Heilpraktiker
als Wissenschaftler anzusehen, ist ebenso vergeblich wie der Versuch Theologen
als Akademiker zu verstehen.
Homöopathen
und Kirchisten sind gleichermaßen einer Ideologie verhaftet, die
wissenschaftlichen Fakten widerspricht und potentiell tödlich für ihre Anhänger
ist.
So wenig
man Krebs mit Globuli, Reiki und Channeln behandeln kann, so wenig kann man
Schizophrenie mit Exorzismus beikommen.
Ein
Skandal, daß der deutsche Staat dennoch diesen gefährlichen Unsinn
cofinanziert.
Am gestrigen
Samstag verkünden die beiden hochrangigsten Religioten Deutschland wieder
einmal ihre Sicht der Dinge und riefen zur „Woche für das Leben“ auf.
[…..]
„Als Christen glauben wir, dass uns das
Leben von Gott geschenkt ist. Deswegen hat der Schutz dieses Lebens einen so
großen Stellenwert für uns.“ Das sagte der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof
Heinrich Bedford-Strohm (München), am 14. April in einem ökumenischen
Gottesdienst in Trier zur Eröffnung der „Woche für das Leben“. [….]
Wenn
Christen sich offiziell mit „Leben“ benamsen („Christdemokraten für das Leben“,
„pro life“) ist immer größte Vorsicht geboten. Unter dieser euphemistischen
Überschrift ist meist radikales Gedankengut mit drastischen Verschlechterungen
für viele Menschen zu verstehen.
Auch
wenn ich es schon dutzendfach betonte, sei an dieser Stelle noch einmal
erklärt, daß jeder Christ sein Leben gern als persönliches Gottesgeschenk
empfinden darf und sich dementsprechend verhalten kann.
Aber
bitte zwingt die (mit einem höheren IQ geborenen) Atheisten nicht ebenfalls dazu.
Haltet Euch aus unserem Privatleben raus!
Marx und HBS dürfen gern glauben was sie
möchten.
[….]
Der Vorsitzende der (katholischen)
Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (München), betonte in
seiner Predigt, dass Gott bedingungslos Ja zum Menschen sage. Christen könnten
darauf vertrauen, dass Gott das Leben schütze und liebe. [….]
Ich
glaube Marx, daß er das glaubt.
Er hat
allerdings offensichtlich Unrecht.
Gott ist
das Leben entweder scheißegal, oder er ist ein Sadist.
Wie
könnte man sonst das Schicksal des 2011 in München, dem Wirkungsort der beiden
Top-Bischöfe, verstorbenen Heinrich S. deuten?
14
elende Jahre lang litt der Mann unvorstellbare Qualen.
[….]
In Anbetracht des desaströsen Zustands
des bereits jahrelang bettlägerigen Patienten – mit Dekubiti, zunehmendem
Rigor, regelmäßigem Fieber, Schmerzen, Atembeschwerden, viermaligen
Lungenentzündungen, Gallenblasenentzündung, vollkommener Immobilität,
Kommunikationsunfähigkeit“. […]
…. scheint
mir Gottes Liebe für jeden widerlegt zu sein.
Aber man
muss wohl Religiot sein, um nach Auschwitz ohne rot zu werden verkünden zu
können, Gott liebe jeden bedingungslos.
Zurück
zu Heinrich S.:
[…..]
Der 1929 geborene Patient stand wegen
eines dementiellen Syndroms von 1997 bis zu seinem Tod im Jahr 2011 unter
Betreuung. Diese war unter anderem für die Gesundheitssorge einem Rechtsanwalt
als Berufsbetreuer übertragen, auch weil der Sohn von Heinrich S. weit entfernt
wohnte. Seit 2006 lebte Heinrich S. in einem Münchener Pflegeheim. Während
eines stationären Klinikaufenthaltes wurde ihm 2006 wegen Mangelernährung und
Austrocknung des Körpers eine PEG-Sonde angelegt, durch welche er bis zu seinem
Tod künstlich ernährt wurde.
Aufgrund
fortgeschrittener Demenz war eine Kommunikation jedenfalls seit 2008 gänzlich
unmöglich geworden. Auch körperlich ging es dem Patienten zunehmend schlecht.
Bereits seit 2003 war er wegen Kontrakturen nicht mehr zur selbstständigen
Fortbewegung fähig und versteift. Im Juni 2008 wurden zudem eine spastische
Lähmung und eine Nackenstarre durch gesteigerte Grundspannung der
Skelettmuskulatur diagnostiziert. Er reagierte seit 2008 gar nicht mehr, lag im
Pflegeheim verkrampft im Bett und konnte sich nonverbal nur noch durch Stöhnen
äußern. Erst ab November 2008 wurde dem Patienten von dem beklagten Arzt
regelmäßig ein Schmerzmittel auf Opioidbasis verschrieben.
In den Jahren 2010 und
2011, um die es im Verfahren ging, hatte der Patient regelmäßig Fieber,
Atembeschwerden und wiederkehrende Druckgeschwüre durch langes Liegen. Im
Frühjahr 2011 befand sich der Patient fast einen Monat wegen einer
Gallenblasenentzündung mit zwei Abszessen in stationärer Behandlung. In
Anbetracht seines schlechten Allgemeinzustands wurde jedoch auf eine Operation
verzichtet. Zwischen Juli 2010 und Oktober 2011 wurde vier Mal eine
Lungenentzündung festgestellt, im November 2011 erfolgte eine stationäre
Aufnahme aufgrund einer weiteren Lungenentzündung. Als die Antibiotika-Gabe
nicht mehr anschlug, verschlechterte sich der Zustand des Patienten. Am 19.
November 2011 verstarb er – bis zuletzt künstlich ernährt – im Krankenhaus. [….]
In
diesem Fall könnte nun aber Rechtsgeschichte geschrieben werden, da der in den
USA lebende Sohn des durch die Magensonde viele Jahre zusätzlich Gematerten den
behandelnden Arzt, den er zu Lebzeiten seines Vater immer wieder mit
anwaltlicher Hilfe vergeblich zur Einstellung der künstlichen Ernährung zwingen
wollte, verklagte und in zwei Instanzen Recht bekam.
Das
Landgericht und das Oberlanggericht München sprachen ein Schmerzensgeld für ein
„wrongful life“ aus.
[…..]
Noch nie wurde obergerichtlich überhaupt
Schadensersatz für die künstliche Verlängerung eines Lebens bei nur noch schwerstem
Leiden zugesprochen. Hinzu kommt nun die völlig neue Frage, ob Schmerzensgeld
für die künstliche Verlängerung des Leidens zugesprochen werden kann. Zwar hat
der Arzt nicht das Entstehen des Leidens selbst durch einen Behandlungsfehler verursacht,
wohl aber dessen Verlängerung um über 22 Monate. Zu entschädigen sei, so der Senat,
nicht das Leben, wohl aber das Leiden, das sog. „wrongful life“. Das Gericht
hat hierfür ein Schmerzensgeld in Höhe von 40 000 € zugesprochen. [….] Denn die Zuführung von Nährstoffen über eine
PEG-Sonde bei einem Patienten, der infolge schwerer und irreversibler
cerebraler Schäden auf natürlichen Wegen trotz Hilfeleistung keine Nahrung mehr
zu sich nehmen kann, ist gerade ein
widernatürlicher Eingriff in den normalen Verlauf des Lebens, zu dem auch das Sterben
gehört.“ Sodann stellt der Senat fest, dass „das (Weiter-) Leben, wenn auch
unter schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Leiden, gegenüber dem
Tod bzw. der Nichtexistenz einen
Schaden im Rechtsinne darstellen kann.“ [….]
40.000
Euro für jahrelange Höllenqualen sind wenig und helfen dem Sohn gar nicht. Sie
kommen vor allem viel zu spät für den eigentlich Betroffenen Heinrich S.
Der Fall
wird aber zum Bundesgerichtshof gehen und sollte dieser die Sicht der
untergeordneten Instanzen bestätigen, ergeben sich gewaltige Konsequenzen für
die Krankenversicherer. Jahrelange Intensivbehandlung am Ende des Lebens gegen
den ausdrücklichen Willen der Patienten kann leicht siebenstellige Kosten
verursachen.
Würde
sich diese Rechtsprechung (Urteil 21.12.2017, AZ 1 U 454/17) durchsetzen,
könnten die Versicherer zukünftig die behandelnden Ärzte auf Schadensersatz
verklagen und würden mutmaßlich damit ihre Neigung zur Lebensverlängerung um
jeden Preis gegen den Patientenwillen deutlich einschränken.
[….] „Die Entscheidung für eine Haftungspflicht für eine medizinisch nicht indizierte Weiterbehandlung bei schwerem Leidenszustand ist ein wichtiges Signal. Sie dürfte Folgen für die Praxis haben.“ Es werde, so Birnbacher, in der öffentlichen Diskussion noch viel zu wenig hinterfragt, dass die Weiterbehandlung von schwer leidenden Kranken ohne Besserungsaussichten um der reinen Lebenserhaltung willen häufig nicht nur immenses Geld kostet, sondern auch für die Patienten zu einer unzumutbaren Belastung werden kann. Der Primat der Autonomie und des Wohlbefindens des Patienten ist erst kürzlich in der Neufassung des „Genfer Gelöbnisses“ betont worden.“
(DGHS- Präsident Professor Dr. Dr. h. c.
Dieter Birnbacher 22.12.2017)
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