Samstag, 22. Oktober 2016

Kollaborieren



Trixi Storchs Großvater, Graf Schwerin von Krosigk war ja so ein netter lieber alter Herr.
Ein anständiger Deutscher, auf den man stolz sein konnte. So berichten es Familienangehörige, die ihn noch kannten. Alle hatten ihn ins Herz geschlossen.

Lutz Graf Schwerin von Krosigk, NSDAP-Mitglied, erhielt von Adolf Hitler das Goldene Parteiabzeichen ehrenhalber, 1932 -1945 Reichsminister der Finanzen, 1949 als Kriegsverbrecher verurteilt.
Ich hatte selbst einmal die Gelegenheit einem Cousin von Trixi die Vergangenheit seines hochverehrten Großvaters anzusprechen.
Opa war ja schon vor Hitlers Kanzlerschaft Reichsfinanzminister und blieb trotz der Gewissensbisse bis zum Mai 1945 im Amt, weil ihn sein Ehrgefühl dazu zwang das Schlimmste zu verhindern. Hitler habe man ohnehin nicht widersprechen können und hätte Opa Lutz sein Amt niedergelegt, wäre vermutlich ein Kriegstreiber sein Nachfolger geworden.


Zur Ratifizierung des Konkordats zwischen Nazi-Deutschland und dem Vatikan wurde am 10. September 1933 in Berlin mit einem Dankgottesdienst in der St.-Hedwigs-Kathedrale gefeiert. Domprediger Pater Marianus Vetter predigte über "den Geist des Konkordats" und dankte nachdrücklich für die Vereinbarung zwischen dem Heiligen Vater und dem Führer, "der allgemein bekannt ist für seine Hingabe zu Gott und seine Sorge um das deutsche Volk". Eine SA-Abteilung nahm mit Musikkorps und allem was dazugehört an der Messe teil. Nazifahnen und katholische Banner hingen nebeneinander, und während des Gottesdienstes wurde das Horst- Wessel-Lied gesungen.
Zu Hitlers fünfzigsten Geburtstag am 20. April 1939 ließen die Bischöfe spezielle Messen lesen und in ganz Deutschland und Österreich die Kirchenglocken läuten. Kardinal Bertram von Breslau schickte an diesem Tag die folgenden Wünsche an Hitler: "Die herzlichsten Glückwünsche gelten dem Führer. Es geschieht das im Verein mit den heißen Gebeten, die die Katholiken Deutschlands am 20. April an den Altären für Volk, Heer und Vaterland, für Staat und Führer zum Himmel senden." [….] Am 5. März 1939, drei Tage nach seiner Inauguration, bestellte der Papst Diego von Bergen, den Botschafter des Dritten Reiches, zu sich. Von Bergen war der Erste, den der neue Papst überhaupt offiziell empfing. Und der neue Papst machte aus seiner Sympathie für den Führer kein Hehl.
Am 6. März 1939 schickte Pius XII. den folgenden Brief an Hitler: "An den hochgeehrten Herrn Adolf Hitler, Führer und Reichskanzler von Deutschland. Sehr hochgeehrter Herr! Wir legen großen Wert darauf, Ihnen gleich am Anfang Unseres Pontifikats zu versichern, dass Wir dem Ihrer Sorge anvertrauten deutschen Volk in innigem Wohlwollen ergeben bleiben und den allmächtigen Gott in väterlicher Zuneigung um sein wahres Glück anflehen, das aus der Religion genährt wird und Kraft empfängt." 

Wieso schwieg Papst Pius XII., der ehemalige Nuntius in Deutschland, so hartnäckig zur Judenvernichtung, obwohl der Vatikan früh umfassend informiert worden war? Wieso exkommunizierte er pauschal die Mitglieder der Roten Armee, aber nicht die Angehörigen der Wehrmacht?

Die "acta apostolicae sedis", die Gesetzessammlung des Heiligen Stuhls vom Juni 1949 machte die Exkommunikation der Kommunisten und ihrer Anhänger aktenkundig und offiziell.

Die Weisung des Vatikans lautet: Kein Katholik kann Mitglied einer kommunistischen Partei sein oder sie begünstigen. Kein Katholik darf Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften veröffentlichen, lesen oder verbreiten, in denen die kommunistische Doktrin verkündet wird. Jeder Katholik, der die materialistische und antichristliche Lehre des Kommunismus verkündet, sie verteidigt oder gar verbreitet, verfällt als Abtrünniger des katholischen Glaubens der Exkommunikation.
(DER SPIEGEL)

Der unfehlbare Papst definiert „kommunistische Erzsünder“ als Intellektuelle und KP-Propagandisten, die automatisch exkommuniziert sind.

Mitglieder der katholischen Kirche blieben hingegen Adolf Hitler, Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Rudolf Hoess, Julius Streicher, Fritz Thyssen, Klaus Barbie, Leon Degrelle, Emil Hacha, Ante Pavelic, Konrad Henlein, Pierre Laval, Franco, Mussolini, oder Josef Tiso.

Das ist die Realität der Heiligen Römisch-katholischen Kirche.
Die Befreier von Ausschwitz, die Rote Armee, wurden verdammt und exkommuniziert, aber der Lagerkommandant Rudolf Hoess, sowie der Megasadist Josef Mengele blieben Mitglieder der RKK.

Zur Verteidigung argumentiert der Vatikan heute wie Storchs Cousin:
Es sollte „Schlimmeres verhindert“ werden.
Das habe man ja bitter am Beispiel der katholischen Kirchen in Holland gelernt. Im August 1942 hatten die niederländischen Bischöfe gegen die Deportation jüdisch-stämmiger Katholiken durch die deutsche Besatzungsmacht protestiert. Daraufhin führten die Deutschen Razzien durch, bei denen 40.000 holländische Juden verschleppt wurden. Also beschloss der Papst lieber nichts zu sagen – so die Lesart der Pius-Fans um Joseph Ratzinger, die ihn unbedingt heilig sprechen wollen.

Wie wir heute wissen waren Vatikan, sowie britische und amerikanische Geheimdienste spätestens ab Sommer 1942 über die sechs gewaltigen Vernichtungslager informiert:
Belzec (450.000 getötete Menschen), Sobibor (150.000–250.000 getötete Menschen), Treblinka (über 900.000 getötete Menschen), Auschwitz-Birkenau (über 1,2 Millionen getötete Menschen), Majdanek (80.000 getötete Menschen) und Chełmno (300.000 getötete Menschen).

Die USA und Großbritannien verfügten über die Mittel die Lager, oder zumindest die Bahnstrecken dorthin zu bombardieren.
Sie taten es nicht.
Und der Papst, der Deutschen- und Nazi-affine adelige Eugenio Pacelli, mochte sich auch nicht äußern. Immerhin war es seine Kirche, die über die Jahrhunderte den Antisemitismus ordentlich angeheizt hatte.
Vatikan-Vertreter sagen zu seiner Verteidigung gerne, daß der arme Papst es nicht habe noch schlimmer machen wollen, indem er die Deutschen noch zusätzlich durch Bannbullen gereizt hätte.
Die Katholische Anmaßung ist unglaublich. Was hätte denn angesichts von sechs Millionen ermordeten Juden „NOCH SCHLIMMER“ werden können?
Soll das im Umkehrschluß etwa heißen, daß die Juden noch glimpflich davon gekommen wären?

Papst und Heiliger Stuhl waren in der Causa „Nazis“ übrigens keineswegs völlig untätig. Sie ermöglichten nach 1945 den schlimmsten SS-Schergen und KZ-Wächtern über die von Kurienbischof Hudal organisierte Rattenlinie die Flucht vor der alliierten Justiz nach Südamerika.
Der ranghöchste deutsche Kardinal Bertram ließ am 30. April 1945 in ganz Deutschland Requien für den toten Adolf Hitler lesen.
Er wies an:

ein feierliches Requiem zu halten im Gedenken an den Führer und alle im Kampf für das deutsche Vaterland gefallenen Angehörigen der Wehrmacht, zugleich verbunden mit innigstem Gebete für Volk und Vaterland und für die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland.

Deutschland und seine Alliierten waren Christen; Christen verübten diese Jahrtausendverbrechen.
95 Prozent aller Deutschen waren entweder evangelisch oder katholisch.

„Schlimmeres verhindern“ kann als Argument wohl kaum verwendet werden, wenn damit 60 Millionen getötete Zivilisten, 25 Millionen massakrierte Sowjetbürger, das Töten jedes fünften Polen, die Zerstörung Europas, die Ermordung von sechs Millionen Juden und mindestens einer halben Millionen Sinti und Roma als das „Weniger Schlimme“ gelten.

Wenn man behauptet keinen Vergleich ziehen zu wollen und dann aber doch zwei nicht vergleichbare Dinge verknüpft, ist das billig.

Ich will wirklich nicht die sächsische SPD mit den Schwerin von Krosigks oder der RKK vergleichen, schon gar nicht will ich die Sachsen-CDU mit den Nazis gleichsetzen.

Aber das Dilemma der Sozis als Junior-Koalitionspartner im Failed State Sachsen ist durchaus ein Problem.
Sachsen ist nicht nur Hochburg der Nazis, AfD und Pegida, Sachsens Polizei ist mit 20% Rechtsextremen unterwandert (so die Schätzung des sächsischen Polizeiausbilders Prof. Karlhans Liebl), die sächsische Justiz verfolgt einseitig Antifaschisten und die seit 26 Jahren ununterbrochen regierende CDU verfolgt einen klar rechtsradikal-freundlichen Kurs.

Kann man als SPD in einer Koalition mitarbeiten, die mit Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Innenminister Markus Ulbig und  Justizminister Sebastian Gemkow (alle CDU), nicht nur die Hauptschuldigen an Sachsens Misere aufbietet, sondern die drei auch ostentativ im Amt belässt?

Dabei stellt die SPD durchaus fähige Menschen im Kabinett.

SPD-Integrationsministerin Petra Köpping schämt sich öffentlich für ihr eigenes Volk – aber so wird den Deutschen das Thema emotional nicht nahe gebracht.
Auch Sachsens SPD-Chef und stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig ist ein Guter.

Inzwischen kennt man seine ganze Familie.
Susann Dulig, Martin Duligs Frau, brach sogar in Tränen aus, als sie am 03.10.2016 auf die grölenden Nazis bei der Einheitsfeier traf.

Mehrere tausend Menschen sind am Montagabend dem Aufruf der Gruppe „Herz statt Hetze“ zu zwei Demos durch Dresden gefolgt. [….] Viel Applaus erhielt auch Susann Dulig, Ehefrau des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD). Sie musste am 3. Oktober durch das Hassspalier am Neumarkt und war damals den Tränen sehr nahe. Sie schäme sich dafür nicht, so Dulig am Montagabend. Sie schäme sich aber dafür, wie Gäste der Stadt am 3. Oktober empfangen wurden. [….]
(DNN 17.10.2016)

Auch der Sohn des stellvertretenden MP, Johann Dulig, ist gegen Rechtsradikalismus engagiert und wurde daher schon selbst Opfer von Nazi-Angriffen, als er gegen die Nazi-Terrorgruppe „Bürgerwehr FTL“ (FTL=Freital) demonstrierte.

Dulig jun. war einer der Insassen jenes Autos, das von Asylgegnern aus Freital mit einem Baseballschläger angegriffen worden war. Diese Attacke hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, nicht nur wegen des direkten Angriffs, sondern weil es um das Reizthema Freital ging – rassistische Hasstiraden von Asyl-Gegnern inklusive.
Johann Dulig, der für die SPD im Meißener Kreistag sitzt, hatte damals über den Kurznachrichtendienst Twitter zu Gegenprotesten aufgerufen. „Heute wieder“, hatte er geschrieben, „wer Zeit hat, kommt und stellt sich den Rassisten entgegen“. Und natürlich war er auch selbst nach Freital gefahren. Am späten Abend passierte es dann auf der Rückfahrt nach Dresden. Zwei Autos hängten sich an den Pkw, in dem Dulig jun. saß. An einer Tankstelle bereits in der Landeshauptstadt folgte die Attacke der Asyl-Gegner. Ein Mann schlug mit dem Baseballschläger auf die Frontscheibe des Autos ein, ein Insasse wurde dabei leicht verletzt. […]

Die Ermittlungen gegen den Anschlag auf die anständigen Sachsen um Johann Dulig wurden im CDU-Justiz-Sumpf Sachsens so lange verschleppt und verzögert, bis im April 2016 der entnervte Generalbundesanwalt den Sachsen das Verfahren entzog, selbst ermittelte, die GSG9 schickte und 16 Mitglieder der „Bürgerwehr FTL“ wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung anklagte.

Schon damals hätte der sächsische Justizminister längst zurücktreten müssen.


Wieso bleibt der anständige Martin Dulig Mitglied der sächsischen CDU-SPD-Regierung?

Er kritisiert seinen Chef und seine Ministerkollegen deutlich.

Sachsens SPD-Chef und stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig sieht in seinem Land ein "qualitatives Problem in den Führungsebenen". Man könne einen Bogen schlagen "von den fremdenfeindlichen Vorkommnissen in Heidenau, Bautzen und Dresden hin zu den Fehleinschätzungen in der JVA Leipzig", sagte Dulig im Interview mit dem stern. Zu lange habe im Freistaat gegolten: "Politische Fehler gibt es in Sachsen nicht." Probleme würden oft verharmlost. Er wolle nicht, dass man sich im Fall des toten Syrers in der JVA Leipzig hinter vermeintlich fehlenden Erfahrungen mit Terrorverdächtigen verstecke. Es gehe vielmehr um die Frage, "inwieweit demokratische Grundprinzipien in der Führung von Polizei und Ordnungsbehörden eine Rolle spielen". [….]

Die völlig verkommene Nazi-freundliche Sachsen-CDU ist natürlich empört. Er laufe alles prima und man habe nichts zu kritisieren.
Kritik dürfe man gar nicht äußern als Regierungsmitglied. Sachsen-Omerta.

Dulig "schadet unserem Land durch sein Auftreten", sagte CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. "Mit einem solchen Generalverdacht gegenüber der Polizei und Justiz isoliert sich Martin Dulig." Wenn er ein so großes Misstrauen gegenüber den Beamten und Angestellten des Freistaates hege, "wie kann er auf Dauer mit diesem Konflikt zurechtkommen?" Von einem Staatsminister dürfe man "ein Mindestmaß an Loyalität gegenüber der Gesellschaft erwarten", sagte Kretschmer. [….]

Dulig gibt die richtige Antwort, sagt mutig, „Ja, ich bin ein Nestbeschmutzer!

Es gibt einen Grund für Duligs Verbleib.
Obwohl ohnehin eine Neuwahl droht, weil Sachsens AfD-Chefin Frauke Petry antidemokratisch die letzte Landtagswahl manipuliert hatte, will Dulig keine Neuwahlen provozieren.

Bei der letzten Landtagswahl in Sachsen am 31.08.2014 war Petrys AfNPD mit 9,7% in den Landtag eingezogen.
Würde heute neu gewählt, käme die AfD ganz locker auf über 20%.

Martin Dulig kann als mit einigem Recht sagen, es werde schlimmer, wenn die SPD nicht mehr in der Regierung mitmache.

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