Dienstag, 13. September 2016

Hört, hört Nahles und Göring-Kirchentag!



Man findet eben doch nicht alles im Netz.
Ohne gedruckte Presse, die im Gegensatz zu den Online-Inhalten in der Regel kostenpflichtig und damit auch professioneller ist, weil ausgebildete „Gatekeeper“ an den Artikeln sitzen, würde man nur allzu schnell in seiner eigenen Informationsblase verloren gehen.

Im aktuellen MIZ, den Materialien und Informationen zur Zeit, fand ich einen Hinweis auf das Evangelische Sonntagsblatt.
Die Ausgabe vom 26.06.2016 des frommen Bayernblattes zitiert eine INSA-Conulare-Umfrage, welche die Parteipräferenzen nach Konfessionen aufschlüsselt.
Das interessierte mich natürlich brennend, weil ich bekanntlich seit Jahren die zunehmende Christianisierung von Grünen und SPD scharf kritisiere.
Als „christlich“ werden in erster Linie aufgrund ihres Namens und der konservativeren Haltung die „C“-Parteien CSU und CDU verstanden. Das ist naheliegend, weil sie das „christlich“ auch in ihrem xenophoben Kampf wider die Menschenrechte vor sich her tragen.
Die AfD-artigen Ausfälle der Bayerischen C-Schwester brachten zuletzt allerdings mehrfach ausgerechnet die Kirchen in Stellung gegen die Partei.
Kann man also heute überhaupt noch sagen, daß die rechten Parteien die Kirchenfreunde und die linken Parteien eher die der Aufklärung Verpflichteten sind?
Die gesamte Bundesregierung ist christlich; es gibt keinen einzigen konfessionsfreien Minister, evangelische Kirchentage gleichen einem Grünen-Kongress, die ultrafromme SPD-Christin Kerstin Griese setzt ihren religiotischen Kurs in der Frage der Patientenverfügungen und Sterbehilfe im ersten Wahlgang gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung durch und die ultrafromme damalige Generalsekretärin Andrea Nahles verbietet zusammen mit dem gläubigen Parteichef Gabriel die Einrichtung eines laizistischen Arbeitskreises in der SPD.
Unglaublich! 1998 schworen der atheistische Bundeskanzler und sein ebenfalls atheistischer Vizekanzler demonstrativ mit weiteren sechs Ministern nicht die Formel „so wahr mir Gott helfe“ bei ihrer Vereidigung.
Wenige Jahre später, im September 2013 verbieten Nahles und Gabriel, daß in der SPD überhaupt über sowas wie Konfessionsfreiheit und Atheismus nachgedacht werden darf.
Offensichtlich haben schwere Religioten wie Thierse und Nahles, die mal eher die Ausnahme bei den Sozialdemokraten waren, inzwischen die Partei gekapert und tun alles dafür, um die Säkularen zu verdrängen.
Die bedeutenden sozialdemokratischen Intellektuellen Ingrid Matthäus-Maier (Rechtsexpertin, Finanzexpertin, langjährige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion) und Rolf Schwanitz (sieben Jahre Staatsminister im Bundeskanzleramt) wurden also von der eher schlichten Denkerin Nahles (keinerlei Expertentum) ausgebremst.

Wer ist also im Jahr 2016 wirklich eine christliche Partei?
Und was bedeutet das für die Wählerpräferenzen?
Ich kann doch nicht der einzige eher links positionierte Mensch in Deutschland sein, den die Grieses-Nickels-Kretschmanns-Nahles-Thierses-Göring-Eckardts eher davon abhalten deren Parteien zu wählen.
Offensichtlich werden meine Bedenken in der SPD-Parteiführung auch nicht verstanden, sonst würde irgendjemand schon mal den wie wild gegen Atheisten hetzenden Wolfgang Thierse wegen parteischädigenden Verhaltens zur Raison gebracht haben.

Unglücklicherweise finde ich keine Originalquelle für die oben erwähnte INSA-Consulare-Umfrage. Wer hat das in Auftrag gegeben? Welche Methode wurde verwendet? Wie viele Menschen wurden befragt?
Zudem ist INSA von den größeren deutschen Instituten sicher das Unseriöseste.

Es gibt aber wenig seriöse Zahlen zur konfessionellen Anhängerschaft der Wähler.
Gelegentlich wird nachgewiesen, daß AfD-Fans rassistischer und antisemitischer als anderen Wähler sind – so eine Überraschung.
Untersucht man solche rechtsextremen Tendenzen, gibt es ebenso wenig überraschend den Befund der Uni Leipzig, daß Christen generell ausländerfeindlicher sind.

[….] Von den Befragten gehören 905 der evangelischen und 773 der katholischen Kirche an. Keine Konfession haben 687 Personen. Die Erhebung zeigt, dass Katholiken mit Ausnahme der Dimension „Sozialdarwinismus“ in allen anderen Bereichen häufiger rechtsextreme Positionen vertreten. Personen ohne Konfessionen stimmten im Vergleich mit den Angehörigen der beiden großen christlichen Glaubensrichtungen seltener antisemitischen – also judenfeindlichen – Aussagen zu. Katholiken und Protestanten lagen in dieser Dimension nahezu Kopf an Kopf. Einzig in der Dimension „Sozialdarwinismus“ waren die Konfessionslosen einen Hauch rechtsextremer eingestellt. [….]

Nach INSA ist es nun so, daß CDU-Wähler sich aus 39% RKK, 32% EVG und 23% Konfessionsfrei zusammensetzen.
Die Betonung des „C“ nützt ihnen also tatsächlich, weil sie überdurchschnittlich viele Stimmen von evangelischen und katholischen Wählern bekommen.

Die Konfessionslosen sind hingegen heimatlos; sie werden von ostentativ frommen Führungsfiguren der SPD- und Grünen-Parteiführung abgeschreckt.
Das mickrige SPD-Wählerpotential setzt sich aus aktuell nur noch 17% RKK, 23% EVG und 16% Konfessionsfreien zusammen.
Die LINKE wird für Konfessionsfreie inzwischen fast genauso attraktiv; sie kommen auf 5% bei den RKK, 9% bei den EVG und ganze 15% bei den Nichtreligiösen.
Die Grünen werden nur von 14% der Konfessionsfreien gewählt.
Auch hier gilt offensichtlich, daß sie ihr Potential bei weitem nicht ausschöpfen können, weil Säkulare und Humanisten, die immerhin heute eine relative Mehrheit der Bevölkerung bilden, angewidert von Typen wie Volker Beck sind, die im Bundestag das Alte Testament schwenken, aus der Genesis zitieren und damit Genitalverstümmelungen bei Säuglingen rechtfertigen.

Ich kenne mindestens zwei langjährige SPD-Wähler persönlich, die nach Kerstin Grieses religiotischem Durchmarsch aus dem November 2015 schworen nie wieder SPD zu wählen.
Die SPD könnte also viel gewinnen, wenn sie mutig für die Trennung von Staat und Kirche eintreten würde und ihre unterwürfige Haltung gegenüber Kinderfickerorganisationen aufgäbe.
Ich schätze mal, daß ich mit diesem Tipp allerdings nicht gerade bei den frommen Ministern Steinmeier (designierter Kirchentagspräsident 2019), Gabriel und Nahles durchdringe.

Wir Konfessionslosen sind zwar viele, aber niemand in Berlin will uns haben.

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