Es gibt diese weit verbreitete „die da oben können sich
alles erlauben“-Stimmung.
Die Oben raffen sich alles auf unsere Kosten zusammen, die betrügen
uns, die bereichern sich, für die gelten keine Regeln.
Wenn sich dieses allgemeine Misstrauen gegenüber den Eliten
allzu sehr verfestigt, wird es gefährlich, weil dementsprechend auch das
politische System in Verruf gerät, den Medien misstraut wird, die Demokratie
leidet und Extremisten immer mehr Einfluss gewinnen.
Daher bin ich immer der Erste, der diesen „die-da-oben“-Lamenti
entgegentritt.
Vieles davon ist nämlich blanker Unsinn.
Bundesminister und Kanzler machen den Job ganz sicher nicht,
um sich zu bereichern. Man kann als Staatsangestellter in anderen Job mit
erheblich weniger Arbeit viel mehr verdienen.
Das geht sogar auf kommunaler Ebene. Die HHLA Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath
in Hamburg, eine städtische Angestellte, verdient fast 900.000 Euro im Jahr.
Das Dreifache der Kanzlerin.
Verglichen mit dem was jemand mit den Kontakten eines
Ministers „in der Wirtschaft“ als Lobbyist oder als Vorstand in einem
Staatskonzern wie der Bahn verdient, sind aber auch 900.000 Euro nur peanuts.
Ja, ich kann Angela Merkel auch nicht leiden, aber würde es
ihr nur darum gehen sich die Taschen vollzustopfen, wäre sie längst raus aus
dem Bundeskanzleramt.
Das betrifft auch Dienstwagen und Flugzeuge, die diesen
gefährdeten Menschen missgönnt werden.
Auch das könnten sie in anderer Funktion weit luxuriöser
haben.
Vieles was „die da oben“ tun, ist übrigens überraschend
transparent.
Ausschusssitzungen, Bundestagsreden, Gerichtsverhandlungen,
Regierungsprogramme, Parteitage sind alle öffentlich. Man ist sogar eingeladen
dort hinzugehen und sich das mal selbst anzuhören. Bundestagsabgeordnete
veranstalten regelmäßig Touren nach Berlin, damit die Wähler ihres Wahlkreises
genau überprüfen können, was sie eigentlich den ganzen Tag tun. Es gibt Tage
der offenen Tür, genau wie beispielsweise den für jeden offen stehenden
Neujahrsempfang des Hamburger Bürgermeisters.
Tatsächlich sind es eher di tumben und phlegmatischen
Wähler, die nicht auf solche Angebote eingehen, sich nicht interessieren und
lieber ihre auf Unwissenheit beruhenden Vorurteile pflegen.
Ich rate beispielsweise seit Jahrzehnten allen Bekannten
sich Bürgerschaftssitzungen anzusehen, unbedingt eine Führung durch Hamburgs
(gewaltiges!) Rathaus zu machen. Kaum einer tut das, kaum einer nimmt die
vielen Gelegenheiten wahr die eigenen Abgeordneten zu sprechen.
Es wird eher umgekehrt ein Schuh draus. Politiker zu sein
ist derartig unangenehm, familienfeindlich, unsicher und gefährlich, daß ihn
die gutem Leute gar nicht mehr machen wollen.
Tausenden Posten auf kommunaler Ebene sind gar nicht besetzt,
weil sich einfach niemand mehr findet, der sich diesen undankbaren Aufgaben
stellen will.
Es gibt auch keine sinistere EU, die sich um
Gurkenkrümmungen kümmert. Im Gegenteil, Brüssel und Straßburg sorgen dafür, daß
wir alle mehr Verbraucherschutz erfahren und weniger abgezockt werden können
(Stichwort Roaming-Gebühren!)
Umso ärgerlicher sind die Vorgänge, bei denen wirklich „da
oben“ zu Gunsten anderer Oberer gemauschelt wird.
Ein viel zitiertes und beklagtes Beispiel ist Steuerhinterziehung.
Nach unzähligen Medienberichten weiß jeder, daß ein
Steuerfahnder durchschnittlich das Zehnfache seines Jahresgehaltes in die
Staatskasse einbringt.
Ich erinnere mich an Berichte von Monitor, in denen schon
die Ministerpräsidenten Stoiber und Koch gefragt wurden, wieso ausgerechnet in
ihren sehr reichen Bundesländern besonders wenige Steuerfahnder arbeiten, so
daß dort Betriebe viel seltener als in anderen Bundesländern geprüft werden.
Die Antwort ist natürlich: „Genau deswegen!“ Es gibt dort so
viele reiche Firmen, daß sich die Landesfinanzminister sich nicht trauen sie
härter anzufassen. Die Herren sind nämlich empfindlich und könnten in andere
Bundesländer fliehen, wo man nicht so genau hinguckt.
Zwischen den Bundesländern besteht also ein Wettbewerb um
die wenigstens jährlichen Steuerprüfungen, da es sich dabei um einen
inoffiziellen, aber wohlbekannten Standortvorteil handelt.
Der Föderalismus ist die Ursache des Problems.
Auf einer höheren Ebene gilt das für Unternehmenssteuern.
Bundesfinanzminister wollen immer großzügig zu den Konzernen sein, weil die
anderenfalls in einen Nachbarstaat verschwinden, der weniger nimmt. Stichwort „Steuerschlupflöcher“.
Auch hier könnte nur internationale Zusammenarbeit Abhilfe
schaffen. Steueroasen-Nationen müssten geächtet und die nationalen Steuern
angeglichen werden.
Auch das funktioniert nicht, weil „die da oben“ es nicht
hinbekommen.
Aber wie sollten sie es auch hinbekommen, wenn „die da unten“
immer mehr hochgradig nationalistische Lügner wie Johnson, Orban, Trump oder
Salvini wählen?
Natürlich bemühen die sich nicht um internationale strenge Regeln.
Natürlich bemühen die sich nicht um internationale strenge Regeln.
Ein weiteres Ärgernis sind Erbschaftssteuern.
Gern gefordert von den Linken, aber fast nie umgesetzt, weil
sie in der Bevölkerung extrem unpopulär sind.
Die Freibeträge klingen zwar auf den ersten Blick recht hoch
– 500.000 Euro für den Ehepartner, 400.000 Euro für Kinder, 200.000 Euro für
Enkel – aber bei den heutigen Immobilienpreisen ist das schnell erreicht.
Das kleine Haus am Stadtrand, die Eigentumswohnung des
Vaters in der Innenstadt sind fast immer über 400.000,- wert und dann wird man
im Erbfall oft gezwungen das Elternhaus zu verkaufen, wenn man die anfallende
Steuerlast nicht aufbringen kann.
Es tut weh, wenn einem das passiert. Wenn man beim Notar sitzt
und die Wohnung, in der der Vater über 50 Jahre wohnte an einen 21-Jährigen
Schnösel im Designeranzug verkloppen muss, weil man nicht die Möglichkeit hat
die Erbschaftssteuern aufzubringen.
Wenn der Notar zum
Verkauf gratuliert, man nur mürrisch entgegnet, einem wäre nicht nach
Glückwünschen, schließlich müsse man den Erlös ja doch zum großen Teil an
Schäuble überweisen und der Notar dann sagt „Sie müssen Erbschaftssteuern
bezahlen? Dann gratuliere ich recht herzlich, daß Sie so viel geerbt haben!“
Der Notar hat mit dem Satz so verdammt Recht, daß man sich
gar nicht mehr recht ärgern mag – ist man doch gerade beim Jammern auf höchsten
Niveau erwischt worden.
Da man aber an so einer Immobilie emotional hängt, ist man
dennoch latent wütend „auf den Staat“, der sie einem wegnimmt.
Auch wenn man rational natürlich einsieht, daß Erbschaften
ungerecht sind und daher besteuert gehören.
Richtig sauer wird man aber, wenn man die Höhe der
Erbschaften genauer betrachtet.
Ja, man wird zur Kasse gebeten, wenn das Grundstück in der
Vorstadt mittlerweile 800.000 Euro wert ist und nein, man hat nicht die
geringste Möglichkeit dem Fiskus zu entkommen.
Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn man nicht 800.000
Euro, sondern beispielsweise 800.000.000 Euro erbt.
Das ist so viel, daß man ein entsprechendes Heer von
Finanzspezialisten angeheuert hat, die entweder das Geld nach Liechtenstein oder
die Caymans verschoben, oder auch ganz legal ein Doppelstiftungsmodel
eingerichtet haben, so daß man nicht nur weniger, sondern tatsächlich gar keine
Erbschaftssteuern zahlt.
Die Quandts, die Albrechts haben selbstverständlich ihr Erbe
so regeln können, daß sie weniger Erbschaftssteuern zahlen mussten, als der
Erbe eines kleinen Häuschens.
Hast Du ein Haus, zahlst Du einen sechsstelligen
Erbschaftssteuerbetrag.
Hast Du 100 Häuser, zahlst Du gar nichts.
[….] Wer viel erbt, zahlt kaum Steuern
[….] "Wenn
ich scheid aus diesem Elend und laß hinter mir ein Testament", dichtet Goethe
in Hans Liederlich, "so wird daraus nur Zank." Womöglich trifft der
Altmeister die Gegenwart damit nur zum Teil. Jedenfalls gilt dies nicht für
alle der gut 600 Deutschen, die 2018 mehr als zehn Millionen Euro erbten oder
geschenkt bekamen. "Nur Zank"? Kaum. Denn die Großerben mussten nicht
ernsthaft mit dem Fiskus teilen. Sie erhielten zusammen 31 Milliarden Euro,
eine Summe fast so hoch wie die ganzen Investitionen des Bundes oder das
jährliche Kindergeld für zehn Millionen Eltern. Die Großerben zahlten auf diese
31 Milliarden nur fünf Prozent Steuer, ergaben Auswertungen des Statistischen
Bundesamts, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.
Dieser kleine Prozentsatz mag jeden überraschen, der weiß, dass das
Gesetz jenseits der Freibeträge und bei entfernteren Verwandten auch
Erbschaftsteuern von 30 bis 50 Prozent vorsieht. Und dass für Arbeitnehmer ab
etwa 5000 Euro brutto monatlich der Spitzensatz der Einkommensteuer von 42
Prozent anfällt. Wie sind die günstigen Großerbschaften möglich, die eine parlamentarische
Anfrage der Linken ans Licht bringt? [….] So entstehen scharfe Gegensätze. "Die ärmere Hälfte der
Bevölkerung erbt fast nichts", weiß Bach aus seiner Forschung. Wer aus der
Mittelschicht steuerpflichtig bis eine Million Euro bekommt, zahlt im Schnitt
zehn Prozent ans Finanzamt. Wem dagegen mehr als 100 Millionen Euro in den
Schoß fallen, der muss laut der Statistiker-Daten nur halb so viel abgeben.
Zwei Drittel dieser XXL-Erben, die vergangenes Jahr zusammen 15 Milliarden Euro
kassierten, zahlten gar nichts.
"Deutschland ist ein Steuerparadies für Multimillionäre"[….]
In diesem Fall haben „die da oben“ wirklich gut gemauschelt.
Ich ärgere mich dabei fast weniger über die generelle Ungerechtigkeit,
als die Fahrlässigkeit, mit der CDU-Finanzpolitiker damit in Kauf nehmen, daß
große Teile des Volkes das Vertrauen in die Demokratie und die Staatsform
verlieren, in der doch alle die gleichen Rechte haben sollen.
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