Staaten
können töten.
Das ist
zunächst einmal schwer zu schlucken, wenn man wie ich für Gewaltfreiheit
einsteht und das Leben als unantastbar ansieht.
Niemand
hat das Recht jemand anders das Leben zu nehmen, aber jeder hat das Recht über
sein eigenen Leben zu bestimmen.
Wer das
Leben als absolut schützenswert betrachtet, kann auch nicht zwischen mehr oder
weniger schützenswerten Leben abwägen.
Im
staatlichen Maßstab zu denken führt in Teufels Küche.
Ja, ich
unterstütze natürlich die Befehlsgewalt des Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der
1977 die GSG9 losschickte um vier Terroristen an Bord der „Landshut“ zu
erschießen. Drei von ihnen wurden tatsächlich am 18.10.2017 im staatlichen
Auftrag getötet, Zohair Youssif Akache, Nabil Harbi und Hind Alameh. Nur Souhaila
Andrawes wurde nicht tödlich verwundet und lebt heute als freie Frau in Oslo.
Kaum
einer hatte noch moralische Bedenken, als klar wurde, daß dadurch alle 90 verbliebenen
Geiseln lebend befreit wurden.
Schwerer
wog schon die Tatsache, daß Schmidt mit dieser Aktion den Tod des ehemaligen
SS-Untersturmführers Hanns Martin Schleyer in Kauf nahm.
Dennoch
war es juristisch vertretbar die drei Terroristen zu töten, weil diese
zweifellos schwere Schuld auf sich geladen hatten.
Aber wie
beurteilt man juristisch die Situation, wenn Flugzeugentführer 100 unschuldige
Passagiere auf ein deutsches Atomkraftwerk stürzen lassen wollen?
Könnte Bundeskanzlerin
Merkel dann die 100 Fluggäste durch einen Luftwaffentornado abschießen lassen,
um möglicherweise 10.000 zu retten, die bei einem Atom-Super-GAU stürben?
Das
Zahlenverhältnis wäre also ähnlich wie im Oktober 1977, allerdings würde die
Bundesregierung aktiv und gezielt 100 Unschuldige töten lassen.
Unschuldige,
die zwar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin bald tot wären, aber reicht
das juristisch betrachtet, um einen hundertfachen Mord zu rechtfertigen?
Ich habe nie Jura studiert, aber immerhin gehört, daß sich Jura-Studenten mit solchen Dilemmata befassen.
Ich habe nie Jura studiert, aber immerhin gehört, daß sich Jura-Studenten mit solchen Dilemmata befassen.
Darf
oder soll man gar einen Menschen, der aus dem brennenden WTC springt im Flug
nach unten erschießen? Er wäre ja ohnehin bald tot und vielleicht erspart man
ihm einige Sekunden Todesqual? Andererseits tötet man aktiv einen gesunden
Menschen.
Es ist
also unklar, ob Heimat-Horst oder Foto-Uschi einen Schießbefehl geben könnten.
Vermutlich
nicht, da das gegen die Menschenwürdegarantie des GG verstieße.
Wenn
aber zufällig ein Privatjet vorbei käme und aus eigenem Antrieb den
Passagierjet zur Explosion brächte, wäre das zwar hundertfacher Mord, § 211
StGB, der aber möglicherweise durch einen "übergesetzlicher Notstand"
rechtfertigen ließe.
Abgesehen
von diesen extremen Grenzfällen gibt es jeden Tag Fälle, in denen Staaten, bzw
Regierungen Menschen töten oder foltern, obwohl dies keineswegs nötig wäre.
Der
legendäre israelische Geheimdienst spürte beispielsweise überall in der Welt
Holocaust-Massenmörder auf oder tötete Terroristen.
Adolf
Eichmann wurde lebend gefangen genommen. Ihm wurde der legendäre Prozess
gemacht bevor er getötet wurde.
Dabei
ging keine Lebensgefahr mehr von ihm aus; man hätte ihn auch lebenslang
einsperren können.
Barack
Obama ließ Osama bin Laden mitsamt Familienangehörigen töten. Da dies in
Pakistan stattfand, war das sicherlich völkerrechtswidrig.
Dennoch
gratulierte die angeblich so von den christlichen Werten („Du sollst nicht töten!“)
überzeugte deutsche Bundeskanzlerin dem US-Präsidenten zu diesem Mord.
Sie
versagte damit moralisch, aber die Moral ist angesichts eines Megaverbrechens
wie 9/11 schwer aufrecht zu erhalten.
Schwerer
wiegt das Schweigen der westlichen Welt zum alltäglichen Dronebombing der
Amerikaner, die damit jedes Jahr Hunderte töten, ohne daß jemals in einem
Prozess die Schuld festgestellt wurde. Von den vielen Kollateraltoten redet
ohnehin niemand.
Aber das
sind auch Tote in großen Mengen; die werden grundsätzlich nicht beachtet – wie die
täglich 10.000 bis 20.000 verhungerten Kinder beweisen, die letztendlich an
unterlassener Hilfeleistung durch uns reiche Nationen sterben.
Darf ein
Staat das eigentlich? Darf eine steinreiche Organisation wie die RKK das? Auf
ihren prallgefüllten Geldspeichern sitzenbleiben und jeden Tag achselzuckend
hinnehmen, wie Myriaden verhungern?
Offensichtlich
ist für Staaten so etwas wie „unterlassene Hilfeleistung“ nicht strafbar.
Ihre
nationale Souveränität macht es möglich.
Die USA
werden auch nicht geächtet oder in Den Haag verklagt, obwohl derzeit 2.843 zum
Tode verurteilte Menschen in ihren Knästen sitzen und auch fleißig exekutiert
wird.
Gerade
heute gab es wieder zwei Hinrichtungen in Trumpland.
[…..]
In den USA ist in zwei Fällen die
Todesstrafe vollstreckt worden. In Alabama starb Michael Eggers, der um seine
"unverzügliche" Exekution gebeten hatte. In Georgia wurde
"Strumpfhosen-Würger" Carlton Gary getötet. [….]
Allein
der Bundesstaat Texas richtete seit 1976 unfassbare 546 Menschen hin.
Staaten
töten und wenn sie nicht gerade Russland heißen, kümmert das niemand.
Rußland
hat 1999 die Todesstrafe abgeschafft, während Merkels Christenfreund George W.
Bush in seiner Amtszeit als Gouverneur 152 (sic!) Todesurteile unterschrieben
hat.
Der
Staat Texas, dem GWB als Gouverneur diente hat in den letzten 30 Jahren sogar 22
Teenager hinrichten lassen.
Auch
geistig Behinderte werden in Amerika, dem land oft he free, hingerichtet.
2008
unterschrieb Bush noch als amtierender Präsident das Todesurteil gegen den Gefreiten
Ronald Gray, einen US-Soldaten.
Tu
quoque ist kein absolutes Argument und macht Putins Aktionen gegen Pussy Riot
nicht besser.
Aber wir sollten uns fragen, warum wir immer so hysterisch auf Russland losgehen und alle Augen bei Obama zudrücken.
Möglicherweise
ließen staatliche russische Stellen auch den in England lebenden ehemaligen
Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter vergiften.
Bewiesen
ist nichts. Während die amerikanische Regierung mit ihren vielen Drohnentötungen
und Hinrichtungen prahlt, weist Moskau diesen Giftanschlag weit von sich.
Frankreich,
Deutschland und das höchst glaubwürdige Weiße Haus stellen ebenfalls Russland
an den Pranger.
Die Mehrheit
der Russen glaubt ihnen aber nicht. Würde überhaupt der legendäre russische
Geheimdienst, wenn er den Mord geplant hätte, so stümperhaft vorgehen und so
offensichtliche Spuren hinterlassen?
Sind die
britischen Anwürfe nicht höchst unglaubwürdig? Will die in arge Bedrängnis
geratene Frau May nicht nur ablenken?
[…..] Stattdessen gab es in den vergangenen Tagen ausführliche Berichte über die Kampagne des Westens gegen Russland. Das staatliche Fernsehen dominiert die Medienlandschaft, es ist das wichtigste Propaganda-Instrument des Kreml. Knapp 70 Prozent der Russen schauen regelmäßig fern.
Nachrichten bei
Rossija 1, die Sprecherin fragt: "Warum spielt Großbritannien den
Skripal-Fall so hoch? Es gibt doch keine Details, die eine Beteiligung
Russlands beweisen."
Es wird nach London
geschaltet, Bilder aus dem Parlament gezeigt, es redet Jeremy Corbyn. Eine
Stimme aus dem Off sagt, der Labour-Parteichef habe Premierministerin Theresa
May aufgefordert, darzulegen, was genau unternommen wurde, um die Schuld
Moskaus zu beweisen. "Kampflustige Parlamentarier haben versucht, ihn zum
Schweigen zu bringen." Eingeblendet werden Bilder johlender Abgeordneter.
Weiter aus dem Off: "Aber er hat sich nicht verbiegen lassen", denn
er wisse sehr genau, was sein Labour-Kollege und ehemaliger Premier Tony Blair
in demselben Saal vor 15 Jahren erzählt habe. Blair wird gezeigt. Er hatte im
Parlament erklärt, Großbritannien müsse gegen den irakischen Diktator Saddam
Hussein in den Krieg ziehen, weil dieser Massenvernichtungswaffen besitze. Bis
heute wurden diese nicht gefunden.
Der Sprecher des russischen Fernsehkanals sagt
dazu: "Seine Lügen (von Blair - Anm. d. Redaktion) haben damals nicht nur
den Glauben an die Worte britischer Institutionen ruiniert, sondern auch zu
einer Tragödie geführt, von der sich die Welt bis heute nicht erholen
konnte." [….]
Immerhin,
die britischen und amerikanischen Sanktionen erfüllen einen Zweck. Sie machen
Wladimir Putin glücklich. Das ist exklusive Wahlkampfhilfe und passt exakt in
seine Kampagne, um sich als starker Mann zu präsentieren, der sich gegen den
doppelzüngigen Westen wehren müsse.
[….]
Die US-Regierung hat nun Strafmaßnahmen
gegen 19 Russen und fünf Organisationen in Russland verhängt, "für
destabilisierende Aktivitäten" und "böswillige russische
Cyberaktivitäten". [….] So
logisch die Strafmaßnahmen nun als Konsequenz des Berichtes erscheinen, so
schlecht ist der Zeitpunkt, an dem sie verkündet wurden: ausgerechnet vor der
russischen Präsidentschaftswahl am Sonntag. Warum haben die USA nicht bis nach
dem 18. März gewartet? Denn jetzt kann der Kreml immer behaupten: Seht her, das
hat Washington nur verkündet, um Putin vor der Abstimmung zu schaden.
Die russische Führung
kann innenpolitisch aus der US-Ankündigung Kapital schlagen. Nicht nur, dass
die Briten russische Diplomaten ausweisen und international weitere
Strafmaßnahmen im Fall des vergifteten russischen Ex-Spions Sergej Skripal
fordern - jetzt stellen sich auch die USA gegen Moskau. Was braucht es mehr an
Beweisen, dass sich die Welt gegen Russland verschworen hat? Im Staatsfernsehen
hört man dieser Tage viel von "antirussischen Aktionen" und "Provokationen"
gegen das Land.
Dagegen kann natürlich
nur einer Widerstand leisten: Wladimir Wladimirowitsch Putin -der starke
Präsident für ein starkes Russland, wie es auf den Wahlplakaten heißt. [….]
Auch
wenn es ein schwerer Fall von „Whataboutism“ ist, sei die ketzerische Frage
erlaubt:
Selbst wenn es stimmte, daß Russland oder gar Putin persönlich diesen Giftanschlag befohlen hätte; wieso sollten sie nicht auch das dürfen, was in Amerika jeden Tag geschieht – staatlich angeordnet Menschen ermorden?
Selbst wenn es stimmte, daß Russland oder gar Putin persönlich diesen Giftanschlag befohlen hätte; wieso sollten sie nicht auch das dürfen, was in Amerika jeden Tag geschieht – staatlich angeordnet Menschen ermorden?
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