierten öffentlichen Auftraggebern zu arbeiten.
[…..] Auch der Personalmangel in den Städten führt dazu, dass Geld nicht
abgerufen wird, Projekte stillstehen. […..] Selbst Boomstädte wie München
oder Köln, die inzwischen wieder bei Kasse sind, suchen beinahe verzweifelt
Mitarbeiter. In Köln fehlen selbst den berühmten Museen die Leute, Gemälde zu
restaurieren oder gar Schenkungen zu begutachten. Besonders hart ist das
Bauwesen betroffen, wo Planstellen zu Dutzenden frei sind und sich
Baugenehmigungen, die viel Arbeit bedeuten, lange hinziehen können. Das Problem
sei leider, heißt es dort, erneut die private Konkurrenz: "Dort wird
besser gezahlt, als wir es können, uns setzen schon die Tarife Grenzen."
Wenn aber "Planungskapazitäten fehlen", sagt Städte- und
Gemeindebundchef Landsberg, trägt dies dazu bei, "dass bestimmte
Förderprojekte nicht bearbeitet werden können", schon gar nicht innerhalb
der Fristen, die oft recht kurz sind. […..] Ein dritter Grund für liegengelassenes Fördergeld betrifft vor allem
arme Kommunen: Oftmals müssen sie, um an die Mittel zu kommen, einen
Eigenanteil bezahlen, der je nach Land und Projekt zwischen zehn und 30 Prozent
liegt. Wenn sie den nicht stemmen, ist auch die Fördersumme perdu. […..] Ein vierter Grund, warum die Kämmerer das
Fördergeld eben nicht so einfach nehmen, wie es der Finanzminister empfiehlt,
wiegt wesentlich schwerer: Es ist die ausgeuferte Bürokratie und die
Regelungswut. Lange Planungsverfahren, endlose Rechtswege. "Wer den
Bauauftrag für eine Kommune übernimmt", sagt Gemeindebund-Experte Portz,
"muss erst mal Dutzende Seiten Vorschriften des komplexen Vergaberechtes
studieren. Und man kann sich vorstellen, dass er einen privaten Bauherren vorzieht,
der ihm weit weniger Mühe macht."
Teil dieser Bürokratie sind die oft sehr knappen Fristen für
Fördermittel. [….]
Also bitte keine chinesischen Verhältnisse in Deutschland!
Aber daß wir uns dermaßen in Bauvorschriften und Zuständigkeitsgewirr verstricken, daß hier gar nichts mehr gebaut wird, kann ja nicht die Alternative sein.
Aber daß wir uns dermaßen in Bauvorschriften und Zuständigkeitsgewirr verstricken, daß hier gar nichts mehr gebaut wird, kann ja nicht die Alternative sein.
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