Die Amis wählen das House tatsächlich alle zwei Jahre. Eine
absurd kurze Legislaturperiode, die quasi zu einem Dauerwahlkampf führt. Kaum
hat man sich ein bißchen an die neue Mannschaft im Weißen Haus gewöhnt, begibt
sich die Administration schon wieder in die Wahlschlacht um die Midterms.
Es passt nur zu gut, daß der gegenwärtige Präsident, an den
man sich gar nicht gewöhnen kann, nie mit dem Wahlkampf aufhörte und auch jetzt
noch die immer gleichen Rallys vor einem rassistischen Mob hält, bei denen er
gegen seine Gegnerin von 2016 wettert.
Klug ist immerhin, daß alle möglichen Wahlen am
Midterm-Datum zusammengefasst werden. Da werden ein Drittel der Senatoren neu
gewählt, jede Menge Gouverneure neu bestimmt, alle Kongressabgeordneten gewählt
und auch noch haufenweise Volksabstimmungen durchgeführt.
Wenigstens also alles in einem Abwasch.
Vollkommen idiotisch hingegen das deutsche System, in dem
die Bundesländer zwar (neuerdings) nur alle fünf Jahre neu wählen, aber diese
16 Landtagswahlen PLUS Europawahlen PLUS 16 Kommunalwahlen PLUS
Bundestagswahlen maximal verstreut werden.
Die eitlen MPs wollen alle möglichst ihre eigene Wahl.
Nachdem schon im September bis Mitte Oktober kaum noch regiert werden konnte,
weil alle Parteigrößen im bayerischen Wahlkampf engagiert waren und hysterisch
auf die Umfragen glotzten, ging das Affentheater anschließend nahtlos weiter, weil die Hessen genau zwei Wochen später wählen. Hauptsache unökonomisch und
kompliziert, damit jedes Bundesland sich einbilden kann ganz allein die
bundesweite Aufmerksamkeit auf sich zu zerren.
Statt Bayern am 14.10. und Hessen am 28.10., hätten sich
Söder und Bouffier zum Wohle der Demokratie auch auf eine gemeinsame Wahl am
21.10. einigen können, aber dafür waren ihre Egos zu groß.
Im Moment sind die Politiker der Regierungsparteien in einem
schlimmeren Hühnerhaufenmodus denn je, da selbst in dem Bundesland, in dem seit
500 Jahren immer nur die Regierungspartei gewählt wird die CSU wegbrach.
Was kann da erst in Hessen passieren, wo es traditionell
viel knapper zugeht?
Durch den unsäglichen Dauerwahlkampf schaffen es die
Parteien offenbar kaum noch ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen – an der
politischen Willensbildung im Volke mitzuarbeiten.
In der Theorie treffen sich in einer Partei Personen mit
grundsätzlich ähnlichen Grundüberzeugungen. Die diskutieren miteinander,
entwickeln konkrete Konzepte und Absichten, von denen sie in den nächsten
Jahren möglichst viele im Volk durch sachliche Argumentation und viele
Gespräche an der Basis überzeugen. Diese für richtig und wichtig erachteten Konzepte
manifestieren sich dann in Form von Mehrheiten für die entsprechenden Parteien
bei den Wahlen.
Das funktionierte bis inklusive Gerd Schröder, der mit
deutlichen klaren Konzepten (Ökosteuerreform, Nein zum Irakkrieg, Homoehe,
Agenda 2010, Zwangsarbeiterentschädigung, drastische Senkung der
Lohnnebenkosten, dritte Säule der Rentenversicherung, Ausstieg aus der
Atomenergie) an die Wähler trat und diese mal mehr, mal weniger davon
überzeugte.
Das klappt jetzt aber nicht mehr, weil die Welt zu kompliziert
für einfache Konzepte ist, die Wähler viel zu indolent dazu sind sich
inhaltlich mit Wahlprogrammen zu beschäftigen und die Parteien auch gar nicht
mehr wissen welche Überzeugungen ihnen am wichtigsten sind.
Angela Merkel machte aus der Not eine Tugend, indem sie das
ganze System auf den Kopf stellte.
Sie wirbt a priori um einen Vertrauensvorschuss ganz ohne Konzeption
und lässt das Kanzleramt eine Armada von Meinungsforschern delegieren, die der
Kanzlerin zweimal in der Woche sagen, welche Konzepte gerade populär sind,
womit man am wenigsten aneckt und das vertritt sie dann eben auch.
Alle anderen Parteien machen es nun genauso. Überzeugungen
sind erst mal zweitrangig, Hauptsache man setzt sich immer auf Themen, die am
meisten Zuspruch versprechen.
Damit ließen sich die Wähler 12 Jahre einlullen. Merkels
Versprechen war es dem verwirrten Volk keine Brachial-Reformen wie ihr
Vorgänger zuzumuten, möglichst gar nichts zu ändern und wohligen Mehltau auf
die Gesellschaft zu legen.
Bis heute kann keiner sagen was Merkel eigentlich will, aber
immer noch mögen viele das „es bleibt alles wie es ist“-Gefühl und hadern
dementsprechend nur dann mit ihrer Regierungschefin, wenn sie sich wie im Jahr
2015 mal unvorhersehbar benimmt.
Das hat den kleinen Durchschnittsurnenmichel so nachhaltig
verwirrt, daß er selbst auch nicht mehr weiß was er will. Endlich mal was
Neues, weil der Merkel-Kurs nicht so weiter gehen kann? Oder doch lieber keine
Experimente und bei der CDU das Kreuz machen, wie alles ökonomisch so rosig
aussieht?
Sollen es lieber Politikertypen mit Ecken und Kanten sein,
die reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und die sich damit vom
Partei-Mainstream abheben?
Oder sind gerade das die Querschüsse, die so furchtbar
chaotisch wirken, daß man sich über das Regierungschaos ärgern muss und diszipliniertere
Parteien wünscht?
Schwierig.
Die SPD versuchte es im Bundestag mit ultraseriöser
Sacharbeit, schluckte um des Koalitionsfriedens willen eine Kröte nach der
nächsten, erreichte dafür in ihren Ministerien deutliche Fortschritte und
Verbesserungen für das Volk.
Damit fiel sie gründlich auf die Nase, wurde gerade in
Bayern brutal abgestraft, weil man die SPD für viel zu angepasst hält. Das
Totschlagargument ist die angeblich zunehmende Ununterscheidbarkeit der Koalitionsparteien.
Die CSU setzte auf die diametral gegenteilige Strategie, war
stets Sand statt Öl im Groko-Getriebe.
Immer wieder versuchte sie brachial ihre Ansinnen
durchzudrücken, nahm fahrlässig ein Ende der Groko in Kauf.
Ununterscheidbarkeit mit dem politischen Gegner in der Koalition kann man der
CSU wahrlich nicht vorwerfen; sie sagt brutal klar was sie will. Die CSU
verhält sich so wie es alle ehemaligen SPD-Wähler und die jetzigen SPD-Linken wünschen:
Nicht in erster Linie an das Wohl des Gesamtvolkes denken, sich nicht verbiegen
und immer klare Kante zeigen.
Trotz gegenteiliger Strategie erzielte die CSU aber das
gleiche Ergebnis wie die SPD: Rekordverluste.
Na logisch, sagten nun fast alle Politanalysten: Die
Deutschen mögen keinen Parteienstreit. Sie wollen sachliche, unprätentiöse
Regierungspolitik, keine Ego-Shows und weniger Schwanzvergleich.
Diesem Ansinnen passte sich wiederum der Hessische
Ministerpräsident an, der einst als schlimmer Wadenbeißer dem radikalsten Rechts-CDUler
Roland Koch diente und nun als biederer Landesvater zum Anfassen gilt.
Prognostiziert werden rund 12%-Punkte Minus für die
Landes-CDU.
Gut - Politiker im Wahlkampf machen manchmal echt lustige Dinge.— Florian Neuhann (@fneuhann) 10.
Aber DAS HIER? Hat schon eine eigene Qualität.
Volker #Bouffier, amtierender hessischer Ministerpräsident, CDU-Bundesvize, auf der "Gickelbahn" im Taunus-Park Wunderland. #ltwhe
(mehr später @heutejournal ) pic.twitter.com/WUQe0KKmbb
Weil das offensichtlich doch zu oberflächlich und
nichtssagend war, wie Bouffier auf Hühner-Kinderbimmelbahnen ritt setzte die
SPD seit zehn Jahren mit dem strebsamen, fleißigen stets nur sachorientierten
Schweigermuttertraum Schäfer-Gümbel dagegen.
TSG war seit 2008 so viel in Hessen unterwegs, daß er nun
jeden Grashalm persönlich kennt und zu jedem auch noch so speziellen Thema
erschöpfend informiert ist.
Ergebnis: Seriöse Sacharbeit ohne Aufmerksamkeits-Tourette der
Stufen Morbus Söderus und Morbus Spahnus wird vom Wähler abgelehnt. Mindestens 10%-Punkte Minus sind der SPD am Sonntag sicher.
Die Grünen hingegen imitieren und übertreffen die SPD im Bund,
indem sie sich bis zur absoluten Unkenntlichkeit verbiegen, jedes Grüne
Kernanliegen verraten und einer völlig geräuschlosem Liebeskoalition mit der
traditionell gefürchteten stramm rechten Hessen-CDU frönen.
[….] Schwarz-Grün regiert so geräuschlos, dass nichts haften bleibt. Die
Grünen haben überhaupt kein erkennbares Profil mehr, wie man am Beispiel des
Flughafenausbaus sieht. Das wurde einfach ausgeklammert. Oder auch die Rolle,
die der Verfassungsschutz bei dem NSU-Mord in Kassel gespielt hat: Das wollte
die Landesregierung nicht aufklären. Da ging Ruhe vor Aufklärung. [….]
Das wäre der sichere demoskopische Tod für die SPD.
Die Grünen-Wähler hingegen lieben es offensichtlich und boosten
die Partei für genau das Verhalten auf Rekordwerte von gut 20%, das
Minimalwerte für die SPD bedeutet.
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