Tobias
Haberl und Matthias Ziegler vom SZ-Magazin hatten vermutlich schon
unangenehmere Aufträge als den letzten, der sie für zehn Tage durch
wunderschöne Hotels in asiatischen Urlaubsparadiesen wie Thailand oder Hongkong
führte.
Aber
einen Haken gibt es ja immer.
In diesem
Fall das Subjekt der journalistischen Begier, Haberl und Ziegler hefteten sich
an Margot Käßmanns Fersen, mußten allein 12 mal ihren Vortrag über Martin
Luther über sich ergehen lassen und dabei die Frage erörtern, wieso diese Frau
so polarisiert.
Millionen Deutsche sind begeistert von ihr,
sie kaufen ihre Bücher, gucken ihre Talkshows, lesen ihre BILD-Kolumne und
besuchen ihre Veranstaltungen.
Ebenso
viele Millionen verdrehen entnervt die Augen, wenn nur der Name „Käßmann“
fällt. Der intellektuellen Klasse gilt sie als Inbegriff der ungebildeten
Nervensäge.
Vor sechs Jahren ist
Margot Käßmann tief gefallen, eine öffentliche Person ist sie immer noch.
Derzeit reist sie als Lutherbotschafterin um die Welt. Was hat sie an sich,
dass manche sie so tief verehren und andere sie so radikal ablehnen?
Da ich
zur letztgenannten Gruppe gehöre und wie in diesem Blog dutzende Male bewiesen
von kaum einem anderen Geistlichen so angewidert wie von ihr bin, fragte ich
mich natürlich auch, was sie mir eigentlich getan hat?
Wieso reagiere
ich überhaupt so emotional auf eine von abertausenden Pfaffen und Pfäffinnen, die
für ihren Berufstand auch noch relativ liberal ist und zu den sogenannten
moraltheologischen Fragen durchaus moderat tönt?
Muß man
von so einer Person genervt sein? Wieso ist sie mir nicht genauso egal wie die
meisten Theologen, die ihrem Märchenglauben frönen?
Sicher,
Käßmann lebt recht unbeschwert von politischer Kompetenz oder sonstigem Hintergrundwissen,
aber auch das trifft schließlich auf die meisten Deutschen zu.
Eine Frau, die
Merinowolljäcken von Betty Barclay trägt und Handyfotos der Enkel anhäuft. Die
sich nachts, wenn sie nicht schlafen kann, alte Tatort-Folgen auf Youtube
anschaut. Sie ist auf sympathische Art geheimnislos, deshalb kann man sie auch
nicht entzaubern. Da ist nichts Metaphysisches oder Intellektuelles, nichts
Mystisch-Mönchisches, weit und breit kein Weihrauch und gar nicht so viel
Kalkül.
Haberl zeichnet
nun ein wohlwollendes Käßmann-Bild, reiht sich nicht in die scharfe bis
radikale Kritik ein, die ihr sonst üblicherweise aus den Feuilletons
entgegenschallt.
Margot Käßmann - der
Name macht was mit den Deutschen. Auf irgendeine Art reagiert fast jeder auf
ihn. Viele verehren sie und finden Trost in ihren Büchern. Manche lehnen sie so
radikal ab, dass man sich fragt, was es sein könnte, das die Menschen an dieser
zierlichen Person mit dem Liza-Minelli-Köpfchen so aggressiv macht. Ist es die
Frau oder die Christin? Die Protestantin oder der Gutmensch? Die gescheiterte
Bischöfin, die Bestsellerautorin oder die lästige Mahnerin, die einfach nicht
die Klappe halten kann? Liegt es an ihr? Oder an den anderen, weil sie in
dieser Frau eigene Defizite erkennen oder Talente, die sie selbst gern hätten?
Sie wäre
eigentlich recht unprätentiös, furchtbar normal geblieben.
Eine
fromme, redselige Frau, die lediglich manchmal etwas ungeschickt bei ihren
Formulierungen wäre, auch mal ohne länger nachzudenken draufloskommentiere.
Kann man
ihr vorwerfen so viel zu reden, wenn es doch als Predigerin ihr Job ist sich
vor Menschenmengen zu stellen, um zu reden?
Dabei
geht es um Texte, die 2000 Jahre alt sind, im besten Fall 500 Jahre, wenn sie
ihren heißgeliebten Luther zitiert.
Das ist
natürlich sehr öde und Myriaden mal gehört.
Aber
müsse man sie deshalb hassen?
Es ist dieser Hang zur
Anekdote, der Käßmanns Trumpf, aber auch ihre verletzlichste Stelle ist, der
Zug, mit dem sie die Deutschen in zwei Lager teilt: in ihre Fans, die sie für
ihre Natürlichkeit lieben, und ihre Gegner, die ihre patente
Kirchentagshaftigkeit kaum ertragen können. Margot Käßmann liebt Kirchentage.
Seit 1979 hat sie keinen verpasst. "Tankstelle für die Seele", sagt
sie dazu. Klar verdrehen da manche die Augen. Und dass sie immer so wirkt, als
käme sie aus dem Supermarkt und nicht aus dem Gottesdienst, macht die, die sie
für naiv und selbstgerecht halten, rasend, und alle anderen noch anhänglicher.
Der
SZ-Magazin-Autor ergründet ehrlich woran Käßmanns abstoßender Effekt auf so
viele Menschen liegen könne.
Aber
offenbar empfindet er selbst nicht so. Sie nervt ihn nicht und daher dringt er
auch nicht hinter ihre Narrativ-Ebene.
Die
Äußerlichkeiten, ihr schlichtes Gemüt, die enervierende Medienpräsenz, ihr
Drang Banales zu veröffentlichen und naiv zu kommentieren, stört mich in dem
Maße wie mich andere intellektuelle Flachschwimmer stören, die unablässig in
den Medien herumgereicht werden: Til Schweiger, Claudia Effenberg, Verona
Pooth.
Das ist
für mich alles eine Schublade. Menschen, die unberechtigterweise als medial
interessant erachtet werden und daher zu jedem erdenklichen Thema befragt
werden und Auskunft geben.
Verona
Pooth ist dabei ein Beispiel für eine öffentliche Figur, die zwar auch über die
Käßmannsche Ebbe im Hirn verfügt, aber anders als Schweiger noch nicht mal
unsympathisch ist.
Es gibt
auch nette Doofe.
Es ist
natürlich ein Ausweis von Doofheit, wenn Käßmann mit ihren Privatmeinungen und
Privatproblemen – Scheidung, Klimakterium, etc - gleich zur BILD rennt, um das
der Welt mitzuteilen.
Niemand
muß die BILD lesen und es gibt den „Aus“-Knopf, den man drücken kann, wenn
Käßmann mal wieder bei Will/Lanz/Maischberger/Plasberg hockt.
Nur
wenige Menschen, wie der zu bedauernde Denis Scheck, sind gezwungen aus
beruflichen Gründen Käßmanns zwischen zwei Buchdeckel platt gepresste Plattitüden
zu lesen.
Aber
man kennt das aus ihren geradezu debil-doof Büchern, die allesamt Bestseller
wurden:
Margot Kässmann: Mehr
als Ja und Amen
Gibt es
Jämmerlicheres, als wenn Erwachsene beim Besuch im Kindergarten oder in der
Grundschule so tun, als wären sie selbst Kindergartenkinder oder Grundschüler?
Dieses literarische Leben auf Kredit, diese geborgte Naivität, dieses
Sich-blöd-stellen mit großen Stauneaugen ist der basso continuo von Margot
Kässmanns publizistischem Oevre. "Für dieses Buch habe ich über viele
Monate Zeitungsauschnitte gesammelt und war am Ende fast erschlagen von der
Vielfalt der Probleme, der Stimmen, der Ansätze", schreibt sie. Ein
unnötiges Buch, von der Konzeption her Kraut und Rüben, in der Ausführung
lieblos hingerotzt, ein Buch, dessen Leser sich wie zu Unrecht ans Kreuz
geschlagen fühlen müssen.
Margot Käßmann:
"Sehnsucht nach Leben"
Zwölf Aufsätzlein der
Ex-EKD-Vorsitzenden zu Themen wie Mut, Trost, Liebe und Geborgenheit versammelt
dieses leider illustrierte Büchlein. "Ich denke, jeder Mensch muss für
sich selbst herausfinden, wo die eigenen Kraftquellen liegen", schreibt
Margot Käßmann darin. Aus dem Mund einer FDP-Vorsitzenden klänge das
akzeptabel, für eine protestantische Theologin aber ist das bis zur
Selbstaufgabe lasch und opportunistisch: ein Offenbarungseid.
Margot Kässmann:
"In der Mitte des Lebens"
Aus groupiehafter
Sehnsucht nach der medialen Wiederaufstehung einer wegen Trunkenheit am Steuer
zurückgetretenen Landesbischöfin und Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche
in Deutschland ein grauenhaftes Mischmasch aus Sermon, Erbauungsliteratur und
moralisierenden Textautomatenbausteinen über Monate an die Spitze der deutschen
Bestsellerlisten zu jubeln – für solch merkwürdige Heiligenverehrung kennt man
meines Wissens im Norddeutschen das schöne Wort "katholisch!"
Wenigstens
Scheck spricht aus, was offensichtlich ist: Käßmann steht nackt da. Sie hat ja
gar nichts an.
Bei
den großen Multiplikatoren ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen.
Bis
hierhin könnte man Käßmann lediglich als Symptom des Kulturpessimismus
betrachten.
Eine
freundliche, junggebliebene Großmutter, die schlicht denkt und ein bißchen viel
redet.
Das ist
aber leider nicht alles.
Als
ehemalige Top-Kirchenfunktionärin übt die Frau enormen Einfluss aus.
Ihre
unmaßgeblichen Privatmeinungen beeinflussen die Politik und somit auch das Leben
von Atheisten, die von der Kirchenkrake in Ruhe gelassen werden wollen.
Die
auf einem riesigen Milliardenschatz hockende EKD bekommt mal eben vom Staat
zusätzliche 70 Millionen Euro für das Lutherjahr, also der Privatfeier von Deutschlands dümmster Bischöfin und Lutherbotschafterin
Käßmann.
Lutherjahr:
Staat zahlt 70 Millionen – Kirche 17 Millionen
[…] Der Bund stellt aus dem Kulturetat 35
Millionen Euro für das 500-jährige Reformationsjubiläum zur Verfügung und das
Land Sachsen-Anhalt, wo sich die meisten Lutherstätten befinden, 35 Millionen.
Die evangelischen Landeskirchen haben 17 Millionen Euro bewilligt.
Wieso
gibt es da nicht den geringsten öffentlichen Aufschrei, während
Bürgerkriegsflüchtlinge wegen Geldmangels unter erbärmlichen Zuständen hausen
müssen?
Es ist
schlimm genug, daß ich als Atheist die Kirchen finanzieren muß.
Bischofsgehälter wie das von Frau Käßmann bezahle – statt daß man diese Kosten allein
den Gläubigen aufbürdet.
Der entscheidende
Punkt ist aber, dass die öffentliche Bezuschussung von Kirchentagen die
weltanschauliche Neutralität des Staates verletzt. Von einer wirklichen
Trennung von Staat und Kirche kann man in Deutschland leider nicht sprechen.
Die Kirchen erhalten nicht nur Milliardenbeträge vom Staat, sondern sind auch
an der Gesetzgebung maßgeblich beteiligt. So war es nicht zuletzt dem Einfluss
der Kirchen geschuldet, dass der Deutsche Bundestag im letzten Jahr die
Bestimmungen zur Sterbehilfe verschärft hat, obwohl die Bevölkerung mit einer
überwältigenden Mehrheit von 80 Prozent für eine Liberalisierung votierte.
Käßmanns widerlich-verblödeter Einflussnahme ist es zu verdanken, daß Sterbehilfe
nicht erlaubt ist. Sie selbst sprach sich massiv und wiederholt gegen
professionelle Todesbegleitung aus.
Geht es
um derart persönliche und intime Dinge wie das eigene Leben und das Ende
dessen, fällt es schon sehr schwer eine grinsende Käßmann mit ihrem
Lieblingsspruch „man kann nie tiefer fallen als in Gottes Arme“ auftreten zu
sehen, wenn man einen Angehörigen unter grauenhaften Schmerzen leiden und
sterben sieht.
Käßmann
und ihre Christenfreunde dürfen gern jedes krankheitsbedingte Leid jahrelang
auf Intensivstationen an drei Dutzend Schläuche angeschlossen genießen.
Aber sie
sollen nicht die Konfessionsfreien durch ihren Einfluss auf die Gesetzgebung
zwingen es ebenso zu handhaben.
Allein das gesetzliche Sterbehilfeverbot, welches durch Druck der
Käßmanns zustande kam, ist für mich Grund genug die
Kirchen zu verachten.
Selten
erlebt man so penetrantes Ignorieren des alltäglichen menschlichen Leids.
Gröhe
illustriert mustergütig seine eigene Heuchelei, seine Unwissenheit, seine
Gewissenlosigkeit, seine Anmaßung, seine schlicht unmenschliche Bosheit.
Jeder
Christ kann sein Leiden, seine bestialischen Schmerzen, sein Ersticken, seine
Unselbstständigkeit, seine Lähmungen, seine Perikardergüsse, seine Magensonden,
seine Tracheotomien, seine Intubationen, seine Katheter, seine verschleimenden
Lungen, seine Inkontinenz, seine Dekompensation, sein Organversagen, seine
Hämodialyse, seine Klistiere, seinen künstlichen Darmausgang, seine
Desorientierung, seine Panikattacken, seine Ängste, Phobien und Depressionen, seine
Verzweiflung, seine Paresen, seine Dekubiti, seine Ekzeme, seinen Pruritus,
seine Exsikkose, seine Infusionen, seine Transfusionen, seine OPs, seine
Beatmungsmaschinen und die Verzweiflung der Angehörigen so lange genießen wie
er will.
Wenn
jemand anders das nicht möchte und mit seinem EIGENEN Leben selbstbestimmt
umgehen will, geht das den Christen nichts an.
Kirchen
haben einen konkret schlechten Einfluss auf den Staat, indem sie beispielsweise auf ein ausbeuterisches Arbeitsrecht
beharren, so daß Millionen Angestellte in zu 100%
staatlich finanzierten Schulen, Pflegeheimen, Kitas und Krankenhäusern keinem
arbeitsrechtlichen Schutz unterliegen. Sie dürfen nicht streiken, werden
untertariflich bezahlt, ausgegrenzt, wenn sie Juden oder Atheisten sind.
Kirchen
und Käßmann trugen maßgeblich dazu bei, daß in Deutschland wider die UN-Kinderrechtskonvention
männliche Säuglinge an ihren Genitalien verstümmelt werden
dürfen.
Unverzeihlich.
Und zum
guten Schluß begleiteten Tobias Haberl und Matthias Ziegler Margot Käßmann in
ihrer Eigenschaft als Lutherbotschafterin.
Sie
verlieren aber kein Wort zu dem Mann, für den Käßmann auf der ganzen Welt so
intensiv wirbt.
Zu
UNRECHT. Denn schon 200 Jahre vor Luther wurde die Bibel in
Deutsch übersetzt.
Was
man hingegen über Luther weiß, läßt den eindeutigen Schluss zu ihn als
Riesenarschloch zu bezeichnen.
Luther. Ein
widerlicher Geselle, ein Verbrecher an der Menschheit. Den haben wir noch nicht
richtig aufgearbeitet. Wir gehen mit Luther um, als sei er ein „Heiliger“ der
evangelischen Kirche. Er war aber ein für die damalige Zeit untypisch
aggressiver Antisemit, Frauen verachtend bis ins Mark und vom Denken her völlig
mittelalterlich. Teufel war sein Lieblingswort. Die Gesellschaft war sehr viel
weiter.
Und
als wäre das alle noch nicht genug, war Luther auch noch ein von rasendem Antisemitismus zerfressender Hassfanatiker.
Luthers
Pläne zur Vernichtung aller Juden waren noch 450 Jahre die große Inspiration
für Adolf Hitler, der Luther dementsprechend verehrte.
Martin
Luther verfasste schon im frühen 16. Jahrhundert detaillierte Pläne zur „Endlösung der Judenfrage“.
Vor
ein paar Tagen stellte der fromme Kirchenjournalist Matthias Drobinski in der
Süddeutschen Zeitung recht eigenartige Fragen.
Kann man in
Deutschland einen Mann feiern, der den Juden wünschte, "dass man ihre
Synagoga oder Schule mit Feuer anzünde"? Einen Mann, der Muslimen, Katholiken
und aufständischen Bauern Pest, Tod und Teufel an den Hals wünschte? Darf man
fröhlich eines Jahrhunderts gedenken, das darin endete, dass ein furchtbarer
Krieg samt Seuchen und Hunger ein Drittel der Menschen in Mitteleuropa
dahinraffte?
Nein!
Aber
vermutlich sind das rhetorische Fragen, auf die keine Antwort erwartet wurde.
Ja,
liebes SZ-Magazin, Käßmann nervt ein bißchen.
Aber der
Grund liegt nicht in ihrer permanenten Plapperitis und ihrer intellektuellen
Leichtgewichtigkeit.
Das
erlebt man bei vielen.
Käßmann
treibt einen auf die Palme, weil ihr Wirken konkret der Gesellschaft schadet und
weil sie für einen antisemitischen Hassfanatiker Propaganda macht.
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