Sonntag, 9. Oktober 2016

Gute Ossis

Gregor Gysi kann doch nicht so recht vom politischen Einfluss lassen.
Nach gefühlten 27 Rückzügen auf’s Altenteil und drei Dutzend Abschieds-Auftritten in Talkshows entschloss er sich für den Bundestag 2017 zu kandidieren.
Ich hatte tatsächlich geglaubt, Gysi leide nicht am Kohl’schen Unersetzlichkeitswahn.
Zu seiner Entschuldigung sei gesagt, daß er den Vorsitz der Bundestagsfraktion längst abgegeben hatte und seine Nachfolger tatsächlich unfähig sind.
Frau Wagenknecht, die ich lange sehr schätzte, blinkte nun schon mehrfach völkisch und trifft sich demonstrativ mit Frauke Petry.
Bei der Bundestagswahl 2013 wurde Linke unter Gysi stärker als Grüne und FDP und somit zur Oppositionsführerin im Bundestag.
Eine Paraderolle gegen eine übermächtige GroKo, die nur mit sich selbst zankt.
Herr Bartsch und Frau Wagenknecht haben nun das Kunststück vollbracht auf dieser Bühne so zu debakulieren, daß sie wohl im nächsten Bundestag hinter Grünen und AfD zurückschrumpfen werden.

Warum ist also der Osten so rechts, so affin für chauvinistisches und reaktionäres Gedankengut? Wieso rennen da die „kleinen Leute“ hinter den Furz Bachmanns und Blöd Höckes her, zünden fast täglich Asylunterkünfte an und benehmen sich wie ein abscheulicher kotbrauner Mob, den offensichtlich die Möse der Unterwelt ausgerülpst hat?


Gibt es dazu von Kipping, Riexinger oder Bartsch irgendwelche sinnigen Analysen und Vorschläge, wie man das ändern könnte?
Oder ist es nur Wagenknecht, die à la Scheuer ein bißchen an den Mob heranrobbt?

Gregor Gysi sagt immerhin etwas zu dem unangenehmen Thema.

Rassismus und die Ablehnung von Ausländern sind in den neuen Bundesländern stärker ausgeprägt. Eine Erklärung ist, dass beispielsweise die Älteren aus einer geschlossenen Gesellschaft kamen. Die sollten dann plötzlich Deutsche werden, danach Europäer und dann Weltbürger – und das kann überfordern.
Das Zweite ist: Im Osten gab es 1990 einen richtigen sozialen Zusammenbruch. Eine Massenarbeitslosigkeit von einem Tag zum anderen, viele Ältere waren ohne jede Hoffnung. So einen katastrophalen Umschwung gab es zum Glück im Westen nie. Deshalb glauben Menschen im Osten eher daran, dass es zum Beispiel durch Flüchtlinge wieder zu einem solchen Umschwung kommen könnte. Diese Überlegung ist zwar falsch, aber wir alle müssen uns vorwerfen, völlig ungenügend Aufklärungsarbeit geleistet zu haben.
Außerdem: Dort wo Menschen muslimischen Glaubens leben und wohnen, wird kaum rechtsextrem oder rechtspopulistisch gewählt und dort, wo sie fast nicht existent sind, wird so gewählt, also eine abstrakte Angst. [….] Wenn ein Polizist auf der Pegida-Demo in Dresden den Anhängern dort noch einen „erfolgreichen Tag“ wünscht, wenn Versammlungen verboten werden und trotzdem stattfinden, dann merkt man, dass es leider in der sächsischen Polizei eine Orientierung nach rechts gibt. Schon öfter haben wir in Sachsen erlebt, dass die Polizei dort einseitig orientiert ist. Auch da muss etwas geändert werden, vielleicht mal kein Innenminister von der CDU. [….]

Alles richtig, was der gute Ossi sagt.
Aber kann man nach 26 Jahren Einheit immer noch sagen, daß die Ossis von der Plötzlichkeit des Umbruchs so überrascht sind, daß sie sich dagegen wehren?
Und wieso bedeutet Protest gegen die herrschende Politik und die Regierungen im Osten so oft, daß auf Schwache und Kinder eingeprügelt wird?
Ich bin sehr dafür gegen die GroKo zu argumentieren, zu demonstrieren und zu organisieren.

Das hat aber rein gar nichts damit zu tun auf kleine Kinder einzuprügeln, weil sie die falsche Hautfarbe haben.

Jugendliche haben im sächsischen Sebnitz drei syrische Flüchtlingskinder mit einem Messer bedroht und geschlagen. Die fünf, acht und elf Jahre alten Brüder wurden nach Angaben der Polizei am Donnerstagabend angegriffen, als sie aus einem Bus stiegen.
Wie die Kinder berichteten, riefen die Angreifer auch rechte Parolen. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE sollen sie "Sieg, Heil" gebrüllt haben. Der Vater der Jungen verständigte die Polizei.
Die Beamten stellten in der Nähe der Bushaltestelle mehrere Jugendliche im Alter zwischen 15 und 20 Jahren fest. [….]


In Sachsen-Anhalt ist ein Mann aus Liberia in seinem Haus attackiert worden. Zwei Männer, bewaffnet mit einem Schlagstock und einem Schlagring, griffen den 44-Jährigen am Donnerstag in Merseburg an. Sie hatten zuvor an der Haustür geklingelt, wie ein Polizeisprecher sagte.
Die 47-jährige deutsche Lebensgefährtin des Afrikaners und ihr fünfjähriger Enkel wurden bei der Attacke ebenfalls verletzt. Alle drei Opfer kamen ins Krankenhaus. [….]


Eine Woche nachdem Rechtsradikale und Flüchtlinge aufeinander losgingen, ist es in der sächsischen Kleinstadt Bautzen wieder zu einem Übergriff gekommen. Wie die Polizei meldet, haben zwei Unbekannte einen 72 Jahre alten Mann angegriffen. Er wurde demnach von den beiden jugendlichen Tätern zu Boden geworfen; sie sollen dazu "Ausländer raus!" gerufen haben.
Das Opfer ist Deutscher, hat algerische Wurzeln und lebt den Angaben zufolge seit rund 40 Jahren in Deutschland. [….]


So liegen die im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2015 dokumentierten, rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten bezogen auf eine Million Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern (58,7), Brandenburg (51,9), Sachsen (49,6), Sachsen-Anhalt (42,6), Berlin (37,9) und Thüringen (33,9) deutlich über dem Durchschnitt der westdeutschen Länder (10,5).

Die Realität dürfte weit schlimmer sein, da die mit den rechten offen sympathisierende ostdeutsche Polizei oft den fremdenfeindlichen Hintergrund einer Straftat gar nicht erfasst.

Wo sind die netten Ossis, die sich dagegen stellen?
Wo ist Gauck eigentlich?
Göring-Kirchentag?

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